Vosmeer, Michiel:
Principes Hollandiae et Zelandiae, Domini Frisiae. Cum genuinis ipsorum iconibus ...

Antwerpen: Chr. Plantin für Ph. Galle, 1578. - 87 S.; zahlr. Ill.; 25 x 16,5 cm


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Dieses Werk sah der Zensor mit Wohlgefallen. Am 7. September 1577 konnte er sein "Vidi, & probavi" (Ich habe es durchgesehen und für gut befunden) darunter setzen. Man befand sich in einer entscheidenden Phase des Aufstands der Niederlande gegen die spanische Herrschaft.

Seit der Abdankung Kaiser Karls V., der, in den Niederlanden geboren und erzogen, hier als Landesherr akzeptiert worden war, versuchte sein Sohn Philipp II., die unruhigen Provinzen vom fernen Spanien aus mit harter Hand zu lenken. Mehrere Faktoren führten hier zur andauernden Krise: Riesige Staatsschulden hatten sich infolge der wiederholten Kriege mit Frankreich angehäuft; die Produktion des hoch entwickelten Gewerbes fand nicht wie früher Absatz; die bitter benötigten Getreidelieferungen aus dem Ostseeraum wurden durch den dort herrschenden Krieg unterbunden; und obendrein ließ der streng katholische Herrscher die reformierten "Ketzer" verfolgen und nicht selten auch hinrichten.

Die Unruhen schlugen 1568 in einen offenen Krieg zwischen der Zentralgewalt und den Rebellen um. Nach wechselvollen Kämpfen und Kompromissen beschlossen die Generalstände im Herbst 1576, die spanischen Truppen zu vertreiben und der Ketzerverfolgung Einhalt zu gebieten. Im Sommer 1577 mußte der Generalstatthalter Don Juan d'Austria, König Philipps Halbbruder, Brüssel verlassen und sich in eine sichere Festung zurückziehen.

In dieser Phase des Konflikts stellte ein Anhänger der spanischen Herrschaft "Die Fürsten von Holland und Seeland und Herren von Friesland" seit dem 9. Jahrhundert in Text und Bild vor Augen. Er beschwor damit eine Vergangenheit, in der die Untertanen noch ihren Herren ergeben waren und diese ihre Würde von ihren Vorfahren erbten oder von Lehensherren empfingen. Gerade diejenigen Provinzen der Niederlande, die den harten Kern des Aufstands bildeten, wurden damit an ihre Pflicht zur Loyalität erinnert. Das Buch wurde in jener Stadt illustriert und gedruckt, die kurz zuvor Opfer des "spanischen Wütens" geworden war - in Antwerpen, wo im November 1576 die Soldateska vier Tage lang geplündert und dabei etwa 8000 Menschen umgebracht hatte.

Der hervorragende Kupferstecher Philipp Galle (1537 Haarlem - 1612 Antwerpen) lieh diesem publizistischen Unternehmen seinen Grabstichel, und der Autor Michiel Cornelisz Vosmeer, Chef des Steueramts zu Delft, bemühte die lateinische Dichtkunst, um seine propagandistische Absicht würdig einzukleiden. Er zielte wohl auf die lateinkundige Elite der nordwestlichen Provinzen, die im Verein mit den Partisanen ("Geusen" = "Bettler") gegen die spanische Herrschaft ankämpfte. Vosmeers Sohn Sasbout (geb. 1548) brachte es übrigens 1602 zum Erzbischof von Utrecht.

In lateinischen Versen, die den Bildern gegenüberstehen, werden Daten und Fakten von Leben und Regierung der 36 Fürsten und Fürstinnen, die seit der Belehnug Dietrichs von Aquitanien durch König Karl den Kahlen (863) Holland und Seeland und später auch Friesland regierten, angeführt. Die politische Tendenz des Autors äußert sich in dem Widmungsgedicht an seinen nahen Verwandten Arnold Sasbout, der Vorsitzender des Geheimen Rats in Brüssel war, deutlich genug, tritt aber sonst hinter der chronikartigen Darstellung zurück. Die Porträts der älteren Fürsten bis 1433 gehen auf alte Wandmalereien zurück, die in dem Karmeliterkloster zu Haarlem zum Vorschein gekommen waren, als die spanischen Truppen nach der Einnahme der Stadt 1573 eine Holzverkleidung von der Wand des Kreuzgangs rissen. Mehr Ähnlichkeit dürften die Abbildungen der späteren Fürsten von Philipp dem Guten an besitzen. Die gezeichneten Vorlagen, nach denen Galle stoch, hat der aus Haarlem stammende Maler Willem Thibaut (1524/26-1597/9) geschaffen.

Das Werk gehört zu der damals in Blüte stehenden Gattung der Porträtwerke, die in Italien bereits am Ende des 15. Jahrhunderts aufgekommen war. Die Beteuerung, daß die Personen "getreu nach dem Leben" abgebildet seien, wurde damals ohne Bedenken selbst bei gänzlich erfundenen Porträts vorgebracht. Immerhin ließen die Humanisten die Bilder römischer Herrscher nach antiken Münzen und Medaillen stechen. Für Zeitgenossen standen selbstverständlich authentische Vorlagen zur Verfügung. In den Niederlanden war Philipp Galle in dieser Gattung führend (Virorum doctorum effigies, 1572; Pontificum maximorum effigies, 1572). Er arbeitete mit Christophe Plantin (um 1520 - 1589), dem bedeutendsten Buchdrucker seiner Zeit, zusammen. Dieser druckte damals in Antwerpen, ausgestattet mit einem Privileg des Königs, alle liturgischen Bücher für Spanien und die Niederlande, war aber auch der bevorzugte Verleger großer Gelehrter wie Justus Lipsius und Abraham Ortelius.

Unser Exemplar ist zusammen mit der ebenfalls illustrierten Biographie der Mailänder Fürsten aus dem Haus Visconti von Paolo Giovio (Paris: Robertus Stephanus, 1549) in einen reich geschmückten Pergamenteinband gebunden. Der mit dem Plattenstempel im sog. negativen Druck eingeprägte Renaissancedekor zeigt inmitten ornamentaler Doppelrahmen auf dem Vorderdeckel Justitia mit Schwert und Waage, auf dem hinteren Deckel die altrömische Lucretia mit dem auf das eigene Herz gerichteten Dolch - Beispiel der Keuschheit und Unbestechlichkeit. Leider wurde unser Plantin-Druck beim Binden stark beschnitten, während der kleinere Stephanus-Druck seinen breiten Rand behielt. Der Erstbesitzer des später von Desbillons erworbenen Bandes dürfte ein wohlhabender Jurist gewesen sein.

Übersicht:

(Regierungsdaten nach der Tabelle auf S. 80-83 - nicht überprüft!)
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Heinz Kredel, E-mail: kredel@rz.uni-mannheim.de

Wolfgang Schibel, E-mail: Schibel@bib.uni-mannheim.de

Emir Zuljevic, E-mail: zuljevic@rummelplatz.uni-mannheim.de

Mannheim, 25. November 1996