Thomas Ott: Ein interaktives Modell zum Flächennutzungswandel im Transformationsprozeß am Beispiel der Stadt Erfurt

Gartenstadtsiedlungen


Während die dicht bebauten gründerzeitlichen Altbauquartiere zu DDR-Zeiten dem physischen Verfall und einer ideologischen Abwertung unterlagen, erfuhr ein anderes Segment des Wohnungsbestandes – zumindest in den Augen der Bewohner – eine Aufwertung: "Es sind die ehemaligen Stadtrandsiedlungen auf billigen Böden mit inhomogener Bausubstanz. Sie umfassen eine weite Spanne von Wohnbauten mit Villen, Landhäusern, Schlichtbauten und Wohnlauben. In diesen häufig noch nicht durch die Kanalisation entsorgten Stadtrandgebieten hat die Lockerung der strengen Baurestriktionen seit 1971 zu einer explosiven Freisetzung von Einzelinitiativen geführt. Überall findet man in diesen Gebieten in den letzten Jahren Baumaßnahmen, nicht nur Anbauten für Garagen und Wohnzimmer, sondern auch Aufstockungen und Neubauten, vor allem aber notwendige Modernisierungen, Dach- und Fassadenverbesserungen" (SCHÖLLER 1986c, S. 42).    
     
Die Sulzer Siedlung (vgl. Abb. 52) entstand während der Weltwirtschaftskrise im Nordosten der Stadt. 1932 schlossen sich 150 Personen zusammen, um in drei Bauabschnitten mit geringer Unterstützung der Stadt Häuser für ihre Familien zu errichten. Handelte es sich zunächst um sehr einfache Gebäude, wurden diese im Laufe der Jahre – auch zu DDR-Zeiten – weiter ausgebaut. Vergleichbar der Nischenfunktion der Datschenkolonien (vgl. Kap. 6.5.3.5) war es den Siedlungsbewohnern möglich, sich der Reglementierung des staatlichen Wohnungsbaus zu entziehen.    
     
Nach der Wende ermöglichten die jetzt leicht erhältlichen Baumaterialien eine Modernisierung und den weiteren Ausbau der Häuser. Nur in wenigen Einzelfällen waren Nutzungsveränderungen – etwa durch Aufbau einer selbständigen Existenz in Form eines Ladens oder eines Dienstleistungsbetriebes – zu beobachten. Auch die Einwohnerzahl blieb weitgehend konstant (vgl. Tab. 31).    
     
Im Unterschied zur Sulzer Siedlung entstand die Rote Berg Siedlung (vgl. Abb. 53) erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Flugplatzgelände südlich des Roten Berges. Die Siedler rekrutierten sich überwiegend aus Heimatvertriebenen und Aussiedlern (v. a. Sudeten- und Rußlanddeutsche). Die Mehrzahl der Ein- und Zweifamilienhäuser entstand zwischen 1949 und 1959. Ab 1978 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft der Siedlung das mehr als 5.000 Wohnungen umfassende Neubaugebiet Roter Berg errichtet.   Abb. 53: Nutzungswandel in der Rote Berg Siedlung 1989/1996
Quelle: eigene Erhebungen
     
Ähnlich wie im Falle der Sulzer Siedlung war nach der Wende eine schrittweise Modernisierung der Wohnhäuser zu beobachten, die sich inbesondere auf die Dächer und die Fenster sowie im Inneren auf die sanitäre Ausstattung bezog. Auf den östlich und südlich der Siedlung liegenden Grünflächen wurden bis 1995 mehrere Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen errichtet. Nicht zuletzt durch die Fertigstellung dieser Wohnungen war in den vergangenen Jahren eine positive Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen (vgl. Tab. 31).    

   
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