Thomas Ott: Ein interaktives Modell zum Flächennutzungswandel im Transformationsprozeß am Beispiel der Stadt Erfurt

Dörfer im Umland


Zum Zeitpunkt des politischen Umbruchs war das Erfurter Umland – wie auch jenes anderer ostdeutscher Bezirks- und Großstädte – weitgehend ländlich geprägt. Lediglich in wenigen Kleinstädten wie Neudietendorf oder Stotternheim (vgl. Kap. 6.5.4.5) waren kleinere Wohnungsbaukomplexe in der Nachkriegszeit errichtet worden. Der Raumordnungsbericht der Bundesregierung (vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1991b) sprach von einer "inselartigen Einbettung der Städte in die umgebende Landschaft".  
Rundling Schellroda
     
Während die ostdeutsche Agrarlandschaft unter dem Einfluß der sozialistischen Landwirtschaft tiefgreifenden Veränderungen unterworfen war, verharrten die ländlichen Siedlungen – von im Zuge der Kollektivierung errichteten LPG-Komplexen abgesehen – nahezu unverändert in ihrem Vorkriegszustand. Bedingt durch den einsetzenden Suburbanisierungsprozeß erleben die Kleinstädte und Dörfer seit der Wiedervereinigung, insbesondere im Umland der Großstädte, eine stürmische Entwicklung, die durch die Ausweisung ausgedehnter Gewerbegebiete und Wohnungsbauflächen gekennzeichnet ist.    
     
Ebenso wie bei den Gewerbegebieten, lassen sich bei den Wohnparks im Umland unterschiedliche Auslastungsquoten feststellen, die meist durch die Standortfaktoren Erreichbarkeit und Wohnumfeldqualität beeinflußt werden. Die Immobiliengesellschaften beginnen nach eigenen Aussagen erst mit dem Bau eines neuen Objektes, wenn ein bestimmter Prozentsatz (ca. 30 bis 50 %) der Häuser verkauft ist oder feste Zusagen vorliegen. In einigen Fällen, in denen große Tafeln vor brachgefallenen Äckern projektierte Wohngebiete ankündigen, haben jedoch auch die übergeordneten Genehmigungsbehörden ihre Zustimmung verweigert.  
Erschlossenes, jedoch nicht bebautes Wohngebiet in Stotternheim
     
Fallbeispiel Waltersleben    
     
Der 996 erstmals urkundlich erwähnte, südlich des Steigerwaldes gelegene Ort Waltersleben (vgl. Abb. 56), zählt mit seinen 411 Einwohnern ebenso zu jenen 18 Gemeinden, die durch die Gebietsreform am 1.7.1994 in die Landeshauptstadt eingemeindet wurden. Aufgrund der landschaftlich reizvollen und zugleich verkehrsgünstigen Lage am Autobahnzubringer zur A 4 konnte die Gemeinde ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum von 25,3 % seit 1991 verzeichnen. Der traditionell landwirtschaftlich geprägte Ort war bis 1990 Standort einer LPG mit Rindermast und Samenzucht. Auf dem Grundstück und teilweise in Gebäuden der ehemaligen LPG siedelten sich nach 1989 neue Firmen, beispielsweise ein Reinigungsmittelvertrieb an. Außerhalb des Dorfes entstand ein 30 ha umfassender Büropark mit zwölf Gebäuden, in denen sich u. a. der Landesrechnungshof, das Landeskriminalamt und Planungsbüros ansiedelten. Da jedoch immer noch fünf von zwölf Gebäude leerstehen, konnte auch die erhoffte Zahl von 700 Arbeitsplätzen bei weitem nicht erreicht werden. Wie in anderen Orten des Umlandes ging die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe dem Wohnen zeitlich voraus. Neben vereinzelten neu errichteten Wohngebäuden im Dorfkern, entstanden am Siedlungrand eine Reihe von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Eine weitere Siedlung mit etwa 20 Mehrfamilienhäusern ist am Nordrand des Ortes geplant.    
     
Die infrastrukturelle Erschließung des Ortes ist als ungenügend zu bezeichnen. Zwar verkehren zwei Buslinien nach Erfurt und Arnstadt, außer einem Kindergarten und dem einzigen (von Dezember bis April geschlossenen) Lebensmittelladen sind jedoch keine weiteren Einrichtungen vorhanden. Es bleibt abzuwarten, ob bei der weiteren Entwicklung des Ortes als Wohnstandort entsprechende Einrichtungen geschaffen werden. Bereits heute wird deutlich, daß sich durch den beschleunigten Suburbanisierungsprozeß sowohl das Ortsbild aber auch die Bevölkerungsstruktur des Ortes sehr verändert haben und weiter ändern werden.    
     

   
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