In den Stadtmodellen der
sozialistischen Städtebautheoretiker der frühen Phase
waren zunächst keine Zentralzonen vorgesehen, denn
"diese wurden mit kapitalistischen
Verwaltungs- und Bankencities gleichgesetzt, als
Zentren ökonomischer Ausbeutung der
Werktätigen" (ROSENBERG/ HRUKA 1969, S.
72). Die Praxis zeigte jedoch bald, daß ein
sozialistischer Staatsaufbau ohne zentralisierten
Verwaltungsapparat nicht möglich war. Grundsätzlich
waren also auch in den sozialistischen Städten die
höchstrangigen Institutionen, d. h. Verwaltungs-,
Kultur-, Handels- und Dienstleistungseinrichtungen in den
historischen Stadtzentren angesiedelt (vgl. LICHTENBERGER
1983, S. 8). Der Unterschied zu den kapitalistischen
Städten ergab sich jedoch nicht primär durch die
Funktionsmischung selbst, sondern durch die
Trägerstruktur und die Differenzierung innerhalb der
Funktionen: "Weil es keine Konkurrenz zwischen
Handels- und Dienstleistungseinrichtungen und kaum
private Unternehmer gab, fehlte die kleinteilige Vielfalt
und Mischung von Funktionen weitgehend, die die
Stadtzentren in den westlichen Ländern
kennzeichnet" (Häußermann 1995, S. 5). Die
Innenstädte in den sozialistischen Staaten verloren
durch die Ausschaltung der kapitalistischen Konkurrenz an
Ausdehnung und Bedeutung, da die verbliebenen Funktionen
den unter marktwirtschaftlichen Bedingungen entstandenen
Rahmen nicht mehr ausfüllten. "Hinzu traten
Konzentrationstendenzen, die die Standorte von Handel und
Dienstleistungen weiter verminderten. Banken und
Versicherungen, Arzt- und Rechtsanwaltspraxen gehör[t]en
im sozialistischen System nicht mehr zum Grundgerüst der
Zentrenausstattung. Darüber hinaus sind Warenhäuser,
Läden für spezielle Konsumgüter, Buchhandlungen und
Reisebüros weitgehend auf einzelne größere Standorte
konzentriert worden" (SCHÖLLER 1987, S. 458).
Außerdem war "das Fehlen der freien
Berufsgruppen und Kleinbüros bedeutsam, weil dadurch
entsprechende Wohnverdrängungen entfallen" (WERNER
1980, S. 415). Die Entwicklung der Wohnfunktion im
Zentrum stand somit ebenfalls im Gegensatz zu den
kapitalistischen Städten. Während dort die steigenden
Bodenpreise und der Umnutzungsdruck i. d. R. zu
einem Sinken der Einwohnerzahl führen, blieben die
sozialistischen Innenstädte bedeutende Wohnstandorte,
teilweise wurden auch neue Wohngebäude errichtet. |
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Abb. 4:
Durch "städtebauliche Dominanten" überformte
Silhouetten ostdeutscher Städte
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Es wird kolportiert, daß Walter
Ulbricht persönlich anläßlich eines Besuches in Erfurt
den ausstehenden Aufbau eines sozialistischen
Stadtzentrums anmahnte (vgl. REIMANN 1968, S. 31; WERNER
1985, S. 359). 1967 wurde ein Wettbewerb zur Umgestaltung
der Innenstadt ausgeschrieben, auf dessen Ergebnis 1968
eine neue Bebauungskonzeption ausgearbeitet wurde, die
u. a. den geschlossenen Abriß von 5.000 Wohnungen
im Andreasviertel vorsah. An ihrer Stelle sollte die doppelte
Zahl von Wohnungen in mehrgeschossigen Wohnblocks
errichtet werden. Ein großes Hotelhochhaus auf dem
Petersberg sollte als "neue Stadtkrone" Dom und
St. Severi überragen. Ziel war es, den Komplex
Petersberg/Domplatz zum städtebaulichen Höhepunkt der
"modernen sozialistischen Bezirksstadt" zu
machen und "den Sieg der sozialistischen Ordnung
über die Vergangenheit" (REIMANN 1973, S. 162) zu
symbolisieren. Das Hotel sollte über eine breite
Treppenanlage mit dem Domplatz verbunden werden. Die
Realisierung des Projektes scheiterte einerseits am
gewandelten städtebaulichen Leitbild (vgl. Kap. 2.2.2),
jedoch vor allem am mangelnden Kapital. Lediglich die der
Stadt zugewandte Bastion Leonhard war bereits in den
Jahren 1964-67 zur Aussichtsplattform umgebaut worden. |
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