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Hansmeier: Hypermediale Programme


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0 Einleitung

"Medienrevolution" - "Multimedia, Hypermedia, Interaktive Medien, Virtuelle Realität, Internet, Datenautobahn, Online Education", so klingen die Zauberworte der 90er Jahre und des auslaufenden 20. Jahrhunderts. An diesen Begriffen, die so vielversprechend, spannend und teilweise sehr mysteriös anmuten, kommen wir in unserem audiovisuellen Zeitalter, das durch eine rapide Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie gekennzeichnet ist, nicht mehr vorbei. Es existieren interaktive Datenbanken, multimediale Museen, interaktives Fernsehen, interaktives Teleshopping, virtuelle Vorlesungen an einigen Universitäten in den USA, um nur einige Beispiele aus dem vielfältigen Angebot zu nennen.

Einer der größten Befürworter der Nutzung des Internets ist der amerikanische Präsident Bill Clinton, der uns durch die Homepage des White House an seiner Arbeit teilhaben läßt und der die Ausstattung aller Klassenräume mit Internetanschlüssen bis zum Jahr 2000 als eines seiner Ziele proklamierte. Das Medium Computer gehört zum Alltag, zur Freizeit-beschäftigung vieler Kinder und Jugendlicher; der Computer ist zu einem zentralen Bestandteil aller Lebensbereiche herangewachsen und somit allgegen-wärtig in unserer Gesellschaft: Dienstleistung, Verwaltung, Forschung und Wissenschaft integrierten den Computer in ihre Arbeitsabläufe, er wurde zu einem selbstverständlichen Arbeitsgerät. Es wird von Computer Literacy als neuer, vierter Kulturtechnik neben den Kulturtechniken Schreiben, Lesen, Rechnen gesprochen.(1) Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf nimmt dieses auch so wahr und fordert für den Bildungssektor: "Diese Technik muß deswegen wie Basiswissen gelehrt werden, gehört also schon in die Grundausbildung der allgemeinbildenden Schulen".(2) Walther Christoph Zimmerli definiert Kulturtechnik als eine Kunstfertigkeit,

"die omnipräsent, transferfähig und überlebensrelevant ist. [...] Die datenprozessierende [...] Informationstechnologie hat schon heute unsere Gesellschaft in einem derart starken Ausmaße durchdrungen, daß wir sie ohne Einschränkung bereits jetzt als Kulturtechnik bezeichnen können. Sie ist nicht nur omnipräsent, sondern hat sich auch zu der Quertechnologie aller anderen Bereiche von Technik, Wissenschaft und Lebenswelt entwickelt, und wer in der technologisch werdenden Welt überleben will, muß sie beherrschen" (Zimmerli 1990: 206).

Führt die digitale Revolution aber auch zu einer ‘Revolution des Lernens’? Die neuen digitalen Medien offerieren Chancen für die Kommuni-kation, die Begegnung der Kulturen und die Auseinandersetzung mit dem ‘Fremden’, und sie lassen neue Orte sozialer Beziehungen entstehen.(3) "Mit dem Computer kannst du fremde Länder und Kulturen auf Knopfdruck kennen-lernen",(4) so lautete das Statement eines 19jährigen Gymnasialschülers. Fördern digitale Medien also die Entwicklung von Interkulturalität?

Rita Stebler, Kurt Reusser und Christine Pauli fordern von der zukünftigen Schule und Universität:

"Wir müssen Lerngelegenheiten schaffen, die das Vorwissen der Schüler aufgreifen, der Situationsbezogenheit des Denkens Rechnung tragen und Lernen als selbstgesteuerten Wissensaufbau im Rahmen von Lern- und Forschungsgemeinschaften konzipieren. Wir brauchen interaktive Lern-Umgebungen" (Stebler/Reusser/Pauli 1994: 232).

Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich die Potentiale hypermedialer Systeme für Unterrichtszwecke und speziell für den Fremdsprachenunterricht untersuchen.

Ich lasse mich in dieser Arbeit von den folgenden Fragen leiten:

Entsprechend der Fragestellungen gebe ich im ersten Kapitel einen Abriß der aktuellen Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen des Fremd-verstehens. Ausgehend von dem hermeneutischen Verstehensbegriff wird der ‘schillernde’(5) Begriff des Interkulturellen und die Kategorie Fremdheit auf den Fremdsprachenunterricht appliziert. Die Auswirkungen eines interkulturellen Konzeptes auf die Lerninhalte und die Lehrmaterialien werden skizziert.

Im zweiten Kapitel werden die Charakteristika des audiovisuellen Mediums Video und des elektronischen Mediums Computer sowie ihre Potentiale und ihre Grenzen im Fremdsprachenunterricht anhand von Bei-spielen erläutert. Die Computerlernprogramme der ‘neuen’ Generation für den Fremdsprachenunterricht sind nach dem Hypertext-Prinzip gestaltet. Dem geschichtlichen Diskurs über das Hypertextkonzept, der Erläuterung seiner spezifischen Eigenschaften und Strukturelemente folgen Beispiele für proto-typische hypermediale Lernprogramme, wobei zwischen dem Genre der interaktiven Erzählung und des interaktiven Dokumentarprogrammes unter-schieden wird.

An diese Darstellung schließt sich der Hauptteil der Arbeit, die Konzeption eines hypermedialen Lernprogrammes zu dem Thema "Essen und Trinken in Deutschland" und dessen exemplarische Realisation am Themen-aspekt Frühstück an. Im dritten Kapitel werden zunächst die Anforderungen an

ein hypermediales System, die Auswahl des Themas "Essen und Trinken" für die Programmvorlage sowie die Integration unterschiedlicher Textsorten und die Auswahl der in das Programm aufgenommenen Materialien begründet. Eine Diskussion der Adressaten und der Einsatzmöglichkeiten schließt sich an.

Inhalt des letzten Kapitels ist eine detaillierte Beschreibung des exemplarisch zu dem Themenaspekt Frühstück umgesetzten hypermedialen Lernprogrammes. Dem Programm, das als Demonstrationsversion auf CD-ROM vorliegt, werden die wichtigsten Bildschirmseiten entnommen, um sie der Programmbeschreibung zur Illustration beizufügen.


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