Meinen Dank widme ich
meinen Eltern, die alles dafür einsetzten, daß ich bis zu diesem Tag kommen konnte,
meinen Professoren und Lehrern, die mich eingeladen haben, ihnen auf dem Weg der Weisheit zu folgen,
meinen Förderern und Freunden, die mich tief und vielfältig
unterstützt haben.
Seit langem ist die Beziehung zwischen Ökonomik und Literatur von Unsicherheiten, Spannungen und sogar von Ängsten gekennzeichnet. Literatur, vielfach verstanden als das Reich der Freiheit, scheint zur Wirtschaft als dem Reich der Notwendigkeit im Gegensatz zu stehen. Man gewinnt den Eindruck, daß zwischen den beiden auf Dauer Sprachlosigkeit herrschen wird, denn in Deutschland, das als Land der Dichter und Denker bezeichnet wird und das gleichzeitig eine der größten Wirtschaftsnationen der Welt ist, sind Überlegungen bezüglich einer gegenseitigen Befruchtung von Literatur und Wirtschaft bisher nur in Ansätzen angestellt worden. Dies gilt ebenso für England.
Gleichzeitig werden die Unternehmen seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit aufgefordert, sich für Literatur zu engagieren. Anlaß sind sehr unterschiedliche, aber zumeist gefühlsbetonte Anschuldigungen, etwa dergestalt, daß Unternehmen (1) und ihre Vertreter nur profitorientiert handelten und demzufolge über das öffentliche Wohl hinwegsähen. Gleichzeitig betonen die Gebietskörperschaften ihre Geldknappheit, die eine verstärkte Unterstützung neuer Kulturvorhaben nur noch über eine Umverteilung der begrenzten Mittel zu Lasten der bisher geförderten Kulturaktivitäten möglich erscheinen läßt. Deshalb tönt auch von manchen Vertretern des Staates der Ruf nach unternehmerischem Literaturengagement.
Doch wenn der Dialog von Dauer sein soll, muß er von den Beteiligten selbst, den Vertretern der Unternehmen und der Literatur, geführt werden. (2) Dabei ist die Sprachlosigkeit zwischen Wirtschaft und Literatur zum Teil selbstverschuldet, zumal beide Bereiche Eigenschaften wie Kreativität, Redegewandtheit, Einfühlungsvermögen, Mut und Askese verlangen. Tatsächlich engagieren sich bereits seit langem Unternehmen in Deutschland und England für Literatur, und Autoren arbeiten mit Betrieben zusammen. Voraussetzung für einen Dialog zwischen Betrieben und Schriftstellern aber ist, daß beide Seiten einander ernst nehmen. Dafür genügt es keinesfalls, die erstbeste Möglichkeit einer Zusammenarbeit unreflektiert umzusetzen. Notwendig ist vielmehr zunächst ein Kennenlernen der Umfelder, Probleme und Möglichkeiten. Dabei gilt es immer zu bedenken, daß jedes mögliche Literaturengagement stets Menschen und ihre ästhetischen Vorstellungen und Bedürfnisse betrifft. Erst nach einem gründlichen Kennenlernen sollte an die betriebswirtschaftliche Umsetzung von Fördervorhaben gedacht werden.
Diese Überlegungen führen auf das Ziel der vorliegenden Arbeit hin. In ihr wird vorgeschlagen, eine fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen Literaturbereich und Ökonomik aus der Sicht der Unternehmen herzustellen. Darüber hinaus werden Probleme und Chancen für die Betriebe als Folge möglicher Literaturengagements herausgearbeitet. Untersuchungsobjekte sind die privaten Unternehmen in Deutschland und England.
Nur am Rande sind unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung von Vorschlägen für betriebliche Literaturengagements auch Schottland und Wales erwähnt, die zwar wie England zu Großbritannien gehören, in denen aber andere Rahmenbedingungen und Förderverhaltensweisen der Unternehmen vorherrschen. Auf die Verbindung von Literaturengagement zur Kulturförderung in anderen Bereichen wie Sport, Malerei oder Theater wird gleichfalls nur in Ausnahmen hingewiesen. Es ist umgekehrt jedoch möglich, ja wahrscheinlich, daß einige Überlegungen und Schlußfolgerungen der Untersuchung auch für diese Kulturbereiche zutreffen und darum ganz allgemein zu einem besseren Verständnis zwischen Unternehmen und dem geförderten Kulturschaffenden beitragen können. Auf einige weitere erforderliche Abgrenzungen des Untersuchungsbereiches wird im jeweiligen Textteil hingewiesen.
Die Arbeit ist in zwei Abschnitte gegliedert. Die ersten drei Hauptkapitel schärfen das Verständnis für Literaturförderung in ihrem gesellschaftlichen und ökonomischen Umfeld unter besonderer Berücksichtigung von betrieblichem Literaturengagement. In den folgenden vier Hauptkapiteln wird die Umsetzung des Literaturengagements im Betrieb untersucht.
Das Hauptkapitel 1 ist zunächst einleitenden Gedanken gewidmet. Nachfolgend werden wichtige Begriffe dieser interdisziplinären Untersuchung erklärt und das Thema in den historischen Kontext gestellt.
In Hauptkapitel 2 geht es um die Rahmenbedingungen für Literaturengagement in Deutschland und England und um deren Zusammenhang mit unternehmerischen Zielsystemen. Ferner wird, beruhend auf der Erarbeitung möglicher Fördermotive,
eine Begriffseingrenzung für Literaturmäzenatentum und Literatursponsoring entwickelt.
Daran schließt sich im Hauptkapitel 3 eine Eingrenzung wesentlicher Gestaltungsformen für betriebliches Literaturengagement an. Ziele der Unterstützung von Wortkunst können sein die Förderung der Autoren, der Literaturproduzenten, sowie die Förderung des Literaturmarktes, der Literaturproduktion.
Vorhaben, die Betriebsangehörigen und deren Umfeld zugute kommen, werden im Hauptkapitel 4 erörtert. Literatur kann insbesondere die Persönlichkeit der Mitarbeiter stärken sowie zur sozialen Harmonisierung innerhalb und außerhalb der Unternehmen beitragen.
Das Hauptkapitel 5 hat zum Ziel, unternehmerisches Literaturengagement im Bezugsrahmen des absatzwirtschaftlichen Leistungsprogrammes von Betrieben zu erörtern. In einem sich verändernden gesellschaftlichen Umfeld können die Unternehmen Literaturengagement für ihre Bekanntheitsgrad- und Imagepolitik einsetzen. Darüber hinaus ist die Einbettung eines Engagements in die Kommunikationstechniken eines Marketings wie etwa Werbung und Öffentlichkeitsarbeit möglich.
Formen von Literaturengagement, für das Betriebe gesellschaftspolitische Gründe anführen, werden im Hauptkapitel 6 untersucht. Die Überlegungen konzentrieren sich zunächst auf politisch-ökonomische Voraussetzungen und ethische Aspekte. Danach werden für solche Literaturvorhaben die betriebswirtschaftliche Berechtigung nachgewiesen und rechtliche Gestaltungsformen dargestellt.
Das Hauptkapitel 7 ist der Diskussion von Aspekten der Planung und Kontrolle eines betrieblichen Literaturengagements gewidmet. Das Schlußkapitel 8 rundet die Überlegungen durch eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ab, an die sich Gestaltungsvorschläge für betriebswirtschaftliches Literaturengagement anschließen.
Diese Untersuchung über Literaturengagement durch Unternehmen hat fachübergreifenden Charakter. Um den Vertretern der beiden wichtigsten Teilgebiete, der Wirtschaft und der Literatur, ein möglichst weitgehendes gegenseitiges Verständnis zu
ermöglichen, bedarf es der Erklärung beziehungsweise Eingrenzung einiger für die weiteren Überlegungen wichtiger Grundbegriffe.
In Deutschland wird Literaturförderung in der Umgangssprache der Kulturförderung zugeordnet. In England hingegen spricht man von Literaturförderung im Zusammenhang mit Support of the Arts. (3)
Eine Erklärung von Kultur ist unmittelbar mit ihrer Funktion verknüpft. (4) Entsprechend zahlreich und heterogen sind die Versuche, das Phänomen Kultur zu erfassen, zunächst nur begrifflich, und erst recht, was seine Wirkungen anbelangt. (5) Deshalb wird in dieser Untersuchung der Begriffsinhalt von Kultur aus verschiedenen, den interdisziplinären Charakter dieser Arbeit berücksichtigenden Blickwinkeln beleuchtet und dadurch eingegrenzt beziehungsweise gegenüber dem Begriffsinhalt von Kunst abgegrenzt.
In kulturwissenschaftlicher Deutung wird Kultur als Oberbegriff aller Tätigkeiten verstanden, die der Gestaltung menschlichen Lebens zuzuordnen sind: "Kultur bezeichnet die Handlungsbereiche, in denen der Mensch auf Dauer angelegte und den kollektiven Sinnzusammenhang gestaltende Produkte, Produktionsformen, Lebensstile, Verhaltensweisen und Leitvorstellungen hervorzubringen vermag." Über das jeweils Hergestellte und Künstliche hinaus wird dabei auch der moralische Wert von Kultur hervorgehoben. (6) Etwas eingeschränkter bedeutet Kultur die freie Entfaltung des menschlichen Geistes, ohne daß dieser unmittelbar auf materiellen Nutzen ausgerichtet ist. Sie findet ihren sachlichen Gehalt in der Gesamtheit aller Kulturgebiete, besonders im Bereich der Schönen Künste, die von Bildung und Wissenschaft abgegrenzt gesehen werden.
Nach dem politischen Verständnis des Europarats ist Kultur "alles, was dem Individuum erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft und auch dem heimatlichen Erbgut zurechtzufinden, alles, was dazu führt, daß der Mensch seine Lage besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu können." (7) Die Funktion von Kultur besteht nach dieser Erklärung darin, dem Einzelmenschen zur Daseinsgestaltung und Daseinsinterpretation, zur Bewältigung seiner Existenzfragen zu dienen. Sie ermöglicht dadurch und darüber hinaus Gesellschaften Fortbestand und Fortentwicklung. (8)
Die Soziologie verbindet Kultur mit der Vorstellung einer gesellschaftlichen Prägung des einzelnen: Kultur umfaßt sowohl die Produkte menschlichen Schaffens als auch die Bezüge, in die der einzelne hineingeboren wird, zudem die Verhaltensorientierungen, die ihm übermittelt werden. Diese Kulturinhalte sind Ergebnisse menschlichen Handelns. Sie wirken als Vorgaben auf Personen und Gruppen. Daraus folgt, daß es jeweils mehrere Kulturen gibt, die miteinander in Spannung stehen. Sie unterscheiden sich durch Art und Gewicht der daran beteiligten kulturellen Bereiche. Sozialer Wandel erklärt sich aus deren Konfrontation. (9)
Diese für den Kulturforscher, den Politikwissenschaftler oder den Soziologen selbstverständlichen Gedankengänge der genannten Art im Zusammenhang mit dem Begriff der Kultur sind vordergründig für den Ökonomen irrelevant. Deshalb ist die Frage zu erheben: Gibt es Gründe für das berufliche Interesse von Kaufleuten an Kultur? Aus der Sicht von Nichtökonomen scheinen für Betriebswirte Kultur, Kunst und Literatur auf der einen sowie Ökonomik (10) auf der anderen Seite verschiedenen geistigen und praktischen Welten anzugehören, die zu erfassen und zu durchdringen für Kaufleute eine fachfremde und darum sinnleere Aufgabe wäre. Sind sie doch für Außenstehende einem Denken und Handeln verpflichtet, das vor allem darauf abzielt, die Produktion und den Absatz von Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten, die den wirtschaftlichen Reichtum einer Nation begründen.
Tatsächlich spielt Kultur in ökonomischen Überlegungen eine Rolle, da wirtschaftlich vermarktbare Kulturgüter einer Allokation, einer Verteilung unterworfen sind.(11) Die für betriebliches Literaturengagement wichtigen Bezüge zwischen Kultur und Volkswirtschaftslehre bedürfen einer Erörterung, um den Begriff Kultur ökonomisch einordnen zu können, auch im Hinblick auf eine spätere Begründung von Förderungen.
Ausgangspunkt dafür ist die Annahme, daß diejenige Kultur, welche von ihren Produzenten, etwa Autoren, auf den Markt gebracht und - im Literaturbereich - von Käufern als geschriebenes Wort konsumiert wird, ein marktfähiges Gut ist. Kultur als Produkt unterliegt auf diese Weise den Gesetzen von Angebot und Nachfrage; sie ist ein Individualgut mit oder ohne Konsumausschluß. Mit Individualgütern verbunden, und das spielt eine wichtige Rolle beim Literaturengagement, ist die Ermittlung des Preises der Kulturgüter. Den Marktpreis eines verkäuflichen Literaturwerkes bestimmen in den meisten Fällen keineswegs die Herstellungsaufwendungen. Zwar ist Literatur "das Produkt einer spezialisierten Arbeit, die Frucht eines Individuums: des Autors." (12) Dieser kann aber außer den Aufwendungen für seine eigene Lebenshaltung keine Personalausgaben geltend machen, und seine Materialaufwendungen sind so niedrig, daß sie in seiner Preisstrategie eine marginale Rolle spielen. Unabhängig von diesen Überlegungen ist der Preis, den ein Autor für seine Arbeit erzielt, weitgehend eine Funktion dessen, was der Markt erlaubt; er hängt davon ab, wie hoch die Käufer die Kreation und Fähigkeit des Wortkünstlers einschätzen und somit wie groß die Zahl der möglichen und tatsächlichen Käufer ist. (13) Auf dem Literaturmarkt hängt diese Zahl außer vom Bekanntheitsgrad des Autors auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Das bedeutet, daß Kultur in der Regel als superiores Gut reagiert: Ein Anstieg des Lebensstandards, real oder imaginär, führt zu einer Zunahme in der Nachfrage.
Ferner sind Kulturgüter als rivalisierende Güter zu bezeichnen, wenn sie von Einzelpersonen gekauft und individuell konsumiert werden können, zum Beispiel in Gestalt des Werkes eines Wortproduzenten, das in Buchform vorliegt. Kultur vermag auch die Kennzeichen eines nichtrivalisierenden Gutes aufzuweisen. Der Konsum solcher Güter ist keinesfalls auf eine Person beschränkbar, sondern für eine Gruppe von Menschen bestimmt, wie etwa eine Autorenlesung für ein Publikum. Kultur hat somit eine Doppelnatur: künstlerische Kreativität ist in einem physischen Medium als rivalisierendes Gut eingefangen, etwa einem Buch. Die Kreativitätskomponente erweist sich als nichtrivalisierend: ganz gleich, wie viele Menschen einem Autor bei der Lesung aus seinem Buch zuhören, kein Zuhörer kann die Lesung aufbrauchen.
Wird das rivalisierende Gut als physische Komponente der Kultur außer Betracht gelassen, ist Kultur als öffentliches Gut beziehungsweise Kollektivgut aufzufassen. Das heißt, sie ist für nichtrivalisierenden und kollektiven Konsum vorgesehen. (14) Ein Beispiel dafür ist ein Gedicht, das in einem öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrgäste als Lesestoff ausgehängt wird. Kultur als Kollektivgut läßt sich kaum vermarkten: es ist schwierig, einen Preis festzusetzen und ihn einzufordern. (15)
Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Literaturförderung kann schließlich die Einstufung von Literatur als meritorisches Gut spielen. Solche Güter erachtet eine die Gesellschaft vertretende Verwaltung als so wertvoll, daß sie eine angemessene Versorgung der Gesellschaft damit als notwendig ansieht und kraft ihrer Stellung durchsetzt. (16)
Das Verständnis von Kultur im Hinblick auf Literaturförderung, im Kontext dieser Untersuchung insbesondere aus der Denkhaltung der Volkswirte, zeigt, daß Kultur in ihren vielschichtigen Formen und Bedeutungen einen geistigen und ästhetischen Wert darstellt, welcher das menschliche Zusammenleben aktiviert und befördert, umgekehrt aber auch der Förderung bedarf. Es ist daher festzuhalten, daß Kulturförderung als Oberbegriff für Literaturförderung geeignet ist. Gleichzeitig erleichtert es dieser Oberbegriff, Beziehungen zwischen den gleichwertigen Unterbegriffen Literatur-, Sport-, Musik- oder Malereiförderung zu knüpfen. (17) Das kann sowohl mittelbar durch Veranstaltungen, bei denen mehrere Kulturgebiete vertreten sind, als auch unmittelbar erfolgen: "Literature has an obvious kinship with the other arts. Presented, a play is a drama; read, a play is literature. Most important films have been based upon written literature. ... Literature provides the libretto for operas and the theme for tone poems. ... Many ballets and modern dances are based on stories or poems." (18) Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen Kultur, Kunst und Literatur sowie ihre Verbindungen vielfältig - auch im Hinblick auf ihre Ausgestaltung durch unternehmerische Förderaktivitäten. (19)
Neben dem Begriff Kultur bedarf derjenige der Kunst einer Erörterung, insbesondere im Hinblick auf dessen eingangs erwähnte Verwendung als Oberbegriff für Literaturförderung in England. Kunst schließt im Deutschen eine Vielzahl von Sachbereichen ein: die Bildende Kunst mit den Teilgebieten Architektur, Grafik, Malerei und Plastik, die Darstellende Kunst, das Theater und den Tanz, die Dichtkunst, die Tonkunst und im weiteren Sinne die audiovisuellen Medien. (20) Support of the arts meint alles, was, weit gefaßt, in der Umgangssprache mit der Bezeichnung Kunst beschrieben wird. (21)
Für den Terminus Kunstförderung als Oberbegriff für Literaturengagement spricht dessen breiterer inhaltlicher Gültigkeitsbereich. (22) Unabhängig vom Sprachgebrauch ist jedoch der Terminus Kunst hinsichtlich einer theoretischen Festlegung seiner inhaltlichen Bedeutung noch weniger eingrenzbar als der übergreifende Begriff Kultur. (23) Eine mögliche Eingrenzung kann aus juristischer Perspektive versucht werden. Aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist ein Definitionsgebot für Kunst ableitbar. (24) Danach "ist eine künstlerische Tätigkeit eine geistige, empfangsorientierte, sinngebende und höchstpersönliche Tätigkeit, die durch eigenwertiges und selbständiges Gestalten ernsthaft ein fertiges Werk anstrebt, das als Sinnerwartungsträger beim Empfänger subjektiv-originäres Erleben auslösen will."(25) Da aber jede Kunsttheorie wegen der Prämissen für die Entstehung von Kunst für ihre Definition keinerlei Hilfestellung leisten darf, was noch begründet wird, ist im Laufe der Jahre eine an Gerichtsurteilen sich orientierende Ästhetik entwickelt worden. Diese hat aber keineswegs die Funktion, Zugänge zu einer kritischen Kunstdiskussion zu eröffnen oder Abgrenzungen zu anderen Disziplinen zu diskutieren, etwa zur Philosophie oder zur Betriebswirtschaftslehre. Es geht ihr vielmehr darum, um das zu schützende Rechtsgut Kunst einen großen Kreis zu ziehen, der um so offener und größer ausfallen wird, je offener und selbstbewußter die demokratische Gesellschaft geworden ist. (26)
Sicher ist, daß Kunst keinesfalls auf einer Theorie als solcher gründet. Vielmehr setzt das Entstehen einer Kunsttheorie und ihrer Wertmaßstäbe das Vorhandensein von Kunstwerken voraus. (27) Nicht die Kunsttheorie hat die Kunst zu korrigieren. Vielmehr muß sich die Kunsttheorie ständig von der Kunst korrigieren lassen. Daraus folgt, daß der Kunsttheorie alle Definitionsversuche von Kunst strikt untersagt sind, denn eine solche Theorie müßte sich an vorhandenen und von ihr anerkannten Kunstwerken orientieren. Würden die daraus erwachsenen Maßstäbe als allgemein gültig angesehen, wären Novationen in der Kunst unmöglich. Es ist festzuhalten: "Kunsttheorie erschöpft sich in der Verteidigung von Kunst. Sie eröffnet neue gedankliche Zugänge zur Welt der Kunst durch die Methode der Ausschließung und durch die Bekämpfung der falschen Erklärungen, welche die ganze Existenz des Werkes im Grunde ruinieren." (28)
Im folgenden werden die beiden Begriffe Kulturförderung und Kunstförderung zur Einbettung des Begriffes Literaturförderung verwendet, ohne damit eine Gleichsetzung der beiden Termini zu verbinden, deren Unterschiede vielmehr stets mitzureflektieren sind.
Literatur, vom Wortsinn abgeleitet, umfaßt den gesamten Bestand an Schriftwerken jeder Art, einschließlich wissenschaftlicher Arbeiten über alle Gebiete, vom Brief bis zum Wörterbuch, von der juristischen, philosophischen, geschichtlichen oder religiösen Abhandlung bis zur politischen Zeitungsnotiz. (29) Diese Vielfalt ist gliederbar, wird Schrifttum nach seinem Gebrauchswert geordnet. Auf einem Grundniveau ist jedes gedruckte Wort Literatur. In einer übergeordneten Ebene wird unter ihr jeder zusammenhängende Text verstanden, der seiner Natur und Intention nach öffentlich ist. Auf einem dritten Niveau wird als Literatur jeder zusammenhängende Text angesehen, der seiner Natur und Intention nach öffentlich und nicht unmittelbaren Gebrauchszwecken zubestimmt ist. (30) Doch ein solcher von äußeren Anlässen und Gegenständen ausgehender extensiver Literaturbegriff ist für diese Arbeit ungeeignet, weil jeder Werbeprospekt oder bereits eine Quittung Literatur wäre. Notwendig ist vielmehr ein intensiver Begriff, der im Zeitrahmen die der literarischen Kunst zugehörige literarische Produktion übergreift: (31) "Die drei Großgattungen Lyrik, Epik und Drama gliedern die Literatur, welche die ältere Literaturgeschichtsschreibung noch um den Bereich der Sach-Literatur erweiterte; dies wird noch aus der Berücksichtigung von historischen, politischen, naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Texten in den großen Literaturgeschichten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts deutlich." (32) Wie schwierig Literatur trotz des intensiven Begriffes abgrenzbar ist, zeigt sich an den literarischen Gebrauchsformen, bei denen sich literarisch-ästhetische und praktische Funktionen vermischen. Es ist jeweils einzeln zu entscheiden, ob die literarische Funktion überwiegt und wie sie zu bestimmen ist. Bei Texten mit informierender Funktion steht das literarische Element zur Debatte, die Literarität. (33) Um das Besondere an einem literarischen Text herauszufiltern, muß man das ästhetische Moment dieses Textes analysieren. Während zum Beispiel Gesetzestexte oder wissenschaftliche Abhandlungen Eindeutigkeit anstreben und fehlende Genauigkeit eine Wertminderung darstellt, ist Vieldeutigkeit bei Kunstwerken erwünscht und ihr Markenzeichen. (34)
Aus diesen Ansätzen zur Definition von Literaturbegriffen kristallisiert sich für die vorliegende Untersuchung als zusammenfassender Begriffsinhalt heraus, daß Literatur eine eigene Gegenständlichkeit durch künstlerische Gestaltung des Rohstoffs Sprache hervorruft. Aus ihr wird das Sprachkunstwerk geformt. (35) Das Prüfkriterium für Literatur besteht folglich darin, daß als Literatur Sprachkunstwerke mit eigener Gegenständlichkeit aufgefaßt werden.
Das Ringen um eine Definition des Begriffes Autor ist so alt wie das Schreiben selbst. Eine Retroperspektive bietet keinen Lösungsansatz, da die Rahmenbedingungen für literarische Produktion sich immer wieder geändert haben.(36) Auch in unserer Epoche ist eine Charakterisierung schwierig und der Willkür ausgesetzt: "Wer will, kann unter einem Schriftsteller nur den bücherschreibenden Belletristen verstehen, alle übrigen Autoren zu dem Gelichter diverser Worturheber rechnen und alle Aktivitäten, die von einer weniger engen Definition ausgehen, ... für irrelevant halten." (37) Tatsächlich ist das Spektrum der Autoren-Leistungen sehr breit, es reicht von Feuilletonbeiträgen bis hin zu wissenschaftlichen Übersetzungen. Damit stellt sich ein Abgrenzungsproblem für diese Untersuchung. Wird der obige Begriff der Literatur zugrunde gelegt, (38) könnte ein Worturheber, der Nichtliteratur produziert, als förderungsunwürdig eingestuft werden. In der Praxis ist aber eine Trennung schon deshalb schwer, weil Worturheber meist an verschiedenen Projekten arbeiten, von denen man eines fast immer als Literatur im Sinne dieser Untersuchung ansehen kann. Sie müssen dann als Autoren bezeichnet werden. Erschwert wird das Problem dadurch, daß die Soziologie die Tätigkeit der Autoren nicht zu den professionalisierten Berufen zählt. (39) Es gibt auch keine gesetzliche Regelung. (40) Selbst Forderungen nach gesellschaftlichen oder berufsständischen Qualifikationsinstrumenten stehen gegenwärtig außer Debatte. (41)
Praktikabel hingegen ist eine Differenzierung in verschiedene Autorengruppen, wofür sich als soziologische Kategorie die wirtschaftliche Lage von Autoren anbietet. Danach ist eine Gliederung in drei Gruppen möglich: (42) Freie Autoren sind lohn- und gehaltsunabhängig und üben keine andere berufliche Tätigkeit aus. Nebenberufliche Autoren üben neben ihrer Arbeit als Autoren einen anderen Beruf voll aus. Teilberufliche Autoren sind neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit partiell berufstätig, etwa als Halbtagsbeschäftigte. Diese verschiedenen wirtschaftlichen Abhängigkeitsgrade von ihren Arbeitgebern suggerieren für die Autoren unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten: Die Bezeichnung freier Autor scheint sehr ehrenvoll zu sein. Ist sie aber nicht ein Euphemismus? Freiheit bedarf in diesem Zusammenhang der Interpretation: "If human action is free and creative, this quality cannot consist in its somehow escaping from social (and other) determinants, for these apply universally. ... We act under the idea of freedom, and the universality of determinism has no bearing on this existential reality. It could then be objected that freedom is posed as a myth - a kind of false consciousness on the part of actors." (43) Auch der Autor Peter Härtling beschäftigt sich mit der Problematik des Begriffes freier Autor. Indem er die negativen Seiten des Autorenberufs aufzählt, zeigt er,
wodurch die Freiheit des Autors eingeschränkt wird. Er begreift den Schriftsteller als gebunden und in gewissem Sinn unfrei:
- "durch den Beruf,
- durch seinen Stand, durch seine Herkunft, durch sein Milieu, durch seine Bindungen,
- durch die Ökonomie, seine Angewiesenheit auf Verlage, auf Zeitschriften, Zeitungen und die elektronischen Medien,
- durch Moden, es sei denn, er ist so frei, sich gegen die Moden seiner Zeit zu wenden - in diesem Falle könnte frei aber auch erfolglos heißen,
- durch die Politik, durch sein natürliches Gegenüber, die Mächtigen, seien sie nun Demokraten oder Diktatoren." (44)
Mit Blick auf diese freien Autoren schätzt Karla Fohrbeck, daß die literarischen Werke "nur zu etwa 5 - 10 Prozent von hauptberuflichen, das heißt freischaffenden Autoren erschrieben werden." (45) Sollen nun ausschließlich diese Schreibenden durch Unternehmen gefördert werden? Oder gilt die umgekehrte Frage: ist es überhaupt notwendig oder gar sinnvoll, den 90 - 95 Prozent in irgend einer Form abhängigen Autoren zu helfen? Beide Fragen führen ins Leere. Da eine eindeutige Abgrenzung von Worturhebergruppen unmöglich ist, wie die voranstehenden Überlegungen zeigen, werden deren Berufsbezeichnungen in dieser Arbeit als gleichwertig betrachtet, beispielsweise die des Autors und die des Schriftstellers. (46) Prüfkriterium für eine Förderung von Wortkünstlern durch Wirtschaftsunternehmen ist folglich ausschließlich das Entstehen von literarischen Kunstwerken im Sinne dieser Arbeit.(47)
Ein Unternehmen wird in der Ökonomik ganz allgemein als betriebswirtschaftliches, wirtschaftlich-rechtlich organisiertes Sozialgebilde bezeichnet. (48) Es weist vor allem zwei Charakteristika auf: Objektiv ist ein Unternehmen ein vielschichtiges, hierarchisch gegliedertes soziales System. Es dient der Erstellung von Gütern beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen. Subjektives Kennzeichen ist, daß als Triebfeder privater Unternehmen Individuen wirken, welche mit ihrer Unternehmertätigkeit ihren Lebensunterhalt erwerben oder eine nicht-materielle Befriedigung erreichen wollen; letztere ist aber nur bei positivem Erfolg(49) zu erzielen. (50)
In Deutschland wird die Gegenüberstellung der Begriffe Unternehmen und Betrieb kontrovers erörtert. (51) In dieser Untersuchung über Literaturförderung werden mangels einer herrschenden Meinung die Begriffe Unternehmen, Unternehmung und Betrieb bedeutungsgleich verwendet. Kategorisierbar sind dagegen die fördernden Unternehmen beziehungsweise Betriebe hinsichtlich eines Literaturengagements. Interessant für die weiteren Überlegungen ist eine Aufgliederung nach Wirtschaftszweigen beziehungsweise nach Trägern des Eigentums.
Für eine Unterteilung von Unternehmen nach Wirtschaftszweigen liegt es nahe, als Merkmal für den Grad der Bereitschaft zur Literaturförderung die Affinität des Unternehmens und seiner Produkte zur Literatur zu verwenden. (52) Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß Glaubwürdigkeit und Plausibilität sich um so leichter bei Literaturförderungsprojekten erreichen lassen, in je größerer Nähe diese zu den Unternehmenszwecken stehen.
Demnach sind als Literaturförderer ersten Grades Betriebe einzustufen, die unmittelbar mit dem Verlegen oder dem Vertrieb von Literatur als Unternehmenszweck beschäftigt sind. Solche Unternehmen sind zum Beispiel Verlage, Buchhandlungen sowie Buchklubs. Sie unterliegen bei Förderungsmaßnahmen zwangsläufig einer Besonderheit, denn sie berühren bei jeglicher Art von Literaturförderung die Marktbedingungen ihrer eigenen Branche unmittelbar. Wegen der Schwierigkeit, bei Unternehmen ersten Grades absatzpolitische Maßnahmen von Literaturförderung abzugrenzen, sollen Engagements dann als Förderung angesehen werden, wenn sie eine über das unterstützende Unternehmen hinaus positive Auswirkung auf den Literaturbetrieb (53) insgesamt vermuten lassen. (54)
Zur zweiten Kategorie gehören Unternehmen, die dem Literaturbetrieb selbst nicht zugerechnet werden, mit denen aber Literatur in direkte Verbindung gebracht wird. Dies sind beispielsweise Zeitungsverlage sowie Fernseh- und Radioanstalten.
Literaturförderer dritten Grades sind Unternehmen mit einer mittelbaren Beziehung zur Literatur. Sie erbringen Leistungen des sekundären oder tertiären Sektors, auf die der Literaturbetrieb bei seiner Arbeit angewiesen ist. In Frage kommen zum Beispiel eine Luftfahrtgesellschaft, die Autoren befördert, oder ein Computerunternehmen, das Arbeitsgeräte für Autoren herstellt oder vertreibt.
Die weitaus größte Anzahl von Literatur unterstützenden Unternehmen gehören zur vierten Gruppe. Es sind Betriebe, die weder unmittelbar noch mittelbar in einer Beziehung zur Literatur stehen.
Wichtig ist ferner die Gliederung der Unternehmen nach dem jeweiligen Träger des Eigentums: nach privaten oder öffentlichen Unternehmen. (55)
Öffentliche Unternehmen sollen vor allem wirtschaftliche Ziele erreichen, welche in die Politikfelder der sie tragenden Gebietskörperschaften eingebettet sind. Dazu gehören die Sozialpolitik, die Gesellschaftspolitik oder die Verteilungspolitik. (56) Es wäre ein problembeladenes Unterfangen, öffentliche Betriebe in gleicher Weise wie privatwirtschaftliche Literaturförderer in diese Untersuchung einzubeziehen, denn bei öffentlichen Unternehmen ist ein von staatlich-politischer Seite angeregtes Literaturengagement nur im Einzelfall mit einem unternehmerisch motivierten verknüpft. Häufig stellt die Förderungsaktivität eine Mischung beider Motivationen dar, und folglich bleibt deren Trennung voneinander unmöglich. Literaturengagement durch öffentliche Unternehmen wird in dieser Untersuchung daher ausgeklammert. Ihr Gegenstand ist das Literaturengagement durch private Unternehmen beziehungsweise eine Literaturunterstützung, die aufgrund privatwirtschaftlicher Tätigkeit ermöglicht wird. Daß ein privates Literaturengagement keinesfalls isoliert auf die Gegenwart bezogen werden kann, sondern vielmehr einen historischen Hintergrund hat, wird in den folgenden Überlegungen verdeutlicht.
In der Antike läßt sich von der Zeit Alexander des Großen an durch die technische Möglichkeit der Buchproduktion von Literaturförderung im engeren Sinne sprechen.(57) Von reichen Bürgern gestiftete Büchereibauten stellen bis heute ein beredtes Zeugnis früher Literaturunterstützung dar.
Dieser Brauch wurde im Römischen Reich übernommen und zur Blüte gebracht. Deren Glanzzeit ist mit dem Namen eines reichen römischen Ritters mit literarischen Neigungen untrennbar verbunden, der wie kein anderer Mensch bis in unsere Tage Literaturengagement personifiziert: Gaius Cilnius Maecenas.(58) Er unterstützte Horaz, Vergil und Properz (59), drei Dichter seiner Zeit, und ermöglichte so die Entstehung wichtiger Werke der Weltliteratur. (60) Sein Wirken legte den Grundstein zu einem Mythos. (61) Sein Nachruhm beruht auf der Verzahnung von zielgerichtetem Literaturengagement mit seinen gesellschaftlichen Rollen als Staatsmann, als Gönner und als Privatmann. (62)
Als Staatsmann gehörte Maecenas im Zeitalter des Augustus zu den Vertretern einer Generation, für die Einfluß und kultureller Standard untrennbar miteinander verbunden waren. Geistig-künstlerische Kommunikation verstand er als Gelenkstück einer Macht, die er als oberster Polizeichef Roms innehatte und die Aufsicht über die Entwicklung des Schrifttums in gebundener und ungebundener Rede einschloß. So erklärt es sich auch, daß er schon bewährte Dichter heranzog und sie in die Bahn der augusteischen Politik drängte; er versuchte sozusagen eine offizielle Presse zu bilden. Doch gelang ihm das nur in Grenzen: "Die Gedichte der von ihm geförderten Dichter sind voll von ausweichenden und entschuldigenden Absagen. Heldengesänge zu dichten, suchst du mich stets zu bereden, schrieb Properz." (63) Dennoch förderte die durch Maecenas geschaffene literarische Plattform den Zusammenhalt des Reiches auf der moralischen, sozialen und politischen Ebene.
In der Rolle des Gönners schätzte er die Liberalität als eine Tugend, mit der es behutsam umzugehen hieß. Er wußte, daß Generosität nur im Rahmen von Prachtentfaltung zur Geltung kommt. Auf dem Gebiet der Literaturförderung war er Trendsetter und erregte dadurch im öffentlichen Leben Aufmerksamkeit. (64) Diese Konzeption der Verflechtung von privatem und öffentlichem Leben steigerten seinen Einfluß und seine Macht: privates Wohlleben und gesellschaftliche Aufgabe des sozial engagierten Mannes waren unauflösbar miteinander verbunden.
In der Rolle des Privatmannes organisierte Maecenas seine Freizeit vielseitig. Sein Haus diente ihm als kulturelles Foyer: er übte sich in der Schriftstellerei, meisterte die Rhetorik, musizierte, war ein passabler Maler, passionierter Gärtner und Gastronom. (65) Dadurch baute er ein persönliches Verhältnis zu den von ihm Geförderten auf. Properz schreibt, er kenne keinen höheren Ruhm für sich als den: Er war einer der Freunde des Maecenas. In Horaz' Texten finden sich ergreifende Bekenntnisse seiner Verehrung des Maecenas, und dieser bat kurz vor seinem Tod den Kaiser Augustus: Des Horaz nimm dich an, als ob ich es selber wäre. (66)
Durch sein Literaturengagement konnte Maecenas in der Gesellschaft Antagonismen abbauen, welche die Politik, die Kultur und das soziale Leben betrafen. Dieses planmäßige Vorgehen machte Schule im Römischen Reich: auch Justinian, Marc Aurel und Hadrian versammelten Dichter und Gelehrte um sich. Literaturförderung wurde so zu einer von der Person des Maecenas gelösten üblichen Kommunikationstechnik.
An die römische Vergangenheit knüpfte Karl der Große an: er versammelte Schriftgelehrte um sich und rief eine schöngeistige Akademie ins Leben. (67) Damit schuf er in seinem Universalreich die Grundlagen für die kulturelle Entwicklung des Abendlandes. (68)
Besonderes Kennzeichen seiner Zeit war die Auftragsdichtung. Nach festgeschriebenen Formen produzierten Künstler in fast zünftigem Meistertum. (69) Weder der Dichter noch sein Publikum verstanden die Kunstausübung als Inspirationsdichtung.
Zur Zeit der Staufer begannen in Deutschland Poeten und Publikum ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. (70) Die gesellschaftliche Funktion der Dichtung war inzwischen fest verankert. Sie sollte zur vreude höfischer Feste beitragen und durch ein poetisch überhöhtes Bild der eigenen Wirklichkeit der Repräsentation dienen. Reiche Höfe nahmen Dichter eine Zeitlang in ihr Hofgesinde auf, schlugen Stoffe vor, besorgten ihnen die Vorlagen, beschafften das Pergament und ließen Handschriften anfertigen. (71) Getragen wurde die Dichtung von adligen Amateuren sowie von Ministerialen und anderen Abhängigen, die sich nur durch die Qualität ihrer Dichtkunst einen gesellschaftlichen Rang verschaffen konnten. Die Lebensstationen und Arbeitsmöglichkeiten Walthers von der Vogelweide (ca.1160-1223) können als Beispiel für die Art der Literaturförderung in seiner Zeit gelten. Seine erste künstlerische Heimat wurde der wünnecliche hof ze Wiene. Auf einem Kreuzzug starb 1197 Walthers Gönner, Herzog Friedrich IV. von Österreich. Der Nachfolger Leopold V. entzog dem Dichter seine Gunst. Ein dreißigjähriges Wanderleben begann: gast, we dir, we! Aufenthalte bei König Philipp von Schwaben, Kaiser Otto IV., Landgraf Hermann von Thüringen, Markgraf Dietrich von Meißen und Bischof Wolfger von Passau waren wichtige Perioden seiner Dichterkarriere. (72) Walther lebte vom Vortrag seiner Kunst und war stets auf die Launen und milte fürstlicher Förderer angewiesen. (73) Schließlich erkannte Kaiser Friedrich II., daß sein Ruhm durch die publizistische Wirkung des Dichters vergrößert wurde. Dafür übereignete er Walther in der Würzburger Gegend im Jahr 1220 ein Reichsdienstlehen: "Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen". (74)
Der Ministeriale Albrecht von Johansdorf erläuterte das besondere Verhältnis zwischen dem Dienenden und der Minneherrin in der Terminologie des servitium ausdrücklich als sich vür eigen geben. (75) Dieser Dienst wurde in einer allmählichen Entwicklung gereinigt von der materiellen Dienstsphäre, in der es um Leistung und Gegenleistung geht. Mit dem Wandel des Verständnisses für literarische Arbeit als intellektuelle Leistung entstand eine geistig-literarische Elite. Damit verbunden fand ein Strukturwandel innerhalb des Publikums statt: das reiche Stadtbürgertum in den großen reichsunmittelbaren Handelsstädten bildete sich als literarische Öffentlichkeit heraus. (76) Adel, Kirche und Bürgertum konkurrierten um die politische, ökonomische und kulturelle Macht. Durch die Vielfalt der Auftraggeber entstanden Ansätze eines freien Marktes für literarische Dienstleistungen. (77)
Im Spätmittelalter hatten sich die Schreibenden auf die Wünsche, Vorlieben und Eigenheiten der Förderer einzustellen. Vertragsklauseln banden sie an ihre Auftraggeber, denen es um Erfolg und persönliches Ansehen ging. Im Schatten der Förderer genossen die Künstler zwar eine gewisse wirtschaftliche, aber keineswegs künstlerische Freiheit. Schriftsteller im heutigen Sinne gab es nicht. (78) Schreibende waren anderweitig Finanzierte oder Ausgehaltene, die als Nebentätigkeit schrieben und veröffentlichten: Amtsverwalter, Mönche und Universitätslehrer. (79) Geistige Beschäftigung galt als Muße: "Weisheit, feil für Geld! Schändlich! Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst müßt ihr es geben!" (80) Diese Auffassung vertrat Martin Luther aus christlicher Sicht. Literaturproduktion war als opus liberale ohne Marktpreis; es gab dafür nur die immaterielle Ehre, das honorarium. (81)
Wichtig für die weitere Entwicklung und Verbreitung von Literatur und damit Möglichkeiten ihrer Förderung war die Erfindung der Buchdruckerkunst im europäischen Raum durch Johann Gensfleisch zum Gutenberg um 1450. Sie ermöglichte die kostengünstige Herstellung einer nennenswerten Stückzahl einer Schrift. Die Verleger als ein neuer Berufsstand konnten Gewinne aus der Arbeit von Autoren erzielen, was diese nunmehr zu Geldforderungen berechtigte. Die Verleger setzten ihre Bücher über internationale Buchmessen ab. Der weitere Vertrieb der Publikationen wurde durch Straßenmärkte oder von Hausierern übernommen.
Die ökonomischen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen am Ende des Mittelalters führten zu einer ersten Revolution in der Literaturförderung: Das stark angewachsene Bürgertum präsentierte sich neben den fürstlichen Geldgebern als eine breite Gruppe von potentiellen Unterstützern. Der Wandel vom Publikum der Großen zum großen Publikum war eingeleitet. An ihm lag es, ob die geistig-kreativen Schöpfer von Literatur gefördert oder ihrem Schicksal überlassen wurden.
Im Bewußtsein ihrer Rolle stellten eigenständige überkonfessionelle und standesungebundene Sprach- und Literaturgesellschaften eine Verbindung der Schreibenden zur Gesellschaft und zum Leserpublikum her. Ferner gaben sie bei Autoren literarische Werke in Auftrag. (82) Dennoch konnten die meisten Autoren keineswegs als freie Schriftsteller leben. Durch die Unsicherheit ihres Einkommens sahen sie sich gezwungen, einem Broterwerb nachzugehen und das Schreiben auf ihre kärglich bemessene Freizeit zu begrenzen. Manche verdienten ihren Lebensunterhalt als Beamte in fürstlichen oder städtischen Diensten beziehungsweise als Mitarbeiter der Kirche. Andere versuchten, als Herausgeber von Zeitschriften und durch journalistische Arbeiten ihre finanzielle Lage zu verbessern. Es bildete sich ein Mischtypus von Autoren heraus: Er vereinigte in sich die Merkmale des beamteten und ständisch-gelehrten Literaten, des freien Schriftstellers und sogar die des höfischen Poeten.
Die Lösung der finanziellen Probleme der Autoren und somit die Förderung der Literatur sollte nach detaillierten Plänen von Christoph Martin Wieland, Friedrich Gottlieb Klopstock und Johann Gottfried Herder von gemeinnützigen Anstalten übernommen werden, sogenannten Akademien. Sie sollten von Fürsten protegiert und finanziert werden. Diese Pläne blieben aber unrealisiert, weil die Fürsten sich an deutscher Literatur desinteressiert zeigten. Sie begegneten ihr sogar mit Mißtrauen: die Werke der Schriftsteller wurden weitgehend zensiert.
Neben der finanziellen Misere und der Zensur schränkte ein dritter Faktor die Freiheit des Schriftstellers ein: Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bildete sich in Deutschland ein literarischer Markt heraus. Autoren mußten sich seinen Zwängen unterordnen, um erfolgreich zu sein. Für diese Entwicklung waren in erster Linie ein rascher Anstieg der Verlagsproduktion und eine Zunahme der weltlichen Literatur verantwortlich. Weiter zogen die sprunghaft ansteigende Zahl von Schriftstellern sowie ihre Konkurrenz untereinander eine starke Titelvermehrung nach sich. Schließlich führte die steigende Buchnachfrage zu neuen Verdienstmöglichkeiten: Es entstand der Beruf des Buchhändlers. Nun konnten Bücher das ganze Jahr über zu festen Preisen in Buchhandlungen erworben werden. Das Buch wurde eine Ware wie jede andere auch. (83) Unter diesen Voraussetzungen waren selbst zu Lebzeiten bereits hochangesehene hauptberufliche Schriftsteller auf Förderung unterschiedlicher Art angewiesen, wie die Beispiele von William Shakespeare (1564-1616) und Friedrich Schiller (1759-1805) zeigen.
Die Einkünfte Shakespeares sind mit seiner schriftstellerischen Arbeit und dem Theater untrennbar verknüpft. Sechs Theaterunternehmen in London trugen 1587 die Namen adliger Patrone. Königin Elisabeth I. war besonders dem Globe Theatre verbunden. Dort wurden Shakespeares Stücke aufgeführt. König Jakob I. setzte diesen Brauch fort und verlieh am 19. Mai 1603 dem erfolgreichen Theaterdichter eine königliche Konzession, "freely to use and exercise the arte and facultie of playing comedies, tragedies, histories, enterludes, moralls, pastoralles, stage-plaies, and such other like as they have already studied, or hereafter shall use or studie as well for the recreation of our loving subjectes as for our solace and pleasure, when we shall thinke good to see them during our pleasure." (84) Die Künstlergruppe des Globe Theatre durfte auf Gastspielreise gehen. Dann wurde sie als The King's Company angepriesen; seine Mitglieder nannten sich The King's Servants. (85) Im Jahr 1597 setzte sich Shakespeares Einkommen aus drei Teilen zusammen. Als Autor erhielt er etwa 17 Pfund. (86) Als Schauspieler verdiente er über 100 Pfund; für die Lebenshaltungskosten in einer Stadt ein angemessenes Gehalt. Als Aktionär des Globe Theatre bezog er ungefähr weitere 500 Pfund. Über diese Einkünfte hinaus wurde Shakespeare gefördert: Der Earl of Southampton schenkte ihm um die Jahrhundertwende ein Haus, das 1.000 Pfund wert war. (87) Gleichzeitig führte der Graf den Literaten in die kultivierte Gesellschaft ein und ermöglichte ihm seine Beschäftigung mit anderen Kunstgattungen wie der Malerei und der Musik. (88)
Die Autorenlaufbahn von Friedrich Schiller verdeutlicht die Bandbreite möglicher Förderbeziehungen und Förderformen. Anhand seiner Biographie lassen sich sechs Hauptstufen von Engagements unterscheiden: (89)
- Schiller arbeitete zunächst als Regimentsmedikus in Stuttgart mit einem Monatsgehalt von 18 Gulden. Während dieser Zeit mußte er in Ermangelung eines Verlegers sein erstes Werk selbst drucken lassen.
- Er beschloß, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ein halbes Jahr wohnte er bei der Mutter eines Studienfreundes.
- Danach nahm er die Stelle eines Theaterdichters für ein Jahresgehalt von 300 Gulden an. Dafür hatte er drei Bühnenwerke zu schreiben und als Dramaturg zu arbeiten. Nach einem Jahr wurde der Vertrag nicht verlängert.
- Schulden, Krankheit und Elend ließen ihn den letzten rettenden Strohhalm ergreifen, der sich bot: eine Einladung von Dresdner und Leipziger Verehrern. Sie ermöglichten ihm einen fast zweijährigen sorgenfreien Aufenthalt.
- Schließlich nahm er einen Ruf als Geschichtsprofessor nach Jena an. In dieser Zeit betätigte er sich nebenberuflich als Schriftsteller.
- Während einer lebensbedrohlichen Krankheit erhielt er von Verehrern eine jährliche Ehrengabe von 1000 Talern. (90)
Es läßt sich festhalten, daß Literaturengagement als Transmissionsriemen für Literaturproduktion und Literaturkonsum keinesfalls erst in unserer Zeit entstanden und entwickelt worden ist. Vielmehr wird es seit langem betrieben. Als Folge der industriellen Revolution entstanden neue potentielle Förderer: die Wirtschaftsunternehmen. (91) Mit ihrer Entwicklung und der Zunahme ihrer Bedeutung für das Leben der Menschen leiteten sie die zweite Revolution der Literaturförderung ein, deren Auswirkungen, deren Möglichkeiten und Gefahren im folgenden dargestellt werden.