Erklärtes Ziel der
Planungsbehörden ist es, durch die Bereitstellung von
attraktiven innerstädtischen Wohngebieten die
Abwanderung vor allem der Familien in die Umlandgemeinden
gering zu halten und eine weitere Zersiedelung der
Landschaft durch Neubaugebiete einzudämmen (vgl.
Landeshauptstadt Erfurt 1996). Nach derzeitigem Stand
steht allerdings zu befürchten, daß die größtenteils
von privaten Investoren finanzierten suburbanen
Wohnsiedlungen (vgl. Kap. 4.5.1) relativ bald
fertiggestellt sein werden, während für die
Umgestaltung der gründerzeitlichen Bebauung von einem
Planungs- und Realisierungszeitraum von 10 bis 20 Jahren
ausgegangen werden muß. |
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Der Wohnungsbau war in den Jahren nach
der Wende in Erfurt zunächst nahezu völlig
zusammengebrochen. Die Zuwächse lagen 1990 unter 100 WE,
1991 bei 150, 1992 bei 250 Wohneinheiten. Neben den
allgemeinen Problemen des Übergangs und den fehlenden
Reserven der stadttechnischen Infrastruktur werden
hierfür vor allem die ungeklärten Eigentumsansprüche
geltend gemacht (vgl. THOMANN 1994a, S. 13). Zum
Stichtag 31.12.1992 waren etwa 38.000 Erfurter
Grundstücke und Immobilien mit
Reprivatisierungsansprüchen belegt. |
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Eine 1993 durch das Amt für
Stadtentwicklung, Statistik und Wahlen erstellte
Wohnungsbedarfsprognose ermittelte einen
Wohnungsbaubedarf von etwa 25.000 Einheiten bis 2010 bzw.
12.000 bis 2000 (vgl. Tab. 14). Als Hauptposten werden
dabei zum einen der aus einer Verringerung der
Belegungsdichte resultierende Nachholbedarf und zum
anderen der Ersatz überalterter oder umgewidmeter
Wohnungen genannt. Andere Berechnungen, die vom
durchschnittlichen Wohnflächenbedarf in vergleichbaren
westdeutschen Großstädten ausgehen, ergeben einen
Wohnungsbaubedarf von 1,5 Mio. Quadratmetern bzw. 18.750
Wohneinheiten bis 2000 (vgl. NEHREN 1995, S. 28). |
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Tab. 14:
Wohnflächenbedarf in Erfurt bis 2010
Bedarfsfaktor |
Wohnungs- bedarf
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Veränderung
der Wohnungsbelegungsdichte |
11.000
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Ersatz überalterter, umgewidmeter oder
zusammengelegter Wohnungen (inkl. 0,3 %
Abriß pro Jahr)
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10.000
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Leerwohnreserve
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2.500
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Zunahme der Haushalte
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1.200
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Erfurt insgesamt
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24.700
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Quelle: THOMANN (1994a, S. 6);
Landeshauptstadt Erfurt, Amt für Stadtentwicklung,
Statistik und Wahlen
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Nach Berechnungen des Stadtplanungsamtes
(Landeshauptstadt Erfurt, Baudezernat 1994b) verfügt die
Stadt Erfurt mittelfristig über eine Wohnbaureserve von
etwa 14.000 Wohneinheiten. Betrachtet man die Verteilung
der sich in unterschiedlichen Realisierungsstadien
befindlichen Wohnungsneubaustandorte (vgl. Abb. 36), so
wird deutlich, daß sich der Entwicklungsschwerpunkt am
Rand der Innenstadt sowie im engeren Ring der Vororte
befindet. Neben den großen Vorhaben in der
Brühlervorstadt (ca. 2.020 WE), der Andreasvorstadt (ca.
700 WE), der weiteren Altstadt (ca. 700 WE),
Ilversgehofen (ca. 530 WE) und der Löbervorstadt (ca.
530 WE), fällt vor allem der östlich der Innenstadt
gelegene Stadtteil Ringelberg ins Auge, der nach
Fertigstellung etwa 2.800 Wohneinheiten umfassen soll. In
den eingemeindeten Ortsteilen sind derzeit weitere 3.620
Wohneinheiten auf Neubaustandorten und etwa 360
Wohnungszuwächse durch Um- und Ausbauten geplant oder
bereits genehmigt. Gemessen an den erteilten
Baugenehmigungen (vgl. Tab. 15) nähert sich der
innerstädtische Wohnungsbau nur langsam an die höheren
Werte der Umlandgemeinden an, wo das Schwergewicht des
Wohnungsbaus durch Ein- und Zweifamilienhäuser gestellt
wird. Während die durchschnittliche Größe der zu
bauenden Wohnungen in der Stadt 1993 etwa 70 m²
betrug, lag sie im Landkreis mit 86 m² deutlich
höher. Somit kann die Stadt Erfurt weder quantitativ
noch qualitativ ein der Nachfrage entsprechendes Angebot
in Zukunft offerieren, wobei Kostenüberlegungen der
Haushalte bei Wohnstandortentscheidungen noch nicht
einbezogen sind (vgl. Herfert 1996, S. 45). Es zeigt sich
immer deutlicher, daß zwar aufgrund der großzügigen
Fördermaßnahmen (50 % Sonderabschreibung) vor
allem in den randlich gelegenen Stadtteilen ein
deutlicher Zuwachs an hochwertigem Wohnraum zu
verzeichnen ist. Dem steht jedoch eine unverändert hohe
Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen mit gutem
Standard gegenüber. Der leichte Rückgang der Zahl der
Baugenehmigungen im Jahr 1995 dokumentiert das
bevorstehende Ende der ersten Investitionswelle im
suburbanen Raum der neuen Länder. |
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In den Jahren 1990 bis 1995 wurden im
erweiterten Stadtgebiet etwa 116 ha Bauland für ca.
2.300 Wohnungen ausgewiesen. Legt man die bereits
genehmigten Bebauungspläne zugrunde, können weitere
221 ha mit ca. 6.270 WE zukünftig bebaut werden.
Interessanterweise liegt der Schwerpunkt mit 139 ha
bzw. 4.680 WE im alten Stadtgebiet gegenüber 82 ha
bzw. 1.590 WE in den eingemeindeten Stadtteilen, was sich
v. a. durch das Ringelberggebiet (110 ha/ 2.800
WE) erklären läßt. Betrachtet man die noch nicht
abgeschlossenen Planungsverfahren, könnten
überwiegend in den neuen Stadtteilen maximal
weitere 295 ha mit ca. 9.700 WE bebaut werden (vgl.
Landeshauptstadt Erfurt 1996). |
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Die Realisierung der Ein-
und Mehrfamilienhauswohngebiete durch Developer und
Immobiliengesellschaften führt im Regelfall zu einer
sehr gleichförmigen Gestaltung der neuen Siedlungsteile.
Treffend beschreibt der Schriftsteller Martin Stade
(1995, S. 148): "Aber ich müßte
doch zugeben, redet man auf mich ein, daß viele hübsche
Einfamilienhäuser gebaut werden, kaum ein Dorf sehe man,
wo nicht Dutzende solcher Häuser entstanden seien. Ja,
es ist wahr, es ist vieles derartiges geschehen und ich
staune, daß es trotz Arbeitslosigkeit und schlimmer
Zukunftsbefürchtungen Leute gibt, die sich ein eigenes
Heim leisten können. Schaut man aber nun genauer hin,
dann kommt es einem vor, als kämen diese Behausungen
alle aus ein und derselben Retorte. Es muß irgendwo in
Süd- oder Westdeutschland eine Architektenschmiede
geben, die ihre Vorstellungen von Wohnen und Leben dem
ganzen Land übergestülpt hat. Wo ich mich auch
aufhalte, ob in Sachsen oder Brandenburg oder Thüringen,
ich treffe immer wieder auf die gleiche
Architektur." |
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Da die gewählte, nicht dirigierbare
Form der staatlichen Wohnungsbauförderung nur Einfluß
auf die Quantität des Wohnungsbaus, nicht jedoch auf
qualitative Vorgaben wie Lage, Gemeindegröße oder
bauliches und landschaftliches Umfeld ausübt, entstanden
neben den bereits erwähnten Einfamilienhausgebieten auch
kompakte und verdichtete Wohngebiete in Geschoßbauweise
in großer Entfernung zu den Kernstädten und meist ohne
die benötigte soziale Infrastruktur (vgl. HERFERT 1996,
S. 39). Als Beispiel für diese Entwicklung kann der
"Wohnpark Erfurt-Frienstedt" südwestlich der
gleichnamigen Gemeinde (399 Einw. 1991) dienen. Die
Fertigstellung der hochverdichteten, in mehrgeschossiger
Zeilenbauweise errichteten Siedlung mit mehr als 500 WE
führte zu einem Bevölkerungszuwachs von 128,6 %
bis Ende 1995, davon alleine 80,2 % seit 1994. |
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Fallbeispiele Alach
und Tiefthal |
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Die 1994 nach Erfurt eingemeindete
Gemeinde Alach, umfaßt neben dem Hauptort noch die
beiden Siedlungen Salomonsborn und Schaderode. Neben
einem Gewerbegebiet (10 ha) auf dem Gelände einer
ehemaligen LPG, zeichnet sich der Ort vor allem durch die
umfangreichen Wohnungsneubauprojekte aus. Im 899 erstmals
urkundlich erwähnten Hauptort entstehen derzeit neben
einer Reihe von Lückenschlüssen am westlichen Ortsrand
ca. 25 und im Norden etwa 90 neue Wohngebäude. Vor allem
der Ortsteil Salomonsborn zeigt sich als Beispiel für
die totale Überformung einer gewachsenen Siedlung durch
das Projekt eines Investors. Der ehemals dörfliche
Charakter des 1989 nur 175 Einwohner zählenden kleinen
Ortes wird völlig gesprengt. Der Investor, die
"Unternehmengruppe Holzhauer" aus dem
hessischen Bebra, errichtet derzeit auf einer 12 Hektar
großen Fläche insgesamt 391 Wohneinheiten in Einzel-,
Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern. Hinzu kommen
Arztpraxen, Büros, Freizeiteinrichtungen und ein
Einkaufszentrum mit Läden, Gastronomie und Bankfilialen
sowie weitere Einrichtungen der technischen Infrastruktur
(z. B. Kläranlage). Das Gesamtinvestitionsvolumen
beläuft sich auf 128 Millionen Mark. Trotz deutlich
vorgebrachter Kritik an den Dimensionen und der
mangelhaften Einbindung des Projektes in den alten
Ortskern, wird der erste Bauabschnitt, in dem 108
Wohnungen (davon 54 Sozialwohnungen) errichtet werden,
mit 4,32 Millionen DM durch das Innenministerium
bezuschußt. Nach Fertigstellung und Bezug aller
geplanten Häuser und Wohnungen wird die Bevölkerung auf
ca. 1.200 Menschen anwachsen und sich somit innerhalb
weniger Jahre mehr als versechsfachen. Eine vergleichbare
Entwicklung im Hinblick auf die Bevölkerungsdynamik ist
auch im 50 Einwohner umfassenden Ortsteil Schaderode
einem ehemaligen Gutshof zu erwarten. Hier
werden 60 weitere Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet,
so daß mit einem Bevölkerungswachstum von 60 auf 400 zu
rechnen ist. |
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Suburbanes Wohngebiet in Schaderode |
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Die überaus dynamische Entwicklung der
Gemeinde ist insbesondere auf die Arbeit des
Ortsbürgermeisters zurückzuführen, der die
wiedergewonnene kommunale Entscheidungsfreiheit
gewinnbringend nutzen konnte. Er rechtfertigt die
negativen Folgen der Entwicklung insbesondere damit, daß
auch der alte Teil der Gemeinde von den durch die
Investoren finanzierten Baumaßnahmen zur Verbesserung
der technischen Infrastruktur profitiert. Da der
Bürgermeister bei den Kommunalwahlen mit großer
Mehrheit wiedergewählt wurde (vgl. Tab. 34) ist von
einer relativ breiten Zustimmung der Bevölkerung zu
dieser Politik auszugehen. |
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Die Einwohnerzahl des nordwestlich der
Stadt gelegenen Ortes Tiefthal (vgl. Abb. 55) erhöhte
sich durch den Bau von mehr als 100 Ein- und
Mehrfamilienhäusern innerhalb von fünf Jahren von 528
im Jahre 1990 auf 950 (1996). Während die
Nutzungsstruktur im alten Dorfkern im wesentlichen
unverändert blieb, entstand im Südwesten der Gemeinde
eine sehr einförmige Neubausiedlung, die nur schlecht in
das Ortsbild integriert ist. Bedingt durch die
Eingemeindung nach Erfurt im Jahre 1994, wurde die
Ausweisung eines weiteren Neubaugebietes im Norden der
Gemeinde verhindert bzw. durch den neuen
Flächennutzungsplan erheblich eingeschränkt. |
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Tab. 15: Erteilte
Baugenehmigungen für Wohnungen in Erfurt 1992 bis 1995
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