Becmann, Johann Christoph (1641-1717): Historia Orbis Terrarum, Geographica et Civilis : De Variis Negotiis Nostri potiss. & Superioris Seculi, Aliisve rebus selectioribus. - Editio V. correctior. - Francofurti & Lipsiae : Apud Henr. Joh. Meyeri Haered. & Godofr. Zimmermann, 1698. - [12], 775 [recte: 773], [62] S. ; 4° (Pagination springt von 386 auf 389) - Satzspiegel 16,1 x 11,5 cm - Signatur: Sch 046/363
Inhalt
Alphabetisches Register
Einführung:
Becmanns geographisch-historische Länderkunde "Historia Orbis Terrarum" hebt sich von Pierre d’Avitys "Archontologia cosmica" (lateinische Fassung von J. L. Gottfried, 1628) in mancherlei Hinsicht ab. Becmann bietet im ersten Teil (Historia Geographica) eine allgemeine Geographie. Sie handelt in systematischer Reihenfolge von der Atmosphäre und dem Wasser, von Landmassen und Inseln, von Landschaftsräumen bzw. Ländern und der Oberflächengestalt der Erde (Physische Geographie). Die anschließende Humangeographie gliedert sich in Abschnitte über Baudenkmäler (vornehmlich des Altertums) und Städte sowie über die Herkunft, Sprachen, Sitten und Handelsaktivitäten der einzelnen Völker. Die "Archontologia" hingegen verteilt diesen Stoff, soweit sie ihn überhaupt behandelt, auf die Beschreibung der einzelnen Staaten.
Becmanns zweiter Teil (Historia Civilis) kombiniert Staatenkunde und Herrschergeschichte. Hier bleiben Deutschland und die Niederlande ("Germania inferior") ausgeklammert, während sie unter den geographischen Länderkunden des ersten Teils erscheinen. Die gewöhnlich einem einzelnen Staat, ausnahmsweise auch mehreren Staaten gewidmeten Kapitel des zweiten Teils behandeln (etwa in folgender Reihung): Quellenkunde, Herrschaftsgebiete, Herrscher, Machtentwicklung und Kriege, politische Geschichte hauptsächlich des 16. und 17. Jahrhunderts, Verfassung, kirchliche Verhältnisse, diverse politische Themen, einflußreiche Persönlichkeiten. Gegenüber der "Archontologia", die eher erzählt und schildert, pflegt Becmanns "Historia" den wissenschaftlichen Zugriff: Ihre Darstellung wird durch Kommentare, die der Ausbildung des politischen Urteils dienen, ergänzt. In großer Dichte werden Literaturquellen genannt, oft in ihrem Wert eingeschätzt, häufig auch zitiert. Kurze und längere Auszüge aus Zeitdokumenten (Primärquellen) verleihen dem Werk zusätzlichen Wert. Die Systematisierung des Stoffes, die besonders im ersten, geographischen Teil durchschlägt, weist auf Schule und Universität als Adressaten der "Historia" hin. Mit dem Bearbeitungsstand von 1680, der in den späteren Ausgaben nicht mehr aktualisiert wurde, erfaßt Becmann einen großen Teil des 17. Jahrhunderts, den d’Avity und sein Bearbeiter Gottfried noch nicht kannten.
Der akademische Kontext seines Schreibens war Becmann durch Bildungsgang und Laufbahn vorgegeben. Als Sohn eines Superintendenten 1641 in Zerbst (Anhalt) geboren, besuchte er das Gymnasium illustre seiner Heimatstadt, studierte in Frankfurt / Oder, unternahm als Stipendiat seines Landesherrn eine längere Peregrinatio academica, die ihn in die Niederlande und nach England führte, und erhielt 1667, kaum nach Frankfurt / Oder zurückgekehrt, an der Viadrina die Professur für Griechisch. 1670 übernahm er den Lehrstuhl für Geschichte; ab 1687 lehrte er zusätzlich Politik und ab 1690 auch Theologie. Achtmal wurde er zum Rektor seiner Universität gewählt. Schon sehr früh befaßte er sich mit Politik und Staatswirtschaft (siehe seine "Meditationes politicae" von 1672). Sein bedeutendes spätes Werk "Historie des Fürstenthums Anhalt" (1710; mit "Accessiones Historiae Anhaltinae" von 1716) bedeutete dank intensiver Nutzung archivalischer Quellen und einer politischen Analyse des Geschehens "einen erfreulichen Fortschritt in der Entwicklung der Territorialgeschichtsschreibung der Zeit" (Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, S. 730).
Das vorliegende Hand- und Lehrbuch der Geographie und historischen Staatenkunde erlebte von 1673 bis 1707 sieben Ausgaben. Unsere Ausgabe von 1698 ist, wohl im Hinblick auf studentische Käufer, kostensparend auf dünnes Papier gedruckt und nicht sehr sorgfältig gesetzt. Becmann widmet das Werk der politischen Elite des Herzogtums Glogau und der "edlen schlesischen Nation insgesamt", die einen großen Teil seiner Zuhörerschaft in Frankfurt / Oder stellte. Sieht man als Adressaten der "Historia" künftige Landesbeamte an, wird die Akzentuierung der "Staatsklugheit" verständlich. Von Becmanns praktischer Initiative zeugen folgende mit seinem Namen verbundene Daten aus der Frankfurter Universitätsgeschichte: "1673 mit der Eröffnung einer Druckerei Wiederbelebung des hebräischen Buchdrucks in Frankfurt. 1676 Erschließung der Universitätsbibliothek nach dem Beispiel der Bibliothek in Oxford und Herausgabe des ersten gedruckten Universitätskataloges. 1678 Anlage des botanischen Gartens hinter dem Universitätsgebäude. 1697 erscheint in Becmanns Druckerei erstmals in Deutschland der vollständige Druck des babylonischen Talmuds."
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[Praeliminaria]; Historia Geographica, Cap. I. Praecognita; Cap. II. Venti; Cap. III. Hydrographia, Pars I. & II. (= bis S. 43)
Hist. Geogr., Cap. III. Hydrographia, Pars III.-IV. (= S. 43-101)
Hist. Geogr., Cap. IV. Geocosmi Divisio; Cap. V. Historia Insularum (= S. 101-154)
Hist. Geogr., Cap. VI. Historia Partium Continentis, Pars I. De Regionibus Europae (= S. 155-230)
Hist. Geogr., Cap. VI., Pars II. De Regionibus Asiae; Pars III. De Regionibus Africae & Americae (= S. 230-278)
Hist. Geogr., Cap. VII. Historia Naturalium Partium Minorum Continentis; Cap. VIII. De Partibus Orbis Humana Industria Formatis (= S. 279-344)
Hist. Geogr., Cap. IX. De Incolis Orbis (= S. 345-416)
Hist. Geogr., Cap. X. De Commerciis (= S. 417-434)
Historia Civilis, Cap. I. De Regno Hispaniae; Cap. II. Historia Regni Portugalliae (= S. [434bis]-480)
Hist. Civ., Cap. III. De Regno Galliae (= S. 481-552)
Hist. Civ., Cap. IV. De Regno Angliae (= S. 553-605)
Hist. Civ., Cap. V. De Regno Daniae; Cap. VI. De Regno Svediae (= S. 606-660)
Hist. Civ., Cap. VII. Historia Imperii Russici; Cap. VIII. De Regno Poloniae; Cap. IX. De Regno Bohemiae et Hungariae (= S. 661-716)
Hist. Civ., Cap. X. De Imperio Turcico; Cap. XI. De Regibus Asiae & Africae; Cap. XII. De Republica Venetorum (= S. 717-775)
Index (= S. [777-838])
Inhaltsverzeichnis in deutscher Übersetzung):
1. Teil - Geographie:
Kap. I. Geographische Grundlagen: Literaturkunde; die Erde als Kugel.
Kap. II. Luft und Winde.
Kap. III. Hydrographie: Meere; Meerengen; Häfen; Flüsse, Seen und Quellen.
Kap. IV. Gliederung der Erde: Kontinente; Polargegenden.
Kap. V. Inseln.
Kap. VI. Länderkunde: Umfang und regionale Gliederung der Länder Europas (= Sektion I), Asiens (= Sektion II), Afrikas und Amerikas (= Sektion III).
Kap. VII. Die Erdoberfläche: Erhebungen, Senken, Höhlen.
Kap. VIII. Die Erdoberfläche: Altertümer (= Sektion I); Siedlungsgeographie: Residenzen, Städte, Wallfahrtsorte Handelsstädte u.a. (= Sektion II).
Kap. IX. Völkerkunde: Herkunft und Wanderungen der Völker (= Sektion I); Völker von abnormer Körpergestalt (= Sektion II); Sprachen (= Sektion III.); Sitten und Bräuche (= Sektion IV.), mit einem versifizierten Bericht über einen in den Wäldern Litauens unter Bären lebend aufgefundenen Menschen (S. 411-416).
Kap. X. Handel mit Früchten, Rohstoffen, Erzeugnissen des Kunsthandwerks; Münzwesen.
2. Teil - Staat und Geschichte:
Kap. I. Spanien. - Kap. II. Portugal. - Kap. III. Frankreich. - Kap. IV. England. - Kap. V. Dänemark. - Kap. VI. Schweden. - Kap. VII. Rußland. - Kap. VIII. Polen. - Kap. IX. Böhmen und Ungarn. - Kap. X. Osmanisches Reich. - Kap. XI. Könige Asiens und Afrikas. - Kap. XII. Die Republik Venedig.
A B C D E F G H I/J K L M N O P Q R S T V W X Y Z
Maschinenlesbarer Text
Prima pars (praeliminaria; pp. 1-434) Secunda pars (pp. 435-775)
Index Capitum. Index Rerum.
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