Eine Betrachtung des
Flächennutzungswandels muß neben Gewerbe und Wohnen
auch die Landwirtschaft und insbesondere den
Erwerbsgartenbau einbeziehen, die in den oft ländlich
geprägten Vororten der
Kernstadt, aber auch in Erfurt selbst, vor 1989 ein
wichtiges Beschäftigungsangebot stellten. 1988 waren
rund 8.000 Beschäftigte im Gartenbau und den damit
verbundenen Wirtschaftszweigen tätig. Von den
5.506 ha landwirtschaftliche Nutzfläche im Erfurter
Stadtgebiet entfielen 2.874 ha (52,2 %) auf LPG
und GPG, 230 ha auf das "VEG
Saatzucht/Zierpflanzen Erfurt" und lediglich
20 ha auf private Gartenbaubetriebe. Gerade im Raum
Erfurt ist der primäre Sektor nicht zu vernachlässigen,
da die Region auf eine weit zurückreichende Tradition im
Gartenbau blicken kann und hervorragende naturräumliche
Voraussetzungen bietet. |
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Die Entwicklung der Stadt Erfurt zu einem Zentrum des
deutschen Gartenbaus, insbesondere des Gemüse- und
Kräuteranbaus, der Blumen- sowie der Samen- und
Saatzucht beruhte auf den günstigen naturräumlichen
Gegebenheiten im südlichen Thüringer Becken. Zu
erwähnen ist, neben den fruchtbaren Lößböden
(Bodenwertzahlen 70-100) an den Hängen der Fahnerschen
Höhen und des Steigers sowie den guten Lehmböden in der
Geraaue, insbesondere das Klima im Regenschatten von
Thüringer Wald, Eichsfeld und Harz. Der
Regenschatteneffekt wird besonders in den Monaten
September und Oktober spürbar, wodurch sich die
besondere Eignung des Raumes für die Samenzucht und
-vermehrung erklärt. |
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Die Geschichte des Erfurter
Gartenbaus |
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Die Anfänge des Erfurter Gartenbaus gehen zurück
auf mehrere Klöster, die im Hochmittelalter in Erfurt
gegründet wurden. Es waren inbesondere
Benediktinermönche, die agrarische Innovationen aus
Westeuropa mitbrachten und an die heimischen Bauern
weitergaben. Durch Melioration der sumpfigen
Geraniederung konnten die Gartenflächen erweitert
werden. Bis Mitte des 12. Jahrhunderts hatte der Wein-,
Kräuter- und Gemüseanbau bereits eine gewisse Bedeutung
im Wirtschaftsleben der Stadt erlangt, wenngleich der
Anbau von und Handel mit Färberwaid (isatis tinctoria)
insbesondere im Umland dominierte. Während der Weinanbau
an den Hängen des Petersberges, der Cyriaksburg, des
Ringelberges und des Roten Berges bereits im 10.
Jahrhundert einsetzte (Mitte des 19. Jh. endgültig
aufgegeben), wurde mit dem Brunnenkresseanbau erst in der
Mitte des 15. Jahrhunderts begonnen. Der Anbau dieser
vitaminreichen Salatpflanze profitierte von der
gleichbleibenden Wassertemperatur (10-11° C) im
Dreibrunnenfeld am südwestlichen Hang des Steigers. Ende
des 17. Jahrhunderts entstanden hier die ersten Klingen,
künstliche Wassergräben zum planmäßigen Anbau der
Kresse. |
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Die Zahl der registrierten Gärtnereien stieg
innerhalb von 80 Jahren von neun im Jahre 1569 auf 115
(1650). Nach der Überwindung der Folgen des
Dreißigjährigen Krieges nahm der Gartenbau in Erfurt
einen weiteren Aufschwung, wobei der Erwerbscharakter
immer deutlicher hervortrat. Dies lag nicht zuletzt an
der zielstrebigen Förderung durch die kurmainzischen
Statthalter im Rahmen der merkantilistischen
Wirtschaftspolitik. In dieser Zeit entstanden auch einige
der namhaften Erfurter Gartenbaubetriebe (z. B.
Haage), deren Tradition bis heute andauert. Als
eigentlicher Begründer des Erfurter Erwerbsgartenbaus
gilt der Ratsmeister Christian Reichart (1685-1775), der
den Gartenbau auf wissenschaftlicher Grundlage betrieb
und durch zahlreiche Neuentwicklungen und Erfindungen
(u. a. Geräte) vorantrieb. Mit Unterstützung des
Kurfürsten war er am Aufbau eines Botanischen Gartens
der Universität Erfurt beteiligt, der auch nach der
Schließung der Hochschule als Gartenlehranstalt bestand.
Die Gartenstraße im Westen der Stadt erinnert mit ihrem
Namen bis heute an den Standort. Reichart hatte zudem
wesentlichen Anteil an der Gründung der "Erfurter
Blumen-Association", die die Blumen- und
Blumensamenzucht in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts zu einem großen Aufschwung führte. So
umfaßte beispielsweise der erste Samenkatalog (1784) der
Fa. J. Platz 1355 verschiedene Artikel. |
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Der siebenjährige Krieg sowie die napoleonische
Herrschaft fügten dem Erfurter Gartenbau schwere
Rückschläge zu. Erst mit der Bildung des Deutschen
Zollvereins und der Eröffnung der Eisenbahn konnte der
Wiederaufschwung eingeleitet werden. Bedeutende Namen
haben den Erfurter Gartenbau in diesen Jahren geprägt:
Neben den älteren Betrieben der Familien Platz und
Haage, wurden neue Gärtnerein u. a. durch Johann
Christoph Schmidt ("Blumenschmidt") 1823, Ernst
Benary 1843, Franz Carl Heinemann 1848 und Niels Lund
Chrestensen 1867 gegründet. Die Stimmung jener Jahre
dokumentiert auch die Gründung des Erfurter
Gartenbauvereins (1838) und des Gartenbauvereins
"Flora" (1861). Ebenfalls in dieser Zeit wurde
1867 die bis heute erscheinende Fachzeitschrift TASPO
(Thalackers Allgemeine Samen- und Pflanzen-Offerte)
erstmals herausgegeben und das erstes Fleuropgeschäft
Deutschlands in Erfurt eröffnet. Mitte des 19.
Jahrhunderts kam der Samenvertrieb in kleinen
Papiertütchen in Mode, die auch an Klein- und
Freizeitgärtner in aller Welt vertrieben werden konnten.
Die Erfurter Samenzuchtbetriebe stiegen zu bedeutenden
Unternehmen mit saisonal mehr als 1.000 Beschäftigten
auf. Die Samenvermehrung blieb jedoch nicht nur auf
Erfurt und Thüringen beschränkt, vielmehr wurden
Gärtner in ganz Deutschland und auch im Ausland mit dem
Vermehrungsanbau beauftragt und von Erfurt aus
kontrolliert. Um die Jahrhundertwende entstanden auch die
teilweise bis heute erhaltenen repräsentativen
Firmengebäude und Verkaufspavillons in der Innenstadt,
wie das Palmenhaus der Firma Blumenschmidt in der
Schlösserstraße. Aufbauend auf die Bedeutung der
Erfurter Gärtnereien wurden mehrere internationale und
nationale Gartenbauaustellungen organisiert, die den Ruf
Erfurts als Blumenstadt festigten und weithin bekannt
machten. Der auch nach Übersee verschickte Katalog der
Firma Haage & Schmidt listete
beispielsweise um 1900 fast 13.000 Samenarten auf. |
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Der Erste Weltkrieg und die Inflation führten zu
einem erneuten Einbruch des Gartenbaus, da die
internationalen Absatzbeziehungen gekappt wurden. Die
wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten zu
Konzentrationsprozessen unter den Betrieben, so wurden
beispielsweise die Firmen Blumenschmidt und Benary
miteinander verschmolzen. RAABE (1930, Tabellenanhang)
zeigt, daß in Erfurt 1925 2.976 Personen im Gartenbau
und der Landwirtschaft beschäftigt waren. Im Landkreis
waren es zur gleichen Zeit 13.303 Beschäftigte. Nachdem
die Auslandskontakte mühsam wieder aufgebaut worden
waren, führten die Weltwirtschaftsdepression und der
Zweite Weltkrieg erneut zur Krise. Zudem mußten viele
Gartenbauflächen (ebenso wie die städtischen Parks und
Grünflächen) zum Kartoffel- und Getreideanbau genutzt
werden. Die Krise des Erfurter Gartenbaus setzte sich
auch nach 1945 fort. Die Gründung einer Fachschule für
Gartenbau und die Veranstaltung mehrerer
Gartenbauaustellungen darunter die iga (1961)
auf dem Gelände an der Cyriaksburg konnten die
negativen Auswirkungen der Kollektivierung und
Verstaatlichung nicht wettmachen. 1958 ging aus sechs
Privatbetrieben mit insgesamt 36 ha Fläche die
erste GPG hervor. Bis 1960 wurden bis auf wenige
Ausnahmen alle Erfurter Gärtnereien zu insgesamt elf GPG
zusammengefaßt. Die großen Privatbetriebe wie
Chrestensen oder Heinemann wurden gezwungen, staatliche
Beteiligungen aufzunehmen. Im Rahmen der letzten großen
Verstaatlichungswelle 1972 mußten binnen weniger Monate
alle Anteile an den Staat veräußert werden, wobei
z. T. die ehemaligen Besitzer als Betriebsleiter in
den Unternehmen verbleiben konnten. Die sozialistische
Mißwirtschaft und die Vernachläßigung anderer
Wirtschaftsbereiche gegenüber der Industrie zeigte sich
auch 1963, als mehrere Tiefbohrungen die Quellschüttung
des Dreibrunnenfeldes dramatisch reduzierte und so das
einzigartige System der Klingen wertlos wurde. Bis auf
einen kleinen denkmalgeschützten Bereich wurden die
Klingen zugeschüttet und in Gemüseanbauflächen
umgewandelt. Über alle Entwicklungsphasen des Erfurter
Gartenbaus hinweg wurden die Gartenbaubetriebe und
Anbauflächen durch das Wachstum der bebauten
Stadtfläche in die weitere Stadtrandzone gedrängt. Vor
dem Baubeginn der großen Plattenbausiedlungen betrug die
gärtnerisch genutzte Fläche 642 ha und somit rund
8,5 % der administrativen Stadtfläche (vgl. SAITZ
1973, S. 57). |
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"Nach der demokratischen Wende des Herbstes 1989
und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ...
wurden die erzwungenen Eigentumsveränderungen im
Erfurter Gartenbau rückgängig gemacht, verstaatlichte
Gartenbaubetriebe wie die Firma N. L. Chrestensen
privatisiert und den Genossenschaftsgärtnern die
Möglichkeit eröffnet, ihre Betriebe wieder als
Familienbetriebe zu betreiben" (GUTSCHE 1992, S.
48f.). |
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Das VEG Saatzucht/Zierpflanzen |
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Als Beispiel sei das ehemalige VEG
Saatzucht/Zierpflanzen Erfurt genannt, das 1949 aus
mehreren verstaatlichten bzw. enteigneten Erfurter
Gärtnereien (darunter bedeutende Betriebe wie
Chrestensen und Benary) hervorging. In den siebziger
Jahren wurde in Mittelhausen nördlich von Erfurt eine
16,5 ha umfassende Gewächshausanlage errichtet, die
zweitgrößte der ehemaligen DDR. Darüber hinaus
bewirtschaftete das zuletzt über 1.000 Mitarbeiter
beschäftigende VEG größere Freilandflächen zwischen
Binderslebener Landstraße und der Marbacher Flur. Nach
der Wende wurde das VEG in eine GmbH umgewandelt, diese
mußte jedoch zum 1.12.1992 in Liquidation gehen. Am
30.6.1993 wurde die gärtnerische Produktion eingestellt.
Aus dem ehemaligen VEG wurden die Firmen Haage
Kakteenzucht und N. L. Chrestensen reprivatisiert,
weitere 40 ha Gewächshäuser und Freiflächen
übernahm die Thüringer Landgesellschaft mbH. Diese
Beteiligungsgesellschaft des Landes unterstützte den
(Wieder-) Aufbau von acht Gärtnereien in Mittelhausen
und Erfurt. Weitere Flächen und einige Gebäude wurden
verkauft und z. T. durch nicht gärtnerische
Gewerbebetriebe genutzt (vgl. Abb 42). Die gärtnerisch
genutzte Unterglasfläche am Standort Mittelhausen
reduzierte sich von 17 auf 13 Hektar. Soweit die Stadt
Erfurt keine vordringlichen Nutzungsansprüche stellt,
wird der Restbestand an Gewächshausanlagen und
Ackerflächen durch das Thüringer Landesamt zur Regelung
offener Vermögensfragen an Alteigentümer
zurückgegeben. |
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Abb. 42: Nutzung
der Gewächshausanlage des ehemaligen VEG
Saatzucht/Zierpflanzen 1996
Quelle: eigene Erhebungen
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Auch einige innerstädtische Gartenbaustandorte
wurden in den letzten Jahren zu Gunsten von
Gewerbeansiedlungen oder Wohnungsbauprojekten aufgegeben.
Langfristig sind innerstädtische Gartenbaustandorte eher
als Sonderfall anzusehen, da der Wert der
innerstädtischen Flächen die wichtigste Kapitalquelle
für die erforderlichen Investitionen in moderne
Produktionsanlagen darstellt. Weitere
Betriebsverlagerungen sind im Zuge des Wiederaufbaus der
Universität zwischen Nordhäuser Straße und B4 geplant.
Als Ausgleich ist eine Gärtnersiedlung nordöstlich des
Stadtteils Marbach vorgesehen, für die bereits eine
agrarstrukturelle Vorplanung (Thüringer Ministerium für
Landwirtschaft und Forsten 1994) durchgeführt wurde
(vgl. Abb. 54). Auf der etwa 300 ha umfassenden Fläche,
die derzeit durch die Agrargenossenschaft Elxleben
bewirtschaftet wird, sollen etwa 20 Gartenbaubetriebe
angesiedelt werden. Ein Teil der Grundstücksbesitzer
weigert sich, die Flächen zum Ackerlandpreis zu
verkaufen, da sie in den Flächen potentielle
Wohnbauflächen sehen. Die beteiligten Ämter von Land
und Kommune verweisen jedoch auf ein Klimagutachten,
welches eine Bebauung des Gebietes auch für die Zukunft
ausschließt (vgl. MARUSCHKE 1995). |
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Als wichtige Voraussetzung für den Erhalt und Ausbau
des Gartenbaustandorts Erfurt wurde frühzeitig die
Notwendigkeit eines zentralen Großmarktes zur
Vermarktung der Erzeugnisse erkannt. Nach dem die UGA
Niederrhein bereits 1992 einige provisorische Hallen
angemietet hatte, wurde im Februar 1996 im Gewerbegebiet
Sulzer Siedlung der 6.400 m² Hallenfläche
umfassende Blumengroßmarkt Thüringen eröffnet. |
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Nach Vollendung der Gebietsreform zum 1.7.1994 werden
etwa zwei Drittel (ca. 17.640 ha) der Erfurter
Fläche landwirtschaftlich genutzt. Bilanziert man alle
aus dem Flächennutzungsplanentwurf (vgl. Stadtverwaltung
Erfurt 1996) ableitbaren Bauvorhaben, reduziert sich die
landwirtschaftlich bzw. gartenbaulich genutzte Fläche
der Stadt in den kommenden Jahren um weitere 4,5 %.
Unter den insgesamt 57 landwirtschaftlichen Betrieben der
Stadt sind nur sechs Wiedereinrichter, bei der Mehrzahl
handelt es sich um Genossenschaften oder GmbH (vgl. EIERT
1996). |
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Erwähnt sei schließlich noch die Entwicklung der
Erfurter Gartenbauausstellung. Die Zukunft des
ega-Geländes mit einer Grundstücksfläche von etwa
90 ha (davon 40 ha städtisch, 40 ha in
Landes- und 10 ha Privateigentum) wurde in der
Nachwendezeit zum Gegenstand heftiger Diskussionen. Die
Parkanlage, die auch Standort des Deutschen
Gartenbaumuseums ist, wurde gegen den Willen vieler
Bürger zum Standort des Landesstudios des
Mitteldeutschen Rundfunks. Zudem ist geplant die Messe-
und Ausstellungsfunktion des Geländes, zu Lasten des
Parkanteils auszubauen. |
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