Orationes duae, De ritu et modo depositionis beanorum.

- Straßburg: Dolhopff, 1680. 56 S., 18 Kupfertaf., 15 x 8 cm


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Die Studienanfänger der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universität mußten im Zuge ihrer Immatrikulation den Ritus der "Deposition" über sich ergehen lassen. Sinn dieser Handlung war es, daß der "beanus" (von franz. béjaune, d.i. bec jaune = Grünschnabel) oder "Bacchant" (von "Vagant" mit Anspielung auf mutwilliges Treiben im Zeichen des Bacchus) sein unakademisches, unzivilisiertes Wesen ablegte (deponere). Der Knabe - oft ging man schon mit 15 Jahren auf die Universität - wurde als ungebärdiges, störrisches, schmutziges, stinkendes Tier - eine Mischung aus Ziegenbock, Rind und Eber - vorgestellt.

"Die Beane wurden in einer Verkleidung, deren wesentlichstes Stück ein Hut mit Hörnern war, von dem Depositor [- als solcher fungierte zumeist der Rektor der Burse -] in den zur Handlung bestimmten Saal geführt. Nach mannigfachen Vexationen wurden die Hörner abgeschlagen, abgestoßen, abgelaufen oder abgeschliffen (davon "depositio cornuum"), große Zähne ("Bacchantenzähne") den Beanen in den Mund gesteckt und ausgerissen, dann die Körper der Neulinge mit verschiedenen monströsen Handwerksinstrumenten von Holz unsanft bearbeitet, ferner wurde sinnbildlich eine gründliche Reinigung und Verschönerung vorgenommen. Schließlich erklärte der Decan nach einer Prüfung die Deponierten für Studenten, indem er ihnen Salz - sal sapientiae - in den Mund gab und Wein - vinum laetitiae - aufs Haupt goß und sie feierlich vom Beanismus lossprach oder absolvierte." (W. Fabricius: Die akademische Deposition. 1895. S. 7f.)

Der rauhe Initiationsritus, der nicht selten zu Verletzungen führte, spiegelt den umfassenden Zwang, den die akademische Korporation ihren Mitgliedern auferlegte. Die Studenten wohnten unter der Aufsicht von Dozenten in Internaten, den Bursen. Ihr Tagesablauf war streng geregelt, das Essen karg, die von mehreren Studenten geteilte Schlafkammer eng und unbeheizt. Ein Privatleben war nicht vorgesehen. Wer im Elternhaus oder bei Verwandten wohnen oder sich gar einen eigenen Haushalt mit Diener leisten konnte, mußte dazu die Genehmigung der Universität einholen.

Solchen Zwängen stand eine Neigung zum ungebundenen Leben und wilden Treiben in der Tradition der fahrenden Scholaren gegenüber, begünstigt durch die rechtliche und polizeiliche Sonderstellung der "cives academici" innerhalb der Stadt, angeregt von der eigenmächtigen und wehrhaften Lebensweise adeliger Kommilitonen und verstärkt durch die Söldnererfahrung mancher ärmerer Studenten.

Die ersten Universitäten Deutschlands übernahmen den Brauch der Deposition wie vieles andere von ihrem unmittelbaren Vorbild, der Pariser Universität. Die Verwendung von Sägen, Hobeln, Feilen und anderem Handwerkszeug wurde anscheinend im späten 15. Jahrhundert in Deutschland eingeführt. Vorbild waren die Lossprechungsriten der Zünfte. Als bald darauf Humanismus und Reformation die Universitäten ihres geistlichen Charakters entkleideten und die klosterähnlichen Bursen, die Heimstätten der Deposition, sich allmählich leerten, blieb diese dennoch bestehen. Sie wurde nun in den Universitätsstatuten verankert und mit einer erlauchten Ahnenreihe, die von den Prüfungen der spartanischen Jugend über Platons Akademie bis zu der Wasserweihe in den athenischen Sophistenschulen der Spätantike reichte, ausgestattet.

Als jedoch in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts die Studienanfänger älter und besser vorbereitet zur Universität kamen, empfand man das rohe Spiel als deplaziert, und bald mußten die Depositoren auf ihre Einkünfte und die älteren Kommilitonen auf den Aufnahmeschmaus verzichten. Das Vexieren jüngerer Studenten fand schließlich in den Korporationen, in denen die "Füchse" die "Burschen" bedienten, seine Fortsetzung. Heute zeugen noch Redensarten wie "ein ungehobelter Mensch, ein ungeschliffener Kerl, sich die Hörner abstoßen" von dem vergessenen Brauch.

Das kleine Büchlein, dessen dritter, deutschsprachiger Teil hier reproduziert ist, bringt zuerst die bereits 1569 von Magister Johann Dinkel in Erfurt gehaltene lateinische "Rede über Ursprung, Gründe, Vorbild und Zeremonien des Ritus, der in den (hohen) Schulen allgemein Deposition genannt wird". Dinkel hat seine Rede weithin aus dem umfassenderen Werk Middendorps "De celebrioribus universi terrarum orbis Academiis" (Köln 1567) abgeschrieben. Unser Straßburger Druck von 1680 verschweigt seinerseits die Herkunft des Textes von Dinkel. Die Kupferstiche von M.H. Rapp sind wahrscheinlich der einzige neue Bestandteil in dieser Ausgabe bzw. ihrer unmittelbaren Vorgängerin, die 1664 bei P. Aubry in Straßburg erschien. Die damaligen Schriftsteller und Verleger verstanden es gut, von dem bewährten Alten zu zehren!


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Mannheim, 20. Juni 1996