Thomas Ott: Ein interaktives Modell zum Flächennutzungswandel im Transformationsprozeß am Beispiel der Stadt Erfurt

Rekonstruktion der Altbausubstanz und Cityerweiterungstendenzen


Große Teile der Altstadt wie auch der gründerzeitlichen Stadterweiterungen waren nach der Wende Gegenstand umfangreicher Rekonstruktions- und Renovierungsmaßnahmen. Diese Dynamik basiert vor allem auf der Wiederbelebung des kapitalistischen Bodenwertgefüges, das die Herausbildung und Ausdehnung einer "City" bewirkte.    
     
Als Verwaltungssitz des wichtigsten Bezirkes im Südwesten der DDR hatte die Stadt Erfurt schon zu DDR-Zeiten eine herausgehobene Stellung im Städtesystem der DDR (vgl. bspw. SCHERF 1986b) inne. Durch die nach der Wende erweiterte Landeshauptstadtfunktion konnte die Stadt ihre Position weiter verbessern und ihren zentralörtlichen Einzugsbereich weiter ausdehnen. Die genannten Faktoren führten in Verbindung mit der verkehrsgünstigen Lage der Stadt ab 1990 zur Ansiedlung zahlreicher tertiärer und quartärer Unternehmen, Verbänden und anderer Einrichtungen. Da der Nachfrage nach Büroflächen zunächst kein adäquates Angebot gegenüberstand, wurden die Büros häufig an provisorischen Standorten (z. B. leerstehende Hinterhofgebäude, Container) errichtet. Da keine baurechtlichen Restriktionen bestanden, bzw. die Einhaltung der bestehenden Regelungen im Nachwendechaos nicht durchgesetzt wurde, kam es insbesondere in der Altstadt und den altstadtnahen gründerzeitlichen Wohnquartieren zu einer Umnutzungswelle, bei der Wohnungen in Büro- und Gewerberäume umgewandelt wurden. Bevorzugte Standorte waren, analog zu den westdeutschen Erfahrungen, die gründerzeitlichen Villengebiete sowie die Hauptverkehrsstraßen. Neben der gewerblichen Büroflächennachfrage war auch der Aufbau der Landesregierung und der nachgeordneten Verwaltungsbehörden mit einem großen Flächenbedarf verbunden, der i. d. R. durch die Renovierung bzw. den Ausbau landeseigener und vom Bund rückübertragener Gebäude (z. B. ehemalige Kasernen) befriedigt wurde. Weitere Großprojekte stellen die Neubauten für das Bundesarbeitsgerichts sowie der 1994 wiedergegründeten Universität dar.    
     
Die stärksten Aufwertungs- und Umnutzungstendenzen sind in der Löbervorstadt (vgl. Abb. 41) zu beobachten. Hierfür sind neben der hervorragenden Verkehranbindung (Bahnhofsnähe, Kreuzung der Bundesstraßen, Autobahnzubringer) insbesondere die vorhandene villenartige Bausubstanz sowie die Nähe des Regierungsviertels ausschlaggebend. Zum positiven Image des Stadtteils tragen auch die beiden Parks sowie der nahegelegene Steigerwald bei. Im Bereich des "Kaffeetrichters" sind in den unteren Geschossen nur noch in Ausnahmefällen Wohnungen zu finden. Oft wurden auch obere Geschosse zu Büro- und Gewerberäumen ausgebaut. Vor allem entlang der Hauptverkehrsstraßen wurden in den letzten Jahren auch einige Büro- und Geschäftshäuser – beispielsweise das Gebäude der IHK an der Weimarischen Straße – errichtet.   Abb. 41: Erdgeschoßnutzung in der Löbervorstadt 1995
Quelle: eigene Erhebungen
     
Vor allem in der Arnstädter Straße werden im Umfeld des Landtags und der Ministerien Persistenzphänomene sichtbar. So wurde der Gebäudekomplex des Rats des Bezirkes ("Eierkiste") zunächst durch die Staatskanzlei und das Wirtschaftsministerium genutzt. Nach dem 1995 erfolgten Umzug der Staatskanzlei in die ehemalige kurmainzische Statthalterei steht das Gebäude größtenteils leer. Geplant ist u. a. der Bau eines neuen Landtagsgebäudes sowie mehrerer Ministerien. Bereits im Gang ist der Umbau von ehemaligen Gebäuden der sowjetischen Streitkräfte östlich der Thüringenhalle. Das Verwaltungsgebäude des ehemaligen Kalikombinates dient als Erfurter Sitz der Kali & Salz AG, allerdings bei stark reduziertem Raumanspruch. Andere Firmen und Institutionen haben die frei gewordenen Büroräume übernommen.    

   
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