MATEO - Mannheimer Texte Online
Abtei zum Heiligen Kreuz in Limburg
Eine archäologische und religionswissenschaftliche Untersuchung zum Bau und der Theologie der Gründungszeit
Abstract
Obwohl die Limburg als salischer Hausbesitz, sowohl als Kloster als auch als Burganlage, immer wieder in das Interesse der Wissenschaft eintritt, blieb ihr bisher eine Gesamtdarstellung versagt. Selbst die größeren Arbeiten von W. Manchot oder F. Wellmann, neben den zahlreichen kleineren Darstellungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, gaben zwar eine wertvolle Sicht auf den Zustand der Betrachtungszeit; es gelang jedoch nie, eine Gesamtsicht zu erstellen, die gleichzeitig die aus Schriftquellen und Baubefund erfaßbare historische Situation von Burg und Kloster berücksichtigte. So bleiben alle größeren Arbeiten und Beiträge zur Limburg Fragmente, die mehr oder weniger jeweils nur Einzelprobleme behandelten. Gerade die Schlüsselbereiche, die den Weg zum Verständnis mittelalterlicher Ideen und praktischer Anwendung religiöser und baupraktischer Tätigkeit eröffnen, blieben dadurch bis heute verschlossen. Die Limburg war entweder das kunsthistorisch außerordentlich bedeutende Kunstereignis der frühen Salierzeit oder die schwer faßbare Burg der Ahnen des salischen Kaiserhauses. Ebenso erging es den bisherigen historischen Untersuchungen, die zwar diachron arbeiteten, denen es jedoch nicht gelang, den Kontext zum Ort des Geschehens herzustellen. Diese Defizite soll die vorliegende Arbeit überbrücken helfen.
Aufgrund des so vorgegebenen Arbeitsansatzes gelang es dann erstmals die Krypta als originären Bauteil der salischen Burg zu identifizieren. Und dies mit erstaunlichen Folgen für den Klosterbau. Ausgehend von der Bestattung des bisher unbekannten Kaisersohnes Wolfram über die religiös mystischen Vorstellungen der Kaiserfamilie erzwang der Vorgängerbau eine völlig neue Konzeption einer Klosteranlage, die wir stilprägend für die folgende Zeit erstmals in Limburg antreffen. So bestimmte das Baumaß des Vorgängerbaues alle weiteren Bemaßungen der Klosteranlage, die sich entgegen der bisherigen Meinungen der Literatur nicht in römischen Fuß, sondern, mit Ausnahme des Westwerks, in karoligischen Fuß ausdrücken lassen. Diese Erkenntnis ermöglichte erstmals die Bedeutung der Maß- und Zahlenverhältnisse für den mittelalterlichen Kultbau auch auf die Limburg anzuwenden. Als Nebenprodukt dieser Aufmaßtechnik ließen sich, gestützt auf den archäologischen Befund, mehrere Bauphasen ermitteln. Gerade im Hinblick auf die zwischenzeitlich chronisch gewordene Steitfrage um die Gestalt des Westwerkes zeigten sich erstaunliche Ergebnisse.
Die im Zusammenhang vorgenommene Betrachtung von Burganlage und Klosterbau zeigte weiterhin, daß ununterbrochene Bautraditionen zwischen beiden Bautypen bestehen, die in konzeptioneller Übereinstimmung die Vermutung nahe legen, daß bereits der dem Kloster vorausgehende Burgenbau von magisch-religiösen Elementen in Teilen bestimmt war, die in den Klosterbau unverändert übernommen worden waren. Die archäologischen Untersuchungen, beginnend im 19. Jahrhundert zeigen, daß die für Burg und Klosterzeit festgestellten religiösen Traditionen sich in Befunden spätestens seit der Hallstattzeit niederschlagen. Damit kann beim Klosterbau nur von einem erneuten religiösen Nutzungspunkt gesprochen werden. Nicht außer Acht bleiben sollte hierbei die Feststellung, daß der Burg neben der profanen Nutzung damit ein sakraler Charakter zukam.
Die Untersuchung der Baureste der Salierburg zeigten, daß die bisher allein in Burgenzeit datierten Bauteile vollständig auch während der Klosterzeit in Nutzung waren. Ein heute über der Erde fast vollständig verschwundener Kreuzgang im Osten, der fast ausschließlich aus veränderten Bauteilen der Burg bestand, sowie große Bauteilgruppen der übrigen Klausurgebäude im Norden der Kirche, geben dem Bild der Burg wie auch des Klosters ein völlig neues Aussehen. Allein Teile der Burg, die keiner späteren Nutzung zukamen wurden samt Fundierung entfernt. Ihre teilweise Entdeckung als Ausbruchgruben und die damit möglich gewordene Verwertung dieser Baugewohnheit bestätigt den Umbau der Burg, und nicht deren Abriß.
Daneben gelang es, die Architektur der Kirche, die bis heute von ihrem theologisch-mystischen Aspekt noch oder wieder unverstanden war, in den theologischen Kontext einer von magischen Elementen geprägten Theologie zu stellen. So bestehen Abhängigkeiten der Maße, die sich nicht aus rationalen Gründen ergaben, die sich jedoch auf die theologische Zahlensymbolik beziehen lassen. Neben der Erhaltung der Krypta als Vorgängerbau wird deren Bedeutung für die Limburg dadurch weiter erhöht und erlaubt einen Einblick in die Religiosität der Stifterfamilie.
Bei der Untersuchung der Krypta wurde erneut auf die Altarfrage eingegangen, die archäologisch gelöst ist, wenngleich hierdurch nicht auch der dogmatische Streit um die Zulässigkeit von Rekonstruktionen geklärt werden kann. Für die Verdeutlichung der funktionalen Rolle dieses wichtigsten Kloster-/Burgraumes erscheint die Wiederherstellung der Anlage sinnvoll. Da einerseits sowohl Formen als auch Raumprogramme faßbar sind, wird damit die Ideenwelt und der Charakter der Anlage neu erschließbar. Als solcher Prozeß der Sichtbarmachung sind hier wie an anderen Stellen Rekonstruktionen im Sinne der "Denkmalswertunterstreichung" unverzichtbar, soll die Aussagefähigkeit der Anlage nicht allein dem "Eingeweihten" überlassen bleiben. Hier stellt sich deutlich ein Zielsetzungsproblem der Denkmalpflege.
Die Identifizierung des Kryptaraumes im Westen der Klosteranlage als Abtskapelle der Limburg schließt die Diskrepanz zwischen schriftlicher Quelle und Baubefund. Neben der Bestätigung der Literarischen Tradition wird damit ein Bauteil erschlossen, der keine Parallelen in bisher erfaßten Befunden gibt. Als stark vom Untergang bedrohter Bauteil kennzeichnet er den Zustand, dem sich die Gesamtanlage ausgesetzt sieht.
So bleibt neben der nüchternen Auswertung der Tatbestände die an dieser Stelle nicht lösbare Frage nach der Rolle des Denkmals heute. Vielfach durch Nutzungen der Eigentümerin und sonstiger Gruppen gefährdet ergab sich die Erkenntnis, daß im vergangenen Jahrhundert ihrer fast tausendjährigen Geschichte als Kloster und ihrer weitaus längeren Nutzung als Burg und Kultort, die Zerstörungen der jüngeren Zeit weitaus mehr zu Substanzverlusten geführt haben, als die Zerstörungen der Jahre zuvor durch Kriege und Plünderungen. Erinnert sei nur an die außergewöhnlichen Fußbodengestaltungen, die durch den Einbau von Bühnen und sonstigem Veranstaltungsgerät teilweise bereits vollständig vernichtet sind. Bepflanzungen und moderne Einbauten für verschieden Nutzungen tragen ein übriges dazu bei, ebenso die ungeschützte Lage und die mangelnde Pflege des Klosterbezirkes. Ein intensivierter Unterhaltungstourismus schafft somit letztlich das, was in 900 Jahren Anfeindung nicht gelungen war: die Auslöschung eines Kulturgutes. Hier ist eine Überprüfung der denkmalpflegerischen Ansätze ebenso gefordert, wie der verantwortungsvolle Umgang des Einzelnen.
Die folgende Arbeit gliedert sich in vier Hauptteile:
Die Aufnahme des Limburgberges verzeichnet alle überprüfbaren festgestellten Befunde der Vergangenheit, erweitert um neue Aufnahmen des Verfassers. Auf eine Kenntlichmachung der zeitlichen Stellung einzelner Mauerzüge wurde verzichtet. Hier sei auf die Ausführungen zum Baubefund des zweiten Teiles verweisen, der alle aufgeführten Bauteile ausführlich behandelt.
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