Diese Schilderung der Rheinischen Pfalz aus dem Jahr 1690 verbindet die historische Landeskunde mit der aktuellen Berichterstattung. In dem Pfälzischen Erbfolgekrieg, den Ludwig XIV. 1688 vom Zaun gebrochen hatte, um dem drohenden Erstarken der Gegner Frankreichs zuvorzukommen, waren 1689 die meisten Städte und Dörfer der Pfalz von den französischen Truppen mit unerhörter Grausamkeit verwüstet worden. Auf die deprimierende Bestandsaufnahme der Verluste im Westen des Reichs läßt der Verfasser eine Schilderung der gleichzeitigen Siege des Kaisers gegen die Türken im Südosten folgen.
Der Nürnberger Privatgelehrte und Publizist Johann Christoph Wagner hat in den 1680er Jahren mehrere Landesbeschreibungen, insbesondere der Balkanländer und mehrerer asiatischer Reiche, im Verlag des Augsburger Buchdruckers Jacob Koppmayer herausgebracht. Eine engere Verbindung des Autors zur Pfalz ist nicht belegt. Der Text des pfälzischen Geschichtspiegels läßt sich in zwei Schichten gliedern: den landeskundlich-historischen Teil, der sich stark auf die 1645 erschienene Topographie der Rheinischen Pfalz von Matthäus Merian d.Ä. (1593-1650) stützt, und den aktuellen Bericht über die Kriegsereignisse. Der Text der Merian'schen Topographien wurde von dem angesehenen Reiseschriftsteller Martin Zeiller (1589-1661) auf der Grundlage älterer Literatur kompiliert. Er bevorzugte antiquarische Nachrichten und berücksichtigte die jüngere Vergangenheit des Dreißigjährigen Krieges nur, soweit sie bereits literarisch dokumentiert war.
Wagner dagegen widmet den Ereignissen der Kriege von 1618-1648, 1674-1677 (Einfälle der Franzosen unter Marschall Turenne in die Pfalz) und 1688 ff. etwa die Hälfte seines Werks. Er scheint sich weithin auf amtliche Quellen stützen zu können. Seine Angaben zur diplomatischen Vorgeschichte des Kriegs, zu den Zerstörungen und Verlusten sind detailliert. Seine Klagen über die Perfidie der französischen Politik und die Leiden der Pfälzer verraten lebhafte Anteilnahme. Man lese nur seinen Bericht über die Gewalttaten der Soldateska in dem Dorf Handschuhsheim bei Heidelberg (S. 35)! Mannheim, das damals 12000 Einwohner zählte, wurde buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht.
Die Illustrationen auf eingehefteten Kupfertafeln beziehen sich nur ausnahmsweise auf die aktuellen Kriegsereignisse. Sie lehnen sich an Merians Topographie an, erreichen aber nicht die Feinheit und Lebendigkeit des Vorbilds. Von dem Künstler, Johann Jacob Senfftel (1663/64-1729) aus Augsburg, ist nur wenig bekannt. Bildtafeln waren ein probates Mittel, den Verkauf von Büchern zu fördern. Das Augsburger Verlagswesen verdankte seinen langsamen Wiederaufstieg nach dem Niedergang im Dreißigjährigen Krieg vor allem der Buchillustration.
Der beigefügte Bericht über den Krieg gegen die Türken in Ungarn setzt Wagners 1687 erschienene "Beschreibung ... der vornehmsten Städte ... der Christenheit und Türckey, sonderlich ... derer in ... Ungarn, ..." fort. In genauem Anschluß an die vorangegangene Publikation werden hier die Ereignisse vom Jahre 1687 bis zum Sommer 1690 nachgetragen. Auch hier lassen genaueste Angaben zu Gewinn und Verlust auf amtliche Quellen schließen.
Die publizistische Gattung der fortlaufenden illustrierten
Zeitgeschichte, wie sie uns hier begegnet, verdankt ebenso wie die
topographische Landesbeschreibung ihren Aufschwung der Initiative
Matthäus Merians. In seinem Verlag erschien ab 1633 das den
Dreißigjährigen Krieg von seinem Beginn an schildernde
"Theatrum Europaeum"", das es bis 1738 auf 21 stattliche Bände
brachte, die allerdings mit einem Verzug von ein bis zwei
Jahrzehnten hinter den Ereignissen herhinkten. So nahm der Markt
die aktuelleren Werke Wagners offenbar begierig auf. Schon 1691
konnte eine zweite Auflage seines pfälzischen
Geschichtspiegels erscheinen.
Heinz Kredel,
E-mail:
kredel@rz.uni-mannheim.de
Mannheim, 5. November 1996