Gesellschaftliche Verantwortung als Motiv für Literaturengagement wird sowohl von Unternehmen selbst als auch in Fachbüchern über betriebliche Kulturförderung an erster Stelle genannt. (1) Das gibt Anlaß zu fragen, welche ethischen Erwägungen die Förderabsichten mitbestimmen können und sollen. Danach wird überprüft, ob gesellschaftsorientiertes Literaturengagement aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt und sinnvoll ist. Es kann, bedingt durch landesspezifische Charakteristika, in Deutschland und England in verschiedener Weise verwirklicht werden. Allerdings schränkt die öffentliche Meinung den Handlungsspielraum für betriebliche Literaturförderung ein. Für eine Verbindung zwischen unternehmerischen und gesellschaftlichen Interessen zur Förderung von Kunst beziehungsweise Literatur sorgen Institutionen, von denen ausgewählte vorgestellt werden.
Die öffentliche Diskussion über Fragen der Wirtschaftsethik ist dadurch gekennzeichnet, daß ökonomische Aktivitäten von einzelnen, von Unternehmen, von Organisationen und Staaten unter Berufung auf sittliche Normen, Werte und Ideale gesteuert und teils eingedämmt, korrigiert oder in eine andere Richtung gelenkt werden sollen. Tatsächliches oder scheinbar allein egoistisches Gewinnstreben von Unternehmen führt zu Schuldzuweisungen und Anprangerungen in der Öffentlichkeit. Solche oft emotionalen Aussagen greifen die Geisteswissenschaften mit dem Ziel einer Orientierungshilfe auf. Als Konsequenz könnte in einem ersten Schritt unter Berufung auf die höheren Werte der Moral versucht werden, Grenzen zu setzen, und zwar der Ökonomik als umfassend die Wirtschaft erforschendes Teilgebiet des Kanons aller Wissenschaften. Voraussetzung für diesen Versuch wäre, daß es eine unabhängig von der Ökonomik entwickelte Ethik gäbe, nach der wirtschaftliche Aktivitäten beurteilt werden könnten. Diese Ethik würde aus dem Naturrecht oder aus sprachphilosophischen Reflexionen abzuleiten sein. (2) Die Wirtschaft diente dann als Anwendungsfeld der Ethik. Doch griffe ein solcher Klärungsversuch zu kurz, wie noch gezeigt wird. (3) Einen Weg zur Verdeutlichung der Beziehung zwischen beiden Bereichen eröffnet vielleicht der Versuch einer Antwort auf die Frage nach der Prägung des Menschenbildes durch die Ökonomik. Sie muß zumindest implizit ein Bild vom Menschen verwenden, wie es als umfassendes für Philosophie und Theologie im Zentrum aller Überlegungen steht. Jedoch gewinnt in Zusammenhang damit ein Standardvorwurf dieser beiden Wissenschaftsgebiete an Bedeutung: die Ökonomik arbeite mit einem verkürzten Menschenbild, dem Modell des homo oeconomicus, der rastlos nur egoistische Nutzenmaximierung anstrebe.
Tatsächlich können die einzelwissenschaftlichen Aussagen der Ökonomik spiegelbildlich weder in philosophische oder theologische noch in lebensweltliche, also der modernen Welt in ihrer Vielfalt entsprechende, Aussagen überführt werden. Insofern entspricht dem Modell des homo oeconomicus zu Recht kein Menschenbild in der grundlegenden Bedeutung, in der Philosophie und Theologie es verwenden. Deshalb erhebt die Ökonomik auch keinen Anspruch, darüber zu befinden, was der Mensch in der ganzen Breite seiner Existenz ist und sein kann.
Welche ethische Bedeutung kommt unter diesen Prämissen dem Modell eines homo oeconomicus zu? Institutionen einer vielschichtigen Gesellschaft funktionieren in gewünschter Weise nur, wenn zur Erreichung ihres Zweckes, der im weitesten Sinne im Dienst am Gemeinwohl besteht, auf individuelle Anreize als Motor für ethisches Handeln der vielen einzelnen gesetzt wird und keinesfalls auf normative Postulate beziehungsweise auf Zwang. (4) Mit anderen Worten: "Die Nutzenmaximierung der Modellsprache ist lebensweltlich zu verstehen, nicht als Aktion aller, sondern als Reaktion des einzelnen auf das Verhalten anderer, das ihn in Nachteil bringt." (5) Sind also Sanktions- und Belohnungssysteme derart, daß sittliches Verhalten einzelner konsequent und dauerhaft mit ökonomischen Nachteilen bestraft wird, dann wird die Moral in einer durch tiefe Arbeitsteilung und anonyme Austauschbeziehungen gekennzeichneten Welt sehr schnell erodieren. So aufgefaßt leistet das Modell des homo oeconomicus, durch das der einzelne mit allen anderen gleichwertig in die Gemeinschaft einbezogen wird, einen Beitrag zum Verständnis einer komplexen Gesellschaft. Denn unter den Bedingungen großer, das heißt anonymer Gruppen kann das sittlich gewünschte Ergebnis eines Handelns zunehmend weniger über individuelle Moral und individuelles Gewissen erzielt werden. Vielmehr ist das angestrebte Ergebnis nach der Anreizwirkung alternativer institutioneller Arrangements kritisch zu prüfen.
Ein möglicher Anreiz kann von betrieblichem Literaturengagement mit dem ethisch fundierten Argument der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen ausgehen. Diese Begründung des Engagements für Literatur zeigt, daß es zumindest implizit ein ökonomisch geprägtes Menschenbild geben muß, wenngleich ein solches eher ein Durchschnittsverständnis, ein lebensweltliches Verständnis des Menschen ausdrückt. Es ist zudem sparsam gehalten, um eine möglichst breite Akzeptanz zu erzielen. An diesem Bild der Ökonomik vom Menschen ist hervorzuheben, daß er in der Lage ist, sein Verhalten auch durch moralische Normen zu steuern. Hinzu kommen als weitere, gleichzugewichtende Bestimmungen, daß er
- kalkulieren und planen kann; er verfügt in diesem Sinne über Vernunft,
- eine ökonomische, relevante Entscheidungsfreiheit innerhalb der von einer Ordnungspolitik bestimmten Restriktionen besitzt,
- individuelle Bedürfnisse, Präferenzen, Interessen hat,
- ein soziales Wesen ist, ein Wesen, das sich in seinem Verhalten an dem anderer orientiert. (6)
Das Menschenbild der Ökonomik greift also nicht so kurz, wie zunächst befürchtet. Allerdings ist damit noch keine hinreichende Begründung von betrieblichem Literaturengagement aus gesellschaftlicher Verantwortung gegeben.
Die weiteren Überlegungen konzentrieren sich auf die unmittelbare Verknüpfung von Ethik und Ökonomik. Beide beschäftigen sich auch mit den Ansprüchen von Individuen und Gruppen auf knappe Güter, die unter Knappheitsbedingungen einem von Auseinandersetzungen geprägten Verteilungsprozeß und somit Restriktionen unterliegen. (7) Das begründet die Notwendigkeit sittlicher Elemente in der Ökonomik und führt umgekehrt dazu, daß die Ökonomik sich von der Ethik emanzipiert, ethische Fragen als beantwortet voraussetzt und auf systematisch nachrangigen Ebenen, zu denen die des Unternehmens mit der Unterebene betrieblichen Literaturengagements gehört, lokale Optima erforscht. Diese einzelwirtschaftliche Optimierung kann jedoch überwunden werden: Durch die Einbeziehung zweier Größen aus ihrem in ökonomischen Analysen verlorengegangenen philosophischen Ursprung, der zeitlichen und der sozialen Dimension, geht es wieder um gesamtwirtschaftliche Optimierung. (8) Daraus läßt sich eine ökonomische Theorie der Sittenlehre herleiten: "Moral wird als öffentliches Kapital begriffen, das entsprechend der Theorie öffentlicher Güter besonderen Produktions- und Erhaltungsbedingungen unterliegt, das die Rechtfertigung aber in den - im weiteren Sinne wirtschaftlichen - Vorteilen für alle hat. Ökonomisch gesprochen sind moralische Normen eine Investition in die Kooperation zwischen Menschen, die außerordentliche Produktionsvorteile für alle bringen soll und kann." (9) Sittliche Ideale oder Utopien lassen sich, so verstanden, ökonomisch interpretieren: Sie sind als Aufforderungen zu weitergehenden Investitionen in die gesellschaftliche Kooperation zu begreifen. Das ist ein Ausgangspunkt für die Rechtfertigung unternehmerischen Literaturengagements aus gesellschaftlichen Gründen. Durch Betriebe geförderte Literatur kann, beruhend auf vorhandenen Traditionen, neue Ideen in die Arena der gesellschaftlichen Diskussion einspeisen, die dann Fortschritte für alle bringt, etwa neue Handlungsmöglichkeiten erlaubt. (10) Allerdings muß deutlich bewußt bleiben, daß dieser Art von Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten gleichzeitig Handlungsbeschränkungen in Form der aus guten Gründen und somit erhaltenswerten bestehenden Normen gegenüberstehen. Neue, die Gesellschaft betreffende Ideen können also bis zu einem für die Einzelsituation jeweils neu zu bestimmenden Punkt eine für Unternehmen positive Gesamtwirkung auslösen. In der Sprache der Ökonomen ausgedrückt bedeutet das: Wo Grenzkosten (11) und Grenzertrag (12) von neuen Grundvorstellungen ausgeglichen sind, wo also das Optimum liegt, läßt sich keinesfalls allgemein, sondern immer nur situativ bestimmen. (13) Es ist dabei stets die Gefahr zu bedenken, daß der Grenzertrag in den negativen Bereich abrutschen kann.(14)
Weiter führen die wegen der Knappheit der Güter notwendigen Restriktionen bei der Güterverteilung dazu, daß Ethik und Ökonomik als normative Sozialwissenschaften immer mindestens zwei Elemente brauchen. Sie benötigen einerseits einen Zweck, welcher die Suche leitet, also eine Heuristik, und andererseits eine Analyse jener Bedingungen, welche die Restriktionen für das Handeln ausmachen. Die Initiative kann grundsätzlich von beiden Seiten, sowohl der Ethik als auch der Ökonomik, ausgehen. Wenn die Ethik voranschreitet, ist die Ökonomik aufgerufen, die im Lichte neuer Normen und Ideale wichtigen Fragen durchzuarbeiten. Ethik fungiert dann als Heuristik der Ökonomik und die Ökonomik als zugehörige Restriktionenanalyse. In diesem Sinne können durch betriebliches Literaturengagement neue ethische Normen vermittelt, als Teil einer neuen Ethik an die Unternehmen herangetragen und zu einem genuinen Problem der Betriebswirtschaftslehre werden. Umgekehrt können die Betriebe aber auch das unternehmerische Literaturengagement als Heuristik entwickeln. Jetzt fungiert die Ethik im Sinne einer Restriktionenanalyse als die Instanz, welche deren Möglichkeiten auf ihre Kompatibilität mit den sittlichen Leitideen der Tradition überprüft, wie der eines Menschenbildes im umfassenden Sinne.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Ethik und Ökonomik aufeinander angewiesen sind und gleichzeitig zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Um diese Spannung fruchtbar zu machen, bedarf es der Übersetzung der verschiedenen Redeweisen ineinander. Wenn ethische Überlegungen ökonomisch nicht nachbildbar sind, führt das zu gegenseitigem Unverständnis. Ob die praktische Durchführung betrieblicher Literaturvorhaben von der Ökonomik oder der Ethik ausgeht, muß für jedes einzelne Förderprojekt untersucht werden und hat für die weiteren Überlegungen keine Auswirkungen.
Für das Folgende wichtig ist dagegen die Tatsache, daß eine Unterstützung von Literatur durch Unternehmen nur mit dem betrieblichen Argument der gesellschaftlichen Verantwortung keineswegs durch die bisherigen Darlegungen bereits als gerechtfertigt anzusehen ist. Ein Sich-Berufen der Unternehmen auf eine Morallehre allein stellt keine sittliche Rechtfertigung für ihr Literaturengagement dar. Vielmehr muß gefragt werden, inwieweit gesellschaftliche Verantwortung aus ethischer Sicht den Unternehmen bewußt ist und ernst genommen wird, unter anderem durch Literaturengagement. Für eine diesbezüglich skeptische Auffassung spricht, daß gesellschaftliche Verantwortung verbal sehr unterschiedlich artikuliert wird, (15) etwa in allgemein gehaltenen Aussagen wie:
- Verpflichtung für das Gemeinwohl,
- allgemeines staatsbürgerliches Interesse,
- sozialpolitische Verantwortung,
- Nachweis von Engagement im außerökonomischen Bereich.
Eine solche schlagwortartige Argumentation setzt sich dem Verdacht aus, daß mit gesellschaftlicher Verantwortung nur bedingt gleichzeitig ethische Verantwortung gemeint ist. Das unterstreicht die oben aufgestellte These von der notwendigen Nachbildbarkeit ethischer Überlegungen in ökonomischen Argumentationsstrukturen. Tatsächlich sind die gegenwärtigen Strukturen der meisten Unternehmungen nur bedingt darauf ausgerichtet, sich außer den technischen und ökonomischen Aufgaben auch ethischen Problemen zuzuwenden. Könnten Betriebe durch Kunstengagement maßgeblich die gesellschaftlichen Erwartungen an sie erfüllen und wären von der Ökonomik die Inhalte gesellschaftlicher Verantwortung als Ziel klar abgegrenzt, diesbezügliche Verantwortungsbereiche innerhalb eines großen Teils der Unternehmen definiert, so stünde ein breiter organisatorischer Aufbau zur praktischen Umsetzung zur Verfügung.
Von einzelnen Unternehmen werden aber nichtsdestotrotz komplexe Überlegungen als Begründung für ihr Verhältnis zu gesellschaftlicher Verantwortung herangezogen. So argumentiert der Direktor für Trade and Public Affairs von der Firma Johnson Wax (UK) hinsichtlich der unternehmerischen Engagements im Kunstbereich: "If we, and others like us, did not help in these sort of activities, the overall quality of life would be poorer, and society at large would undoubtedly suffer, Johnson's Wax does not operate in isolation, we are part of a community and are intimately involved in the total environment around us." (16)
Ferner kann etwa geltend gemacht werden, daß die tabuisierte Vorherrschaft des produktionsintensiven Denkens zu einem Vorsprung des wirtschaftlichen Ausbaus führt im Vergleich zur gesellschaftlichen Gesamtstruktur und ihren Problemstellungen. (17) Ein so entstehender kultureller Nachholbedarf zeitigt gesellschaftlich-soziale Probleme, die von ihren Verursachern, den Unternehmen, gemildert werden müssen. (18) In diesem Zusammenhang will die Firma Siemens "als Antwort auf die ... gesellschaftlichen Veränderungen mit ... Kulturarbeit daran mitwirken, den Widerstreit von wirtschaftlichem Zweck und kulturell-künstlerischem Selbstzweck, Arbeit und Freizeit, Eigeninitiative und konsumtiver Teilnahme aufzuheben und zu einer Synthese zu führen." (19) Hier kommt das Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Ökonomik explizit zum Ausdruck; das fördernde Unternehmen erkennt es und stellt eine gedanklich nachvollziehbare Verbindung zu seiner Überwindung her. (20)
Noch besser gerechtfertigt erscheint Literaturengagement, das mit seiner organisatorisch-gesellschaftlichen Verantwortung begründet wird. Diese umfaßt die ethische Pflicht, über die in einem bestimmten Zeitabschnitt erbrachte Arbeit Rechenschaft abzulegen. Der Spielraum dazu wird von den in der Gesellschaft dominanten Gruppen bestimmt. Der Nachweis bezieht sich zumeist auf beschreibende Tatbestände, die auch Unternehmen als Nichtmitgliedern dieser Gruppen verständlich sind, jedoch nicht auf selbstgestellte Normen. Die entsprechenden Erwartungen solcher Gruppen der Gesellschaft steigen. Deshalb stellen Teile des Literaturbetriebs direkt an die Unternehmen Ansprüche: Das Fundraising-Konzept der Stiftung Lesen geht davon aus, daß Leseförderung eine nationale Aufgabe ist, "für die sich auch Banken, Industrie und Wirtschaft engagieren müßten. Denn der Zusammenhang von Lesefähigkeit einer Nation und ihrer wirtschaftlichen Prosperität ist evident." (21) Zur organisatorisch-gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen gehört somit die Rechenschaft über die Beteiligung an Gemeinschaftsaufgaben, das heißt eine Antwort darauf, ob Unternehmen notwendige externe Möglichkeiten geschaffen haben, die es der Gesamtheit der Bürger erlauben, ihre Qualitäten, ihr materielles, intellektuelles und geistiges Umfeld zu entwickeln. Dies gilt im besonderen deshalb, weil große private Vermögen im heutigen Gesellschaftssystem legal hauptsächlich durch unternehmerische Tätigkeit zu verdienen sind. Werden sie danach dem Kulturbereich zur Verfügung gestellt, wird das Prinzip der Verantwortung über den Bereich der Gewinnerzielung hinaus in den Bereich der Gewinnverwendung hineingetragen. (22) Für den damit verbundenen breiten Handlungspielraum steht das folgende Beispiel. Werner Stumpfe betont als Anlaß für unternehmerisches Literaturengagement: "Wir sind der Meinung, daß wir einer Gefahr entgegenwirken müssen im Interesse unseres Gemeinwesens, daß unsere Gesellschaft in einzelne Gruppen zerfällt: Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, Literaten, Jugend, die untereinander nicht mehr kommunikationsfähig sind, sondern Diskussionen führen und ihre Meinung immer nur für sich selbst bilden. Miteinander zu reden, miteinander auch eine Meinungsbildung unter Einbeziehung der Argumente des anderen zu betreiben, setzt voraus, daß man nicht gegeneinander 'kämpft'. Es gibt gar keine andere Alternative, als daß man die Chance bekommt, sich im allgemeinen Konsens eine Meinung zu bilden. Und damit leistet man, glaube ich, letztlich auch einen Beitrag dazu, daß in unserer Gesellschaft über die Gruppen hinweg mehr 'common sense' besteht." (23)
Weil sich die Ökonomik mit der Herstellung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen unter dem Aspekt der Knappheit zu beschäftigen hat, stellt sich aus ethischer Sicht die Frage: Können Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften müssen, Literaturengagements betreiben, ohne unsozial zu sein gegenüber den diesen Unternehmen direkt verbundenen gesellschaftlichen Gruppen? Damit sind vor allem die Arbeitnehmer, die Kapitalgeber und die Kunden gemeint. (24) Denn sozial verantwortungsbewußte Unternehmen fühlen sich innerhalb eines marktwirtschaftlichen Ordnungssystems immer zugleich zu einem ökonomisch effizienten Handeln verpflichtet - sie müssen sich im Markt auch gegenüber den weniger verantwortungsbewußten Unternehmen durchsetzen. (25) "And is this not also a basic social responsibility? Success safeguards the jobs of employees, the savings of investors and improves the service available to customers. Business (Literaturengagement) should, therefore, be seen as a help towards achieving this success, although it is not true that 'The only excuse for (Literaturengagement) is sales, and the only excuse for sales is profit', to paraphrase the marketing maxim." (26) Betriebliche Aktivitäten aus gesellschaftlicher Verantwortung lassen sich aus unternehmerischer Sicht somit ethisch und ökonomisch nur dann rechtfertigen, wenn ein enlightend self-interest des fördernden Unternehmens für alle Beteiligten sichtbar gegeben ist und der Betrieb seine Marktstellung durch sein Engagement keinesfalls schwächt. (27) Das schließt Altruismus oder Philantropie als Fördermotive aus. Beide sind in erster Linie Sache der Unternehmenseigner und Kapitalgeber. (28) Das enlightend self-interest wurde vom Vorstandsvorsitzenden der Firma Digital Equipment (UK) mit den Worten formuliert, daß sein Unternehmen sich "noch nie für Kunst engagiert hat, weil es uns gut ging, sondern weil wir wollten, daß es uns besser geht." (29) Edzard Reuter der Firma Daimler-Benz präzisiert, daß sein "Haus sich bemüht, die vorgesehenen Mittel in gesellschaftspolitischer Verantwortung einzusetzen. Neben dem Verzicht auf freiheitsbeschränkende Bestrebungen ... bedeutet dies auch, Ausgabenzwecke ausfindig zu machen, die neben dem erstrebten Vorteil für das Unternehmen zugleich Nutzen für die Gesellschaft haben. Erst wenn dies gelingt, hat Förderergeld seine volle innere Legitimation." (30) Fördernde Unternehmen sollten die für ihr Literaturvorhaben wesentlichen Gründe aussprechen, um Vertrauen zwischen dem Unternehmen, den Lesern beziehungsweise dem Publikum und den Literaturschaffenden zu erwecken. Erst dann wird das Vorhaben Teil der erwünschten und solcherart betriebenen gesellschaftlichen Verantwortung im Rahmen ethischer Normen. (31) Unter dieser Prämisse ist festzuhalten, daß Literaturengagement als betriebswirtschaftliches Ziel konsequent angestrebt werden sollte. Grundsatzüberlegungen hinsichtlich einer betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung gesellschaftsorientierten Literaturengagements sind daher sinnvoll und notwendig.
Die Betriebswirtschaftslehre kann die klassische Marktperspektive, in deren Mittelpunkt Kunden- und Wettbewerbsorientierung stehen, (32) um die Leitidee der Gesellschaftsorientierung der Unternehmung beziehungsweise Unternehmensführung erweitern. Von zentraler Bedeutung für eine sogeartete Leitstruktur sind der Einklang der Unternehmensaktivitäten mit den Kernpunkten der öffentlichen Interessen und die aktive und zukunftsorientierte Gestaltung eines ganzheitlichen Konzepts der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. (33)
Gesellschaftsorientierte Unternehmensführung trägt "der Tatsache Rechnung, daß inzwischen Gesellschaft und Öffentlichkeit (einen) zusätzlichen zentralen Engpaß unternehmerischen Handelns" (34) darstellen. Dies gilt umso mehr, als die Unternehmen mit zunehmender Größe gesellschaftliche Faktoren mit quasi-öffentlichem Charakter geworden sind. Über die Mitarbeiter des Unternehmens hinaus wirkt die Umwelt eines Betriebes auf denselben zurück: "Der Wertewandel hat nicht nur generell zu einem geschärften Bewußtsein gegenüber aktuellen gesellschaftlichen Problemen innerhalb der Gesellschaft geführt." (35) Den Unternehmen wird immer weniger zugestanden, daß sie sich allein auf eine techno-ökonomisch effiziente Versorgung der Bevölkerung mit Gütern konzentrieren. Es wird vielmehr die Übernahme gesellschaftlich-sozialer Verantwortung erwartet, aus Sicht dieser Untersuchung durch unternehmerisches Literaturengagement. Das zielt einerseits auf die Vermeidung, Begrenzung beziehungsweise Abmilderung externer Kosten(36), die Unternehmen verursachen und auf die Gesellschaft abwälzen, andererseits aber auch auf ein aktives Engagement bei der Bewältigung allgemeiner gesellschaftlicher Probleme, unabhängig von einem konkreten oder nachweisbaren Verschulden. (37) Solchen Forderungen können gesellschaftliche Gruppen Nachdruck verleihen, indem sie durch ein korrektives Sanktionsverhalten betriebliche Engpässe hervorrufen: "Die Öffentlichkeit reagiert damit in die Binnensphäre des Marktes und auch jene des regulativen Umfeldes hinein." (38) Das Handeln der Betriebe in gesellschaftlicher Verantwortung wird beurteilt und mit dem Anspruch verbunden, unternehmerische Tätigkeit ethisch-moralischen Kategorien zu unterwerfen und die klassischen Unternehmensziele mit ihnen in Übereinstimmung zu bringen. "So gesehen erweist sich die 'Versöhnung' ökonomischer Unternehmungsziele mit dem 'Prinzip Verantwortung' als Gebot der Stunde und somit als eine der großen unternehmerischen Herausforderungen für heute und morgen." (39)
Diese gesellschaftlichen Veränderungen muß ein Konzept strategischer Unternehmensführung aufgreifen. Es sollte, wie bereits erwähnt, neben Maßnahmen zur Sicherung der Transaktionsziele im Absatz- und Beschaffungsbereich für das Leistungsprogramm des Unternehmens auch die Aufgabe übernehmen, die Existenz des Unternehmens und seine Arbeit vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. (40) In ihrer Mitte "steht die konsquente Ausrichtung aller betrieblichen Ziele, Aktivitäten und Leistungen an den Anforderungen der Gesellschaft beziehungsweise den Bedürfnissen und Erwartungen aller direkten und indirekten Austauschpartner. Es geht ... um eine Denkhaltung in allen Bereichen des Betriebes mit der Zielrichtung, durch einen gesellschaftsorientierten Kurs ... Erfolgspotentiale eines Unternehmens aufzubauen, voll auszuschöpfen (41) und langfristig zu sichern." (42) Für deren betriebswirtschaftliche Umsetzung ist ein Denken notwendig, das auf sozialer Verantwortung beruht. Damit können die Harmonisierung von gesellschaftlichen und betrieblichen Interessen im Dienste einer höheren Lebensqualität, die ethische Rechtfertigung des Handelns und seiner Konsequenzen sowie eine aktive Einflußnahme auf markt- und gesellschaftsorientierte Rahmenbedingungen im Interesse des Unternehmens angestrebt werden. Die Sicherung eines Wertekonsenses betrifft "im Kern die Erhaltung, Kanalisierung oder Änderung gesellschaftsbezogener Wertvorstellungen und Einstellungen der Bürger, welche die Akzeptanz der Unternehmen und deren Leistungen in der Gesellschaft berühren oder sonstige unternehmensrelevante Sachverhalte betreffen, zum Beispiel Geisteshaltungen gegenüber der Marktwirtschaft, den Unternehmensgewinnen, der Arbeit, (der kollektiven Anforderungen an das Unternehmen) und ähnlichem mehr." (43) Eine so gestaltete Unternehmensführung in die Tat umzusetzen, bedeutet also keineswegs einfach Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen. (44) Zu einer Verwirklichung gehört die systematische Gewinnung, Verarbeitung und Aufbereitung von Informationen über gesellschaftliche Entwicklungen, Bedürfnisse, Erwartungen und Forderungen der Öffentlichkeit. "Da Literatur Seismograph gesellschaftlicher Befindlichkeit ist, tun die (Unternehmen) gut daran, die Vielfalt ihrer Stimmen aufmerksam zu hören. So lassen sich neue soziale, religiöse und kulturelle Bewegungen frühzeitig erkennen und politisch bedeutsame Problemfelder in einer Phase diagnostizieren, in der Wirtschaft früh, also wirksam reagieren kann." (45)
Aus einer so charakterisierten Unternehmensphilosophie ergeben sich für die Betriebe wirtschaftliche Chancen. Ein frühzeitiges Aufgreifen von Themen, die in der Arena der gesellschaftlichen Diskussion stehen, eröffnet ihnen neue Profilierungsmöglichkeiten: "Stellt eine Unternehmung ihre gesellschaftlich relevanten Problemlösungsbeiträge (etwa in Form von Literaturengagement) ... heraus, so kann das hierdurch erzeugte positive Meinungsbild mittel- und langfristig zu wichtigen Wettbewerbsvorteilen führen, und zwar nicht nur bei jenen Bevölkerungssegmenten, die schon heute entsprechende Beiträge fordern." (46) Ein verantwortungsbewußt entworfenes Konzept gesellschaftsorientierter Unternehmensstrategie muß deshalb keineswegs mit Gewinnverzichten verbunden sein, sondern kann neue, zum Teil von breiten Gesellschaftsschichten als legitim empfundene Gewinnchancen eröffnen. Es zahlt sich langfristig bei den Marktpartnern, der Öffentlichkeit und den eigenen Mitarbeitern aus, und sei es zunächst nur in Gestalt wachsender Breitenidentifikation der Bevölkerung mit dem System der sozialen Marktwirtschaft. (47)
Eine Realisierung dieser Chancen setzt im Hinblick auf Literaturengagement die Wahl des bestmöglichen rechtlichen Rahmens voraus. Für dessen betriebswirtschaftliche Ausgestaltung stehen verschiedene juristische Instrumente zur Verfügung, die im folgenden diskutiert werden.
Die Ausgestaltung unternehmerischer Literaturförderung muß zivilrechtlichen Vorschriften Rechnung tragen, auf deren Entwicklung die einzelnen Unternehmen ebenso wie ihre Mitarbeiter keinen direkten Einfluß haben. Viele der für das Kulturengagement gültigen Vorschriften sind mit einer Kann-Option versehen. Hier werden Unternehmen gefordert, im Sinne des Gesetzgebers diesen Freiraum auszufüllen. Ignorieren ihn die Betriebe, würde sich der Staat möglicherweise durch öffentlichen Druck genötigt fühlen, einzugreifen und die Betriebe gesetzlich zum Kulturengagement zu verpflichten. (48) Das zeigt folgender Teil des Redebeitrages eines Labour-Abgeordneten im britischen Unterhaus. Er zog eine Parallele "between the level of profits in a company and its degree of support for the arts, and he suggested that the Minister should tell the banks that, if they did not make more money available, they should be prepared to submit themselves to the kind of taxation borne by the oil companies through the Petroleum Revenue Tax." (49) Von besonderer Bedeutung für die Ausgestaltung von Literaturengagement sind die Instrumente der Stiftung deutschen Rechts und des Trusts englischen Rechts als eigenständige juristische Personen. Sie eröffnen wichtige Möglichkeiten zur Mittelübereignung des durch unternehmerische Tätigkeit erwirtschafteten Individualeigentums.
Stiften bedeutet, dem Wortursprung folgend, vor allem gründen, ins Werk setzen. (50) Daraus abgeleitet handelt es sich bei einer Stiftung um ein Vermögen, das als eine gesondert zu verwaltende Masse von jeder persönlichen Inhaberschaft ausgeschlossen ist. Sein Verwalter kann zugunsten des Vermögens Eigentum erwerben, dingliche Rechte und Forderungsrechte dafür erwerben und ausüben, ist dabei aber durch Gesetze und den Stifterwillen gebunden. (51) Darüber hinaus werden für die Errichtung einer Stiftung in Deutschland ergänzende Kriterien vorausgesetzt: (52) eine eindeutige Stiftungsabsicht, die Verfolgung eines bestimmten, im weiteren Sinne gemeinwohlorientierten Zweckes, (53) sowie die Dauerhaftigkeit dieses Zweckes.
Der Motivvielfalt für die Gründung einer Stiftung deutschen Rechts entspricht diejenige bei der Errichtung eines Trusts englischer Rechtsprechung. Das englische Treuhandrecht ist auf drei unterschiedlichen Rechtsausprägungen aufgebaut: Basis ist erstens das Gewohnheits- oder Verfassungsrecht hinsichtlich der Ausübung des königlichen Hoheitsrechts zum Schutze der Treuhand. Darauf gründet sich zweitens das auf richterlichen Entscheidungen beruhende Recht, welches die Prinzipien des Billigkeitsrechtes umfaßt, das im Laufe der Jahrhunderte von der Chancery Division geschaffen wurde. Hinzu kommen die Sondergerichtsbarkeiten in bezug auf Trusts und die Sammlung des Fallrechts, das aus den bereits entschiedenen Fällen besteht. Ergänzt werden sie zum dritten durch ein kodifiziertes Recht. (54)
Allen drei Ausprägungen des Treuhandrechts ist gemein, daß sie sich mit der Rechtsstellung von Treuhändern befassen: Ein Trust ist ein Rechtsgebilde, das einen Treuhänder (Trustee) verpflichtet, über Vermögen (Trust property), dessen Besitzer der Treuhänder ist, zu verfügen zugunsten von Begünstigten. (55) Aus dieser Definition ist ableitbar, daß am Trust mindestens drei Personen beteiligt sind: (56)
- Der Treugeber (Settlor) übereignet das Vermögen dem Trust. Er kann eine natürliche oder juristische Person sein.
- Der Treuhänder (Trustee) erwirbt ein Besitzrecht am Treuhandvermögen und hat es zu verwalten. Er muß juristisch fähig sein, über das in Frage stehende Treugut zu verfügen. Dem Treuhänder kommt somit eine zentrale Rolle zu. Er übt die Rechte des Trusts unter den Auflagen der Verpflichtungen aus. Finanzielle Transaktionen können ein zentraler Bestandteil der Aufgabe sein, dem Trustziel zu dienen. (57)
- Der Begünstigte (Beneficiary) erhält vom Trust Zuwendungen. (58)
Nachdem der Förderzweck einer Stiftung/eines Trusts festgelegt ist, kann er nur in Ansätzen verändert werden, etwa durch ein mit mehreren Personen besetztes Gremium. (59) Nach der Einrichtung der Stiftung/des Trusts werden die Interessenprofile durch unterschiedliche Personengruppen bestimmt. Bei kleinen Stiftungen/Trusts sitzen der Stifter/Treugeber selbst beziehungsweise seine Angehörigen oder Vertrauensleute in dem maßgeblichen Entscheidungsorgan. (60) Durch den gewichtigen Einfluß dieses Personenkreises auf die Arbeit der Stiftung/des Trusts entspricht die Förderthematik in hohem Maße den persönlichen Ambitionen des Stifters/Settlors. Bei mittelgroßen Stiftungen/Trusts besitzen Gremien ein Eigengewicht. Hier spiegeln die Programme vielfach die Interessen einzelner Kuratoren wider. Je größer eine Stiftung/ein Trust ist und je ausgebauter ihre Organisation, desto umfangreicher ist der Anteil der Stiftungs-/Trustverwaltung an der Gestaltung der Institutionsarbeit. (61) Das erfordert die Einstellung qualifizierter Mitarbeiter. Von ihnen kann das gesamte Spektrum der Literaturförderung aufgegriffen werden. Dadurch verfestigt sich die Subkultur der Stiftung/des Trusts und gleichzeitig verliert deren Zufallscharakter an Bedeutung. (62)
Stiftung und Trust haben im Vergleich zu anderen juristischen Rechtsformen Vorteile: Ihre Förderungsthematiken sind weitgehend frei wählbar. Aus Unternehmenssicht ist wichtig, daß Geförderte keinem Individuum oder dem Betrieb selbst, sondern der juristischen Person Stiftung/Trust gegenüber zur Rechtfertigung verpflichtet sind. Das erlaubt es den Unternehmen, Stiftungen/Trusts frei von Unternehmenszwängen für fast alle Varianten des Literaturengagements einzusetzen. (63) Von solchen Leitideen getragene Stiftungen/Trusts vermögen Pionierarbeit zu leisten und wagen, etwas auf Teilgebieten der Literatur zu unternehmen, auf denen der Staat aus politischen Gründen und die Wirtschaft aus kurzfristigen ökonomischen Überlegungen heraus zurückhaltend sein müssen. Die Aufmerksamkeit kann auf dringende Probleme oder Nöte des Literaturbetriebes hingelenkt werden. Bei Bedarf ist rasches Handeln möglich.
Einmal eingegangenes Engagement läßt sich kontinuierlich durchführen, da bei schlechter wirtschaftlicher Konjunkturlage auf das Vermögen der Stiftung oder des Trusts zurückgegriffen werden kann. Das erleichert den Erklärungsbedarf für Auszahlungen an den Literaturbetrieb gegenüber dem Umfeld des Unternehmens, hauptsächlich gegenüber den Mitarbeitern und Kapitalgebern. Auch die Gefördertenseite profitiert von der rechtlichen Einrichtung einer Stiftung oder eines Trusts: Unterstützte wissen, daß eine kontinuierliche Betreuung im Rahmen zugesagter monetärer Hilfen gesichert ist.
Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist über die hier erörterte gesellschaftspolitisch motivierte Förderung hinaus besonders wichtig, daß Stiftungen/Trusts sich mit Hilfe ihrer Namen ein eigenständiges positives Image zu schaffen vermögen, welches häufig auf dasjenige Unternehmen übertragen wird, das Urheber einer Stiftung/eines Trusts war. (64)
Für die Gesellschaft schließlich ist der Zweck solcher Engagements eindeutig ersichtlich. Dadurch werden Mißverständnisse in der öffentlichen Diskussion hinsichtlich des jeweiligen Fördermotivs weitgehend vermieden, selbst dann, wenn die Förderung als "Reinvestment" (65) bezeichnet werden kann, wie es das folgende Beispiel verdeutlicht: Die Stiftung Lesen wurde von Verlagshäusern und der Öffentlichen Hand gegründet, um das Interesse an der Beschäftigung mit Druckwerken in breiten Gesellschaftsschichten zu steigern: Leseförderung als Daseinserhellung für die Mitglieder. Der Hintergrund der Stiftung aus Sicht der Unternehmen, die Literatur verlegen oder vertreiben, besteht darin, daß die zunächst gepflegte Distanz des Berufsstandes zur Leseförderungsarbeit "sich als Fehleinschätzung erwiesen hat, als ob etwas Unanständiges darin zu sehen ist, wenn wirtschaftlich Betroffene sich für eine unstreitig gute Sache einsetzen." (66) Das Beispiel zeigt, daß für Eigentum in der Rechtsform der Stiftung/des Trusts sich Nutzen für die Gesellschaft mit der Forderung nach Nutzen für das engagierte Unternehmen verbinden läßt. (67)
Unterschiede zwischen deutscher Stiftung und englischem Trust bestehen in der behördlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit als Grundlage für Privilegien, etwa steuerlicher Art. Während Gemeinnützigkeit in Deutschland eindeutig gesetzlich geregelt ist(68), wurde Charity im englischen Recht nie kodifiziert. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß mit Veränderungen der Gesellschaft neue soziale Bedürfnisse einhergehen, die unvorhersehbar sind. Somit besteht bei Trusts englischen Rechts mit noch unerprobter Zielsetzung hinsichtlich der Art des Literaturengagements das Risiko, daß ihre Einrichtung vom zuständigen Gericht nicht genehmigt wird. Dies ist ein Nachteil gegenüber Stiftungen deutschen Rechts. (69)
Außerdem unterscheidet sich die Rechtskonstruktion des Trusts vom deutschen Stiftungsrecht wesentlich dadurch, daß englisches Recht im Trust unter der Bedingung der zeitlichen Begrenzung eine Eigentumsauffassung erlaubt, nach der sich Eigentum in Vermögen (estates) und Interessen (interests) aufgliedert. (70) Deshalb ist die Rückübertragung von Kapital aus Gewinnen in den Trust zu dessen Substanzerhaltung im Gegensatz zum deutschen Stiftungsrecht unproblematisch.
Vor dem Hintergrund, daß in der Europäischen Union der Rechtsanspruch besteht, in einem anderen Partnerstaat juristische Personen in dessen Rechtsform zu gründen, stellt sich folglich für jedes Einzelförderprojekt sowohl englischer als auch deutscher Unternehmen die Frage, ob die Stiftung deutschen Rechtstyps oder der Trust englischer Rechtsprechung die geeignetere Förderform für Literatur im Sinne einer Stiftungsoase (71) ist. (72) Die erörterten Rahmengesetze spielen dabei eine zentrale Rolle: Der Stiftung steht der Trust mit einem weiteren Spielraum der Rechtsausgestaltung und seinem größeren Risiko bei der Kapitalsicherheit gegenüber. (73)
Neben der Stiftung beziehungsweise dem Trust eignet sich die Spende als weiteres Instrument zur Übereignung von Individualeigentum zum Zwecke betrieblichen Literaturengagements. Charakteristikum einer Spende (74) durch ein Unternehmen ist das Aufgreifen von Bedarfssituationen außerhalb des Betriebes, zum Beispiel durch Zuwendungen an Vereinigungen. (75) Diese können an unternehmensfremde literarische Organisationen oder durch den Betrieb gegründete juristische Institutionen, etwa an eine Unternehmensstiftung, übereignet werden. (76)
Gespendet wird meist anonym, das heißt, den Geldgeber verbindet im allgemeinen keine persönliche Beziehung mit Vertretern des Literaturbetriebes. Nichtsdestotrotz sind beim Spendenverhalten Gratifikationserwartungen "in der Regel entscheidend".(77) Eine Gratifikationserwartung ist dann anzunehmen, wenn über den monetären Aspekt hinaus bei Kommunikationspartnern des Unternehmens die Änderung von Einstellungen und Werthaltungen erreicht werden soll. Diese können sich entweder auf die Entstehung von Literatur beziehen oder aber sollen mit der geförderten Literatur beim Rezipienten erreicht werden. (78)
Wie bei den Förderformen der Stiftung beziehungsweise des Trusts sind Spenden unter der Voraussetzung der Gemeinnützigkeit steuerlich begünstigt. (79) Eine Verküpfung von Stiftung und Spende macht deren juristische Verwandtschaft oft sinnvoll, wie das Beispiel der Finanzierung des Literaturhauses Hamburg zeigt. Es entstand als Objekt der Zeit-Stiftung. Die laufenden Betriebskosten werden dagegen vor allem aus Spenden abgedeckt. "Diese Finanzierungsstruktur entspringt einem repräsentativen Kulturverständnis, keinesfalls sozialpflegerischen Absichten, und drückt sich in einem gehobenen Programm des Literaturhauses aus." (80)
Eine weitere juristische Förderform von Literatur stellt der Auftrag dar, für den sowohl der deutsche als auch der englische Gesetzgeber weitgehende Vertragsfreiheit erlaubt. (81) In formalem Juristendeutsch besteht ein Auftrag in einem Vertragsabschluß mit Kunden über die Lieferung von Gütern oder die Ausführung von Dienstleistungen. (82) Die Lieferung von Gütern im engen Sinne scheidet bei Autoren als Auftragnehmern naturgemäß aus. Anderes gilt von der Lieferung eines Wortkunstwerkes. Damit verbunden ist die Frage, ob durch Einwirken des Auftraggebers nachweisbare Abweichungen vom persönlichen Stil des Autors und vom Zeitstil entstehen.
Nach einem Vorurteil vieler literaturinteressierter Menschen ist Auftragsliteratur häufig minderer Qualität. Diese Denkweise ist wirtschaftlich begründet: Die moderne Gesellschaft mit ihren komplexen Marktbeziehungen wertet Auftragswortkunst als bestellte Ware ab. (83) Negativen zeitgenössischen Stimmen zum Trotz ist auf entstehende Literatur ein gedanklich befruchtendes Einwirken von Auftraggebern möglich. Verfügen diese noch über Literaturverständnis und Energie, vermögen sie dem Zeitstil eine neue Wendung zu geben, indem sie Autoren zur Bearbeitung neuer Themen und zu einer Variation ihrer Formensprache veranlassen und damit auch deren persönlichem Stil ein neues Moment hinzufügen. (84) Ein Einfluß auf die Persönlichkeit der Geförderten ist davon streng abzugrenzen - ein hohes Maß an Sensibilität und großer Zeitaufwand der Auftraggeber für eine erfolgreiche Betreuung sind für ein sachgerechtes Engagement erforderlich. (85) In der Praxis wird aber wegen der häufig fehlenden verständnisvollen Zusammenarbeit der Autor in der Regel den risikoloseren Weg wählen und dem Besteller nach dessen individuellem Geschmack und zugleich im jeweils modernen Zeitstil Werke anbieten und liefern. In diesen Fällen ist mit einem Auftrag eine Abhängigkeit des Autors von seinem Förderer verbunden, was sowohl zu einer Zensur (86) als auch zu einer Verzerrung oder gar Entstellung der aufgetragenen künstlerischen Arbeit führen kann. Eine versuchte mißbräuchliche Einflußnahme des Bestellers auf den Autor wird eher die Ausnahme denn die Regel sein, weil die Möglichkeit einer negativen Rückwirkung auf den Besteller durch literarische Gruppen viel zu groß wäre. Allerdings findet Mißbrauch statt, wenn Literatur als Auftragswortkunst durch Ghostwriter unter strikten Vorgaben oder auf Vorrat geschrieben wird. Anders sind Beiträge für kommerzielle Massenmedien zu bewerten, etwa Fernsehdrehbücher oder die Ausgestaltung von Geschäftsberichten. (87) Dann darf regelmäßig davon ausgegangen werden, daß ein Auftragswerk vorliegt, das sonst nicht in dieser Form entstanden wäre und für das gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz gegeben ist. Doch auch hierbei kann für Autoren eine unerwünschte Zwangssituation entstehen, zum Beispiel wenn die innerliche Ablehnung des Auftrages durch Finanznot überkompensiert wird.
Von breiten Schichten der Gesellschaft wird Kultur als eine Grundlage sozialen Lebens und als hilfreich bei der Identitätsfindung angesehen. In Deutschland und England verhalten sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt Teile der die Kulturszene bestimmenden Öffentlichkeit reserviert gegenüber einer stärkeren Verknüpfung von Wirtschaft und Kultur. Es besteht die Furcht, daß ein verstärktes betriebliches Kulturengagement zu einer Beschneidung staatlicher Subventionen für das kulturelle Leben führt. (88) Diese Furcht wird von einigen Beschäftigten der staatlichen Verwaltung genährt, da sie privatem Kulturengagement mißtrauisch oder gar mit offener Feindschaft begegnen. Aufschrecken läßt sie die Vorstellung, daß sie ihre Souveränität über die Auswahl dessen teilen müßten, was sich ihrer Meinung nach für das Volk schickt. (89) Hermann Glaser merkt in diesem Sinne an: "Das Zusammenwirken von Kultur-Sponsoring und Öffentlicher Hand gelingt nur, wenn Staat und Kommune nicht aus ihrer kulturpolitischen Verantwortung entlassen werden. ... Der Thatcherismus ... würde die großen Errungenschaften der Kulturpolitik aufs Spiel setzen, wie sie in der Bundesrepublik gegeben sind." (90) Daß eine solche Gefahr, wie bereits erwähnt, nicht besteht, belegt die Tatsache, daß bereits eine geringfügige Kürzung der deutschen öffentlichen Kulturetats sich nur durch eine deutliche Steigerung des betrieblichen Kulturengagements kompensieren lassen würde. (91) Gleichzeitig wird von den Unternehmen selbst eine Übernahme der Hauptförderverantwortung mit Blick auf den Staat abgelehnt. In England betont die ABSA(92), daß sie "has always stood by its dictum that sponsorship, to be effective, must be seen as a supplement to, not a substitute for public funds." (93) In Deutschland stellt die Firma Siemens ihre Position klar: "Anders als die Kulturarbeit der Öffentlichen Hand können private Förderer in der Regel keine dauerhafte Unterstützung garantieren. ... Bibliotheken zu unterhalten, sie angemessen auszustatten, gehört vielmehr zu den öffentlichen Aufgaben. In keinem Fall kann es darum gehen, die Öffentliche Hand von diesen Aufgaben zu entlasten. Kulturarbeit kann immer nur eine Ergänzung sein und darf nicht so angelegt werden, daß sie zur Verringerung der öffentlich aufgewandten Mittel führt." (94) Ergänzend zu den Einwänden gegen das quantitative Engagement durch private Förderer müssen die bezüglich der qualitativen Wirksamkeit der Kulturarbeit von Betrieben erhobenen Bedenken geprüft werden. Unternehmen engagieren sich nur in Ausnahmefällen bei kulturellen Randgruppen, so daß hier die Öffentliche Hand keinesfalls Gefahr laufen kann, aus der Verantwortung entlassen zu werden.
Anders ist die Situation in den Kultur- beziehungsweise Literaturbereichen zu bewerten, die im Zentrum der Arena gesellschaftlicher Diskussion stehen und bei denen betriebliche Förderengagements typisch sind. Bisher begünstigt Projektengagement durch Unternehmensbürokratien überproportional Breitenveranstaltungen, etablierte Autoren oder prestigebehaftete Großinstitutionen wie literarische Gruppen, die sich Spezialisten- oder Lobby-Aktivitäten leisten können. Dies liegt zum einen an Unternehmensverwaltungen, welche aufgrund ihrer bürokratischen Struktur (95) zu einer Präferenz der Förderung von finanziell und personell aufwendigen Projekten tendieren. Leider geht eine solche Förderung an tatsächlichen Bedürfnissen vorbei und stößt dadurch auf emotionale politisch-gesellschaftliche Widerstände; denn die Bürokratien von Unternehmen haben, selbst dann, wenn sie sich von den besten Wissenschaftlern beziehungsweise Literaturkritikern beraten lassen, keinesfalls zwangsläufig einen Wissensvorsprung vor dem dezentralen Literaturbetrieb über Möglichkeiten der Literaturförderung. Eine Rückkopplung zur Vermeidung von Fehlern erfolgt selten, so daß kaum Verhaltensänderungen bewirkt werden: (96) Förderung kann Abhängigkeit schaffen von Förderung, ähnlich wie ein Großangebot an Unterstützung oft Hilfsbedürftigkeit verstärkt oder sogar erzeugt. Die geförderten Autoren reagieren auf die durch Engagements verursachten marktmäßigen Verschiebungen mit der Anpassung ihrer Ressourceneinsätze. (97) Nur dort, wo Hilfe zur Selbsthilfe gewährt wird und auf diese begrenzt werden kann, besteht die Gewähr dafür, daß Fördermittel ausschließlich unterstützen.
Verantwortlich für die Förderung etablierter Bereiche in der Literaturszene als Schwerpunkte der Unternehmen ist auch der Kulturbetrieb selbst: "There are some areas of human endeavour that happen to make large sums of money and others that do not. As the latter become increasingly dependent on the former, so money-making skills come to be seen as the only relevant ones; their practitioners dominate large areas of outside their own sphere, and their practices and preferences are seen as the only legitimate ones. Thus, most artistic organisations seeking a new leading figure now seek someone from the financial or property worlds." (98) Diese Argumentation mündet in die Andeutung der Gefahr, daß künstlerische Aktivitäten eingepaßt werden in Strukturen von Unternehmen, die scheinbar daran uninteressiert sind "what is best for (Kunst), but in what is most likely to influence the public." (99) Aus gesellschaftlich-kulturellem Blickwinkel erheben sich deshalb zwei Fragen: "Are cultural ... institutions doing things because of the need to attract (Förderer) that they would not have done had they been spending income from their own existing assets? But that then begs a second question: and if so, are they the better or worse for it?"(100) Die Relevanz dieser beiden Fragen wäre aus Sicht jeder einzelnen Literatureinrichtung zu untersuchen, was an deren Vielzahl scheitern muß. An dieser Stelle wichtig ist die Tatsache, daß solche Überlegungen überhaupt angestellt werden. Eine mögliche Entwicklung im Sinne der aufgezeigten Fragestellungen darf dem Staat wie den Unternehmen keinesfalls gleichgültig sein, ist ein darauf beruhendes betriebliches Engagement doch mit einer Veränderung des gesellschaftlichen Förderklimas verbunden. Denn in einem auf Gleichberechtigung aufgebauten Verhältnis zwischen Literaturbetrieb und Unternehmen haben Schmeichelei und Liebedienerei keinen Platz, während eine auf Dankbarkeit und persönlichem Respekt gegründete Beziehung legitim ist. Es liegt sowohl bei den Unternehmern beziehungsweise den Betrieben als auch bei den Autoren beziehungsweise dem Literaturbetrieb, wie das Förderklima gestaltet wird.
Im Zusammenhang damit wird gelegentlich der Vorwurf einer Zensur von Wortkunst durch Unternehmen erhoben. (101) Tatsächlich kommt es im literarischen Bereich selten dazu, denn kaum ein Unternehmen wird sich dem Bekenntnis zur freien Entfaltung von Literatur entziehen. Kritik der öffentlichen Meinung steht dem entgegen und beeinflußt das Verhalten von Unternehmen. Beispielsweise sagt Edzard Reuter für die Firma Daimler-Benz: "Man weiß ... sehr schnell, wie dumm jeder Versuch wäre, die Gestaltungsfreiheit von Künstlern einzuengen oder zu manipulieren. In aller Regel würde das nämlich nicht funktionieren, jedenfalls nicht in einer offenen Gesellschaft wie der unsrigen - und wie irreparabel kann der Schaden für das eigene Erscheinungsbild sein, wenn man dabei erwischt wird." (102)
Kommt es also nur deshalb zu den erwähnten Befürchtungen, Betriebe könnten ihr Literaturengagement als Mittel zur Zensur von Literatur anwenden, um einer solchen Möglichkeit von vornherein vorzubeugen? Um darauf eine Antwort zu finden, muß überlegt werden, ob überhaupt mit Literatur ein gesellschaftlicher Einfluß ausgeübt werden kann, der dann von Unternehmen ausnutzbar wäre und bei unerwünschter Wortkunst eine Zensur auslösen würde. Der Autor Peter Härtling widerspricht der Behauptung, daß Literaturprodukte auf die gesellschaftliche Entwicklung einwirken können. "Der Schriftsteller schreibt Geschichte, macht aber keine. Jeden Satz, den er schreibt, lernt er, und dieses konstante und konsequente Lernen ist die einzige Freiheit, über die er verfügt." (103) Folglich schreibt der Autor nur, um dabei wieder zu lernen. Für den Leser bedeutet die Erzählung einen Aufruf, selbst mitzuerzählen, also die Freiheit des Lernens nachzuvollziehen. Friedrich Dürrenmatt gibt sich etwas offener: "Der Schriftsteller kann die Welt im besten Fall beunruhigen, in seltensten Fällen beeinflussen - verändern nie." (104) Autoren, die der Literatur eine positive Beeinflussungsmöglichkeit zuerkennen, ordnen der Wortkunst eine politische Funktion zu. Alexander Solschenizyn formuliert sein Motto: "Ein großer Schriftsteller ... ist doch so etwas wie eine zweite Regierung." (105) Gemeinsam ist allen drei Positionen, daß sie dem Autor durch seine Schriftwerke ein geistiges Einwirkungspotential auf den Leser zusprechen. Gemäß der Auffassung von Härtling kann ein Unternehmen ausschließlich als Mittler zwischen Autor und Leser auftreten. Zensur durch Unternehmen gebe es nicht, und somit sei der Vorwurf derselben hinfällig. Davon unterscheidet sich die Auffassung von Alexander Solschenizyn: Nach ihr könnte es Unternehmen gelingen, durch gezieltes Literaturengagement beziehungsweise durch die systematische Behinderung von Literaturproduktion Einfluß auf die Gesellschaft zu nehmen. Vor diesem Hintergrund sind Emotionen der Kulturschaffenden verständlich, wie das folgende, auf Literatur übertragbare Beispiel zeigt: "Die Pflicht zur Kultur jetzt der Industrie zu überlassen, ... (ist) äußerst gefährlich. Damit ist die Unabhängigkeit des Theaters bedroht. Das jetzt der Industrie zu überlassen - da kommt die amerikanische Verdummung auf uns zu und in den Programmheften wimmelt es von Annoncen. Dadurch wird ein ganz massiver Druck auf das Theater ausgeübt. ... Die Industrie ist gezwungen, Zensur auszuüben durch Niveauansprüche. Man muß es doch sagen, ein Rüstungskonzern ... kann doch kein kritisches Theater fördern, das sozusagen mit der Rüstungsindustrie kritisch umgehen könnte. Man müßte sich seine Förderer immer nach den Themenkreisen aussuchen, das ist einfach lächerlich." (106) Aus der Undifferenziertheit dieser Aussage ergibt sich jedoch, daß das Problem der Einflußnahme auf künstlerisches Schaffen genauer aufgeschlüsselt werden muß, damit bei unternehmerischem Literaturengagement daraus Konsequenzen gezogen werden können. Obwohl auf eine Einteilung in unterschiedliche Zensurgrade verzichtet wird, sind verschiedene Formen indirekter Zensur zu manifestieren: (107)
- Die Einflußnahme durch Repression, als Quasi-Zensur durch Einschüchterung, indem permanente Schwierigkeiten signalisiert werden für den Fall, daß diese oder jene konkrete Meinung weiter vertreten wird,
- die materielle Einflußnahme, indem für bestimmte mißliebige Aktivitäten die Mittel vorsorglich entzogen werden, so daß überhaupt kein Spielraum für künstlerische Gestaltung und Stellungnahme bleibt; das kann auch schon durch die bloße Androhung des Rotstiftes erreicht werden,
- die intervenistische Einflußnahme eines einzelnen in der Absicht, Zensur durch den Mehrheitsbeschluß eines Fördergremiums demokratisch zu legitimieren,
- die Einflußnahme durch Appeasement, als Anpassung an das Wollen des Stärkeren mit dem Ziel, einen ungleichgewichtigen Konsens zwischen ungleichen Partnern herzustellen,
- die Einflußnahme im Kostüm der Unternehmensbürokratie in Form von biederen Tarnanzügen der Förderung oder ihrer Verweigerung. (108)
Die Entwicklung der Position von Unternehmen zu indirekter Zensur sollte gut überlegt sein, denn das deutsche (109) und englische Recht garantieren Kunstfreiheit. Ihr gegenüber sind eindeutige Schranken zu ziehen, wenn es um die Rechte anderer, die verfassungsgemäße Ordnung und sittliche Normen geht. Es liegt aber auch im Interesse der Unternehmen, was von den Vertretern des Staates für diesen behauptet wird: "Freiheit der Kunst heißt nicht nur Freiheit vom Staat, sondern zugleich Freiheit durch den Staat"? (110) Edzard Reuter präzisiert das Problem: Einflußnahmen kamen in der Vergangenheit auch von "kirchlichen Würdenträgern, von Fürsten oder von akademischen Autoritäten. Doch wenn wir schon dabei sind, uns auf ... Bauchschmerzen von Kulturpäpsten einzulassen, die ja - wie jedermann weiß - völlig frei von persönlichen Interessen nur dem repressionsfreien Wohl der Allgemeinheit hingegeben sind, müssen wir dann nicht so ehrlich sein zu fragen, ob womöglich die Freiheit der Kunst heutzutage noch viel umfassender gefährdet, wenn nicht gar beeinträchtigt sein könnte? Die Theater: Hin- und hergerissen in den Strudeln zwischen den Intendanten, die herdenhaft den gängigen Moden hinterherlaufen, und dem Abonnentenpublikum, das natürlich lieber dem Bettelstudenten zujubelt als auf Godot wartet." (111)
Offensichtlich ist Kunstengagement stets mit einer Form von Einflußnahme verbunden, wer auch immer die Förderung gewährt oder sie kontrolliert. Der Staat verfolgt seine Ziele, etwa durch die Ernennung von Beamten, die eine bestimmte Kulturpolitik favorisieren. (112) Also ist es auch für Unternehmen legitim, ihre zwangsläufig von den staatlichen sich unterscheidenden Ziele anzustreben und zu gestalten. Unternehmen von vornherein einschränkende Einflußnahme zu unterstellen, beruht auf dem gleichen Vorurteil, wie es das von der völligen Neutralität des Staates darstellt. Für beide gilt, daß ihre Anhänger "weder mehr noch weniger kompetent sind, Geschmack zu entwickeln und Kunst zu fördern, als es Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen sind. Der wahre gute Geschmack, wozu es zuallererst dessen Vorhandenseins und eines Gefühls dafür bedarf, ist weit mehr Menschen gegeben, als Bürokratien oder selbsternannte Kritiker die Gesellschaft glauben machen wollen." (113)
Tatsächlich bietet unternehmerisches Literaturengagement den Autoren die Möglichkeit, vergleichsweise unberührt von externen Einflüssen ihrer literarischen Arbeit nachzugehen. Faßt der Autor sich als ein aktiver Mitgestalter und nicht als Handlungsgehilfe des Unternehmens auf, kann er - in Grenzen - selbst Forderungen stellen. Er ist schließlich mehr als ein Mittelempfänger, bietet er doch eigene Leistungen an, möglicherweise auf einem Literaturförderungs-Markt. (114) Das letzte Argument muß jedoch zur Zeit noch als Vision betrachtet werden. (115)
Wichtig für die Gegenwart ist die Schaffung einer Synergie beim Literaturengagement von Unternehmen, Autoren, Staat und gesellschaftlich aktiven Gruppen, die das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen Arena abdecken. (116) Die Unterstützung von Literatur durch Unternehmen trägt somit zur Pluralität der Förderung bei. Dieser Effekt wird durch die Verschiedenartigkeit unternehmerischer Tätigkeiten und die Vielzahl betrieblicher Bedürfnisse und Erzeugnisse noch vergrößert. (117) Denn wenn zwischen künstlerischen Kreationen und Teilgruppen gesellschaftlicher Bedürfnisse nicht ausreichend Übereinstimmung empfunden wird, verstärken sich die Dominierungsbestrebungen aus Wirtschaft und Politik. Die aufgefächerte Förderplattform kommt ferner der Natur des Literaturbetriebes entgegen. Um kreative Mannigfaltigkeit von Literatur zu ermöglichen und zu gewährleisten, muß deren gesellschaftlicher Organisations- und damit Normierungsgrad schwach bleiben. (118) Edzard Reuter stellt fest: "In jedem Fall scheint mir, daß die Ergänzung von Kunst und Kultur durch (Förderer) die Chance vergrößert, falschen Verabsolutierungen die Grundlage zu entziehen. Der Wettbewerb, der zwischen den Unternehmen auch auf diesem Gebiet stattfindet, bietet dafür zusätzliche Gewähr. Gemischte Finanzierungsquellen sind die beste Garantie für Unabhängigkeit und geistige Freiheit. Kunstförderung wird immer dann vernünftig sein, wenn sie eine Form findet, die Vielfalt erleichtert und anregt." (119) Ein Autor, der bei einer derart umfänglichen Förderpalette keinerlei Förderung erhält, muß sich fragen, ob sein Werk tatsächlich erwünscht ist.
Diese Vielfalt der Förderung kann sich in der Kooperation von fördernden Unternehmen einerseits sowie der gegenseitigen Unterstützung von Staat und Unternehmen bei der Literaturförderung andererseits ausdrücken. Sie bildet den Inhalt der folgenden Überlegungen.
Gesellschaftliche Verantwortung wird in Deutschland, aber vor allem in England, durch Vereinigungen institutionalisiert, die von Unternehmen oder vom Staat ins Leben gerufen wurden. Warum bestehen derartige Zusammenschlüsse insbesondere in England? (120) Dort haben Klubs eine lange Tradition, die weiter fortwirkt. So schließen sich leitende Unternehmensvertreter zusammen zu verschiedenen Vereinigungen, die es als eine moderne Form gesellschaftlicher Verantwortung betrachten, Kultur als wesentliches Element gesellschaftlichen Lebens publikumswirksam zu fördern. Die Krone stellt sich als ein bereitwilliges Bindeglied zwischen fördernden Unternehmern beziehungsweise deren Betrieben einerseits und der Öffentlichkeit andererseits zur Verfügung.
In Deutschland hat sich ein weite Teile der Bevölkerung erfassendes Vereinswesen entwickelt, das aber besonders auf Innenwirkung, weniger auf Außenwirkung der verschiedenen Gruppierungen gerichtet ist. Ein öffentlicher Prestigegewinn durch Vereinsmitgliedschaft ist daher geringer als in England. Im förderalistisch verwalteten Deutschland untersteht die Kulturhoheit den Bundesländern. Dies erschwert die Etablierung einer die Bundesländer übergreifenden nationalen Einrichtung sinnvoller Organisationsgröße für privatwirtschaftliches Kulturengagement. (121)
Im folgenden werden englische Vereinigungen einerseits und deutsche Vereinigungen anderserseits vorgestellt, die Unternehmen zum Literaturengagement ermutigen und zugleich bei dessen Durchführung unterstützen.
Der The Per Cent Club wurde von britischen Unternehmern 1976 gegründet und strebt die Steigerung der Unternehmensaktivitäten für eine Wohlfahrt an, die Literaturförderung einschließt: "The member companies see private sector involvement in the community as an integral part of corporate life, which can improve both business itself and the relationship between the business sector and the community as a whole." (122) Der betriebswirtschaftlichen Umsetzung liegt der Sachverhalt zugrunde, daß viele britische Unternehmen ihr Kulturengagement auf einen Prozentsatz des Vorsteuergewinnes fixieren. Entschließen sich Unternehmen zu dieser Vorgehensweise und erreichen einen in den Klubstatuten festgelegten Mindestprozentsatz, können sie der Vereinigung beitreten. (123)
An der Gründung des Per Cent Club für Großbritannien war Sir Hector Laing von der Firma United Biscuits maßgeblich beteiligt: "If we were to make a start at forming a One Per Cent Club, even if we had to work up from 0.5 %, the contribution whether in money or in people (124), would be very substantial and very worthwhile. Companies or shareholders who argue that they could not afford it should remember that, if the fabric of society is disintegrating, the prospect of making any profit recedes. While profits are of course an essential operating requirement of business they are not its sole purpose - the ultimate responsibility of business is to serve society." (125) Die ursprüngliche Planung der Klubmitglieder sah ein Prozent des Vorsteuergewinns der beitrittswilligen Unternehmen als Mindestbeitrag an, was sich jedoch als zu ehrgeizig erwies. Deshalb wurde eine Beitrittsquote von einem halben Prozent vorgeschlagen mit der Auflage, daß die Mitglieder in absehbarer Zeit ein Prozent erreichen. (126) Wegen dieser Intention wurde die Vereinigung The Per Cent Club genannt. Der Prince of Wales übernahm die Schirmherrschaft.
Der gesellschaftliche Beitrag im Sinne des Klubs kann über die vom Gesetzgeber als charitable angesehenen Förderungen hinaus auch aus anderen Auszahlungen der Unternehmen für gesellschaftliche Aufgaben bestehen: "Cash, secondment, donations in kind as equipment or services or use of facilities, premises, expertise or advice." Der kostenrechnerische Wertansatz für diese Güter und Dienstleistungen bleibt dabei undefiniert. Er kann für das Unternehmen in der für die Mitgliedschaft jeweils günstigeren Wertstellung wahlweise angesetzt werden. (127) Die Unternehmen melden dem Klub eigenverantwortlich, welche ihrer Auszahlungen für die Öffentlichkeit und welche für ihren Betrieb bestimmt sind.
Neue Mitgliedsunternehmen sollen durch die Gründung regionaler und örtlicher Klubsektionen gewonnen sowie die Anerkennung privatwirtschaftlicher Projekte als Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung in der Öffentlichkeit verbessert werden. Diesem Zweck dient unter anderem ein mit Angaben über Mitgliederaktivitäten jährlich herausgegebenes Handbuch, eine Bible of Corporate Responsibility für die gesellschaftliche Diskussion. Ferner soll in Zukunft als verbindliches Mitgliedskriterium tatsächlich ein Prozent des Vorsteuergewinnes von Mitgliedsunternehmen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt und eine höhere Qualität unternehmerisch geförderter kultureller Projekte angestrebt werden. Dies würde für manche Klubmitglieder deutliche Mehrausgaben für gesellschaftliche Zwecke bedeuten. (128)
Trotz vieler Anstrengungen, Neumitglieder zu gewinnen, sind bisher aus sehr unterschiedlichen Gründen keineswegs alle bedeutenden britischen Unternehmen Mitglied des Klubs geworden. (129) Ein Grund mag darin liegen, daß mitgliedswillige Unternehmen die Zunahme der Bekanntheit des Klubs abwarten, um zu einem Zeitpunkt beizutreten, in dem die Mitgliedschaft einen ihrer Meinung nach erkennbaren Vorteil verschafft. (130) Eine Klubplakette allein als Voraussetzung für gesellschaftliche Anerkennung genügt solchen Unternehmen nicht. Auch sind Tochtergesellschaften ausländischer, in England tätiger Unternehmen oft an Vorgaben ihrer Muttergesellschaften gebunden, welche dem Streben des The Per Cent Club distanziert gegenüberstehen. Eine Anzahl von Betrieben fordert zwar gesellschaftlich orientierte Projekte, fühlt sich aber durch das Klubstatut finanziell überfordert. Ein besonders wichtiger Grund, von einem Beitritt abzusehen, besteht in konzeptionellen Problemen des Klubs. Dazu gehören die unklaren Aufnahmevoraussetzungen und die vagen Ziele des The Per Cent Club, die sich im Fehlen einer "written constitution"(131) ausdrücken. Das kann grundsätzliche Ziele des Klubs gefährden und ins Gegenteil verkehren.
Ferner ist die Verknüpfung der sozialen Ausgaben mit jährlichen Gewinn- oder Ausschüttungsquoten der Unternehmen bedenklich. Dies gilt zum einen im Hinblick auf Betriebe aus Branchen mit stark schwankenden Gewinnen, die in schlechten Geschäftsjahren mit kleinen Gewinnen die Mitgliedskriterien nicht mehr erfüllen würden, da sie dann die verbleibenden Überschüsse betriebsbedingt anderweitig verwenden müssen. Zum anderen ist gerade in Zeiten geringer Unternehmensgewinne in einer ganzen Volkswirtschaft der Bedarf an Unterstützung für den Kunstbetrieb besonders groß. Also wäre aus gesellschaftlichem Blickwinkel ein zu Gewinnen antizyklisches Förderverhalten sinnvoll. (132) Es käme auch betriebswirtschaftlichen Überlegungen entgegen, denn gerade in Konjunkturabschwüngen ist eine intensive Unternehmenskommunikation mit den Kunden notwendig. (133) Für den Kulturbetrieb wären kontinuierliche Förderungsbeiträge erwünscht, die eine wirtschaftliche Planungssicherheit der Kulturszene gewährleisten würden.
Die Ausrichtung der Klubbeiträge an den Vorsteuergewinnen der Mitgliedsunternehmen ist außerdem deswegen nachteilig, weil die Klubstatute sich steuerrechtlich am Sponsoring orientieren. (134) Gleichzeitig wird aber commercial sponsorship als gesellschaftliche Förderungsmaßnahme abgelehnt, und die Bible of Corporate Responsibility erweckt deshalb beim Leser hinsichtlich betrieblichen Kulturengagements den Anschein einer Dokumentation mäzenatischen Handelns. Eine solche Begriffsvermengung von Sponsoring und Mäzenatentum kann bei kritischen gesellschaftlichen Gruppen Mißfallen hervorrufen, eine gutgemeinte Förderabsicht diskreditieren und damit scheitern lassen.
Besonders hervorzuheben ist die Gefahr, daß eine Unternehmensmitgliedschaft ausschließlich auf Betreiben des Unternehmensleiters angestrebt wird, damit dieser persönlich Angehöriger eines erlaucht-philanthropischen Kreises wird. Dafür spricht, daß "the annual meeting, attended by those companies' chairmen or chief executives, represents the only formal activity of the club." (135) Hintergrund eines solchen Verhaltens ist die Tatsache, daß sich in der Gesellschaft Prominenz immer von Prominenz ableitet. Dabei spielt es keine Rolle mehr, welche gesellschaftspolitischen Auffassungen der Autor oder der Unternehmer vertritt. "Wer zur Prominenz gehört, vor dem fallen alle Schranken. Keinem Prominenten werden Verbindungen zu anderen Prominenten aus irgend einem anderen Lager zum Vorwurf gemacht. Im Gegenteil: man spricht dann von den nötigen Kontakten der Spitzen der Wirtschaft mit denen der Literatur." (136) Wird das tatsächliche Motiv des Strebens nach öffentlicher Anerkennung aufgedeckt, schadet dies der Glaubwürdigkeit gesellschaftsorientierten betrieblichen Kulturengagements, wie Günter Ogger formuliert: "Genauso wie die absolutistischen Herrscher ihre Untertanen für ihre Liebhabereien bezahlen ließen, so bitten heute die angestellten Mäzene der Großunternehmen ihre Aktionäre und Gesellschafter zur Kasse, um sich im Glanze ... internationaler Kulturträger zu sonnen." (137) Eine solche Behauptung wiegt besonders schwer, wenn bedacht wird, daß über ein Drittel der britischen Großunternehmen diesem Zusammenschluß angehören. Natürlich mögen Kontakte im Klub von verantwortlichen Betriebsleitern untereinander ökonomisch und auch für den Literaturbetrieb sinnvoll sein. Beispielsweise können strategische Allianzen durch Gespräche gegründet und anschließend umgesetzt werden. Doch ist dafür die Schaffung des Rahmens eines The Per Cent Club überflüssig.
Als Fazit ist festzuhalten, daß der The Per Cent Club in seiner bisher unverbindlichen Form zwar das Gespräch über Kulturengagement durch Unternehmen ankurbelt, eine Sensibilisierung der Unternehmensleitungen bewirkt. Eine gesellschaftlich wirklich glaubwürdige Position würde aber erst durch die Festschreibung einer objektiv nachvollziehbaren Mitgliedersatzung erreicht werden. Diese sollte betriebswirtschaftlichen Kriterien genügen und sich gleichzeitig am langfristigen Gemeinwohl orientieren.
Die ABSA wurde 1976 wie der The Per Cent Club von einer Gruppe englischer Geschäftsleute als ein unabhängiges nationales Forum von Kunstförderern gegründet. (138) Grundlagen waren vorhandenes betriebliches Kunstengagement sowie "that which ABSA set out to encourage was sponsorship under the strict definition of 'a commercial agreement of mutual benefit'." (139) Die Initiative versteht sich als "a membership association which looks after the interest of business sponsors in such areas as taxation and media credit, while also having charitable objectives of promoting the concept and practice of arts sponsorship." (140) Die ABSA führt also keine eigenen Förderprojekte durch, sondern ist ein Non-Profit Dienstleistungsunternehmen, das seine Mitglieder bei Förderprojekten unterstützt:(141)
- "advise on choosing and assessing a sponsorship programme,
- advise on appropriate arts organisations and sponsorship opportunities,
- research the best way to maximise sponsorship objectives,
- lobby on the companys behalf for improved media credit and tax reform,
- introduce the company to other business supporters of the arts,
- send the company our highly regarded publications,
- invite company representatives as a Patron Member, to our prestigious 'Patron's Forum' lunches, with leading figures from the arts and business worlds,
- invite company representatives to gala evenings, private views, 'behind the scenes' visits, seminars and conferences, the annual ABSA/Arthur Andersen Awards in association with The Times for Business Sponsors of the Arts." (142)
Außerdem vergibt die ABSA für herausragende Förderprojekte alljährlich Awards, wie das Best Corporate Programme, den Best First Time Sponsor, das Best Single Event und so weiter. Daneben animiert die Vereinigung Kaufleute mittels des Programmes Business in the Arts, ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen dem Kunstbetrieb zur Verfügung zu stellen. Über 250 ehrenamtliche Berater stehen so dem Kunstbetrieb bei Bedarf zur Verfügung. (143) Gleichzeitig werden in der Kulturszene tätigen Mitarbeitern betriebswirtschaftliche Kurse angeboten und qualifizierte Praktikantenstellen in Mitgliedsunternehmen vermittelt.(144) Ferner verfügt die ABSA über eine Datenbank, das Register of Sponsorship Opportunities, in das sich Sponsorensuchende kostenlos aufnehmen lassen können. Die Aktivitäten der ABSA werden in einem Annual Report dokumentiert, der gleichzeitig die von den Mitgliedsunternehmen geförderten Projekte im Anhang enthält. (145)
Um der Bedeutung von Kulturengagement einerseits und seiner Komplexität andererseits gerecht zu werden, sieht die ABSA für Kulturengagements die Notwendigkeit von Mindeststandards, die in einem Ehrenkodex Setting Standards for the 1990s niedergelegt wurden. Diese Prinzipien teilen "the sponsorship process into a number of component parts: aims and objectives, negotiation, programming, artistic content, and making the most of the sponsorship. There is also a section on the role of intermediaries such as consultants, brokers and PR agencies." (146)
Über die selbst gestellten Aufgaben hinaus übernahm der ABSA die Verwaltung des von der britischen Regierung ins Leben gerufene Business Sponsorship Incentive Scheme (BSIS). Diese staatliche Initiative hat das Ziel: "to raise the overall level of business sponsorship of the arts in Great Britain". (147) Das soll erreicht werden, indem das Office of Arts and Libraries Unternehmen für deren Förderprojekte Zuschüsse bewilligt. Vier Vorteile im Zusammenhang mit der Zuerkennung einer BSIS-Förderung werden von der Regierung selbst charakterisiert: (148) Indem der finanzielle Zuschuß gezielt für das jeweilige Förderprojekt eingesetzt wird, etwa durch zusätzliche Werbeanzeigen für ein Vorhaben, kommt die Unterstützung dem betreffenden Unternehmen als Förderer, aber auch dem Geförderten zugute. Weiter gibt das Kunstministerium regelmäßig Pressemitteilungen über die betrieblichen Förderprojekte an die Medien heraus. Ferner lädt der Minister for the Arts die für die Förderprojekte Verantwortlichen aus dem Kunstbereich und den Unternehmen zu Empfängen ein. Schließlich wird allen BSIS-geförderten Unternehmen für ihr Engagement eine Ehrenurkunde durch das Kunstministerium verliehen.
Bei der Durchführung des BSIS-Programms ist besonders die fachliche Betreuung durch qualifizierte Mitarbeiter der ABSA hervorzuheben. Diese führen sowohl mit dem Förderer als auch mit dem Geförderten Gespräche, bevor die Bewerbung des fördernden Unternehmens der BSIS-Entscheidungskommission vorgelegt wird. Dadurch sollen Fehlanträge vermieden und förderunerfahrene Unternehmen und Kunstbetriebe zu dauerhaften Engagements motiviert werden. In die gleiche Richtung zielt die Staffelung der staatlichen BSIS - Förderbeträge nach Anzahl der bisher genehmigten Unterstützungen mit sehr hohen Beträgen für Erstförderer. (149)
Die Reglements des Programms sind exakt und für jeden Antragsteller verständlich dargestellt. Andererseits sind die Regeln so offen gehalten, daß eine breite Palette von Kulturformen gefördert werden kann, so alle Arten der Literaturförderung. (150) Die Teilnahme an diesem Programm ermöglicht vor allem mittelständischen Unternehmen als BSIS-Unterstützten eine Verbesserung ihres öffentlichen und innerbetrieblichen Ansehens, während die Kunstinstitutionen in der Vergangenheit errungene BSIS-Förderungen als Qualitätsmerkmal für ihre Arbeit und als wirkungsvolle Fördermöglichkeiten gegenüber engagementbereiten Unternehmen darstellen können. Das Programm ist stärker wirtschafts- als kunstorientiert, denn Steuererleichterungen können die fördernden Unternehmen nur geltend machen, wenn sie öffentlich mit ihrem Engagement werben. (151) Die insgesamt positive Einschätzung des Programms wurde durch eine Umfrage der ABSA unter den durch das BSIS geförderten Unternehmen bestätigt. (152) Für die gute Resonanz sowohl in Betrieben als auch im Kulturbetrieb spricht die starke Inanspruchnahme der Fördermittel.
Kritisch zur ABSA ist anzumerken, daß von der Institution zwar gesellschaftlicher Wandel erkannt und ein Ehrenkodex realisiert, dieser jedoch nur vage formuliert wurde. Betriebliches Kunstengagement rein mäzenatischen Charakters wird durch die Satzung ausgeschlossen. Allerdings sind hierfür bereits die Arts Councils zuständig. (153)
Es läßt sich resümieren, daß die ABSA als eine betriebsübergreifende Initiative von führenden Unternehmenspersönlichkeiten - unterstützt durch Repräsentanten des öffentlichen Lebens - ein national anerkannter, kompetenter Ansprechpartner für alle Fragen des Kunstsponsorings ist und dafür einen bedeutenden Beitrag liefert. Eine vergleichbare Institution wie die ABSA fehlt in Deutschland.
Eben erwähnt wurde der 1946 durch eine Royal Charter gegründete und unabhängig vom Staat verwaltete, aber von ihm finanziell abhängige Arts Council of Great Britain. Die Aufgaben des Arts Council sind vielfältig. Er ist der Hauptkanal für Regierungshilfe bei der Literaturförderung. Ihm fließen die Steuergelder für staatliches Kulturengagement zu, und werden dann durch ein Gremium des Councils, bestehend aus Vertretern der Politik, der Kultur und des öffentlichen Lebens, vergeben. (154) Deshalb ist der Council zuständig für die Zusammenarbeit mit Regierungsstellen, lokalen Behörden und anderen Kulturorganisationen sowie der Öffentlichkeit. Die Gliederung in fünfzehn Regional Arts Councils in England und Wales (155) ermöglicht innerhalb eines Gebietes Kontakte zwischen örtlichen Künstlern und Unternehmern, die das regionale künstlerische Leben fördern wollen. Diese Verknüpfung wird auf zwei Weisen realisiert, wie das Beispiel der South West Arts in Exeter zeigt: Im Board des Regional Council sind neben Kulturschaffenden aus verschiedenen Kunstbereichen auch fördernde Unternehmen beziehungsweise Unternehmer fest integriert. Darüber hinaus beschäftigt South West Arts einen Business Development Director, dessen ausschließliche Aufgabe die Förderung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kulturszene darstellt. Diese Vermittlungsarbeit umfaßt auch alle Bereiche des Literaturengagements.
Mit der ABSA und den Arts Councils sind - anders als in Deutschland - hinsichtlich des Sponsorings und des Mäzenatentums zwei landesweit von Unternehmen, dem Literaturbetrieb und der breiten Öffentlichkeit anerkannte Ansprechpartner in England vorhanden.
In Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Kulturkreis (156) durch eine Gruppe von Unternehmerpersönlichkeiten gegründet, um Kunst und Künstler in den Wiederaufbau Deutschlands einzubeziehen. Heute hat der Kulturkreis über fünfhundert Mitglieder. Sie setzen sich etwa zur Hälfte aus persönlichen Mitgliedern zusammen, also Persönlichkeiten aus Industrie und Wirtschaft, die sich ideell und materiell für die Kulturkreis-Ziele engagieren, und zur anderen Hälfte aus Verbands- und Firmenmitgliedern. Beide Gruppen sind durch ihre Repräsentanten in den zwei ehrenamtlichen Organen vertreten, dem Vorstand und der Mitgliederversammlung. Hinzu kommt eine hauptamtliche Geschäftsführung. (157) Diese Aufbaustruktur macht deutlich, daß die subjektive, individualethische Haltung, die den Dialog mit dem Künstler und dessen Herausforderungen sucht, den Kulturkreis trägt. Weder das Geld, noch ein schlechtes Gewissen oder die "inzwischen komplexen Nützlichkeitsüberlegungen durch die Unternehmen für die Kunst" (158) sind die Motoren für die Arbeit des Vereins. (159) Auch besteht die besondere Aufgabe des eingetragenen Vereins keineswegs darin, "ein eigenes kulturpolitisches Programm zu verfolgen, sondern - fast im Gegenteil dazu - die wesentlichen Züge privaten Mäzenatentums: Aufgeschlossenheit, Großzügigkeit, Beweglichkeit, persönliche Verantwortungsbereitschaft und Entscheidungsfreudigkeit auf die Verhältnisse zu übertragen, in denen heute eine Gemeinschaft die Aufgabe übernehmen muß, die über die Kraft des einzelnen hinausgeht." (160) Der Dialog zwischen Kunst und Wirtschaft beruht folglich auf den gemeinsamen Prinzipien der Freiheit, der Leistung, des Wettbewerbs, der Elitebildung und der sozialen Verantwortung. Ein Forum für Unternehmer und Künstler, deren Selbstverständnis auf ähnlichen Grundwerten beruht und die das Risiko der Auseinandersetzung und das Bemühen um gegenseitiges Verständnis eingehen, gibt es in dieser Form in England nicht. (161)
Für allgemeine Hilfestellungen bei der Kulturförderung erweist sich der Kulturkreis jedoch nur bedingt als Plattform: Die Engagements sind bewußt nicht auf Unternehmen, sondern auf einen kleinen Kreis von Unternehmerpersönlichkeiten fokussiert. Von ihnen geht, wie in früheren Hauptkapiteln festgestellt, häufig die Initiative zum Kunstengagement aus. Somit trägt der Kulturkreis in einer positiven, indirekten Weise zum Literaturengagement von Unternehmen bei. (162) Doch unterstützt er auch direkt literarisches Schaffen durch ein von ihm herausgegebenes Jahrbuch mit literarischen Texten. Außerdem werden Förderpreise und Ehrengaben gestiftet, die Autoren bekannt machen beziehungsweise wieder ins Gedächtnis rufen sollen. (163) Eine Parallele zur englischen ABSA ist kaum zu erkennen - und sicherlich durch den Kulturkreis nicht beabsichtigt.
Dagegen besteht eine Ähnlichkeit zwischen der ABSA und der Kunststiftung Baden-Württemberg, die 1977 auf Initiative aller Landtagsfraktionen gegründet wurde. (164) Die etwa zweihundert Gesellschafter wählen ein Kuratorium, bestehend aus vierzig ehrenamtlichen Mitgliedern, von denen mindestens zehn Künstler sein sollen. (165) Außer Unternehmen und deren Vertretern steht die Stiftung auch anderen privaten Initiativen als Förderern offen. "Die Kunststiftung finanziert sich grundsätzlich aus privaten Spendenmitteln, sie erhält jedoch vom Staat Zuschüsse in der Höhe des jeweiligen Spendenaufkommens." (166) Unter anderem gewährt die Stiftung jungen Autoren Stipendien und veranstaltet Lesungen.
Die Kunststiftung Baden-Württemberg weist auf einen grundsätzlichen Unterschied des Förderklimas in England und Deutschland hin: Hier ist der Initiator der Förderorganisation der Staat beziehungsweise die Politik. Damit überlassen die deutschen Unternehmen dem Staat auch die Rahmenbedingungen bei der unternehmensübergreifenden Kulturförderung, anders als in England.
Ebenfalls auf staatliche Initiative, nämlich der Europäischen Kommission, die den Anstoß gab, und der europäischen nationalen Sponsoring-Vereinigungen(167), wurde 1990 das CEREC, Comité européen pour le rapprochement de l'économie et de la culture mit Sitz in London ins Leben gerufen. Mitglieder können keine Unternehmen sein, sondern nur deren nationale Vertretungen für Kulturengagement, also "the European non-profit sponsorship associations" (168), in Deutschland der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, in England die Association for Business Sponsorship of the Arts. Die Aufgaben des CEREC bestehen darin, die "message of business support for the arts and culture to the European business community" zu verbreiten. Weiter sollen Informationen zwischen den Unternehmen und dem Kunstbetrieb auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der europäischen Integration ausgetauscht beziehungsweise die Aktivitäten seiner nationalen Mitgliedsverbände koordiniert werden. Hinzu kommt Lobbyarbeit bei europäischen Institutionen. (169) Das CEREC setzt sich weiterhin selbst das Ziel: "We will be looking at the feasibility of a sponsorship database for Europe and will assist business and the arts to develop sponsorship strategies with a European emphasis. It is the intention of the Committee to produce a European sponsorship manual and newsletter to publicise the aims and objectives of the Committee and stimulate interest within the business, the arts and Government." (170)
Der Aufgabenerfüllung dieser Organisation stehen große Probleme entgegen. So verfolgen die einzelnen Mitglieder des CEREC sehr unterschiedliche Interessen, wie die oben diskutierten Ziele des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie und der Association for Business Sponsorship of the Arts zeigen. Eine Weisungsbefugnis des CEREC gegenüber den Mitgliedern fehlt. Hinzu kommen unterschiedliche Rahmenbedingungen innerhalb der zahlreichen europäischen Staaten, die gerade im Kulturbereich auf ihre Eigenstaatlichkeit bedacht sind. Kritisch ist anzumerken, daß das CEREC zwar Kontakt zu 1300 großen Unternehmen hat, die ermuntert werden, europaweite Engagementprogramme aufzulegen. Diesen multinationalen Unternehmen, welche ihre Erfahrungen mit internationalem Kulturengagement einbringen könnten, wird die Mitgliedschaft aber verweigert. (171) Der Nutzen des CEREC ist daher im wesentlichen auf einen Gedankenaustausch der verschiedenen Mitglieder über Kulturengagement und einen daraus resultierenden Lernprozeß begrenzt.