Text and Translation submitted by Lothar Mundt. |
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<136> |
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Liber quintus. |
Fünftes Buch. |
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<137> Ergo age tollamus remoras animumque iacentem |
Auf denn! Säumen wir nicht und fassen wir Mut und arbeiten wir
uns freudig ab auf den Feldern Christi, des Herrn! Jeder ackere für
sich, reute Dornen und Disteln aus und streue die fruchtbaren Samen
über die frisch beackerten Felder aus. Dessen mögen die
auserwählten Pflanzer sich fürderhin stärker befleißigen und den
übrigen Menschen als ihre Anführer mit Herz und Hand zu Diensten
sein. |
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<138> Salvificum donec prodiret semen in orbem. |
bis der heilbringende Sohn auf der Welt erscheinen würde. Die nach feierlichem Ritus vollzogene Schlachtung eines völlig makellosen Lammes war ein vom Himmel eingeführtes Zeichen für die erlangte Freiheit und die große Errettung aus den Drangsalen und dem harten Ungemach in Ägypten, ein wohlbegründeter religiöser Brauch, zugleich aber auch ein herrliches Sinnbild für die einstige Ankunft Christi. Was anders hätte der Sinn sein sollen von so vielen Opfern und Opferriten, von immer wieder vergossenem und hingespritztem Tierblut, als zeichenhaft hinzudeuten auf die sich ständig wiederholenden Sünden und die Unreinheit des Menschengeschlechts und als gleichzeitig hinzuweisen auf die Zukunft: daß Christus dem Vater uns zuliebe geopfert werden würde und wir durch ihn – dadurch, daß er für uns sein eigenes Blut hinschütten und verspritzen würde – gereinigt werden würden von aller Unsauberkeit –, was er [Gott] auch schon zuvor in aller Deutlichkeit verheißen hatte? Was waren der Sabbat und mit ihm die anderen festgesetzten Feiertage anderes als Erinnerungszeichen an die göttliche Ruhepause und die Fülle von Wohltaten gegen das Menschengeschlecht, die damals nämlich allein schon gegenüber den Juden bedeutend waren? Ja noch mehr: sie lehrten, daß in das aufgeregte Herz Ruhe einkehren solle; [sie lehrten], Mißhelligkeiten wie glückliche Umstände aus Gottes Hand zu erwarten, [und sie lehrten], daß mit Taten, Worten und dem Geist nur ins Werk gesetzt werden kann, was der Schöpfer ohne allen Zweifel bestimmt und festgesetzt hat. Wozu sollte ich noch die übrigen Riten und die sehr zahlreichen Zeichen anführen, die der Vater dem Wort beigesellt und den Propheten zugestanden hat, damit das Volk mit seinen Willensentscheidungen möglichst gut vertraut wurde? Dies ist ein unermeßliches Meer und betrifft auch nicht unser Zeitalter. Wie es nun aber dereinst seine [Gottes] Praxis war, dem Volk Zeichen zu geben, den Glauben und das flüchtige Wort durch das Ritual einzuüben, bis Christus, der Könige König, sein Amt angetreten und der Welt den Vertrag des Neuen Bundes unverbrüchlich bestätigt haben würde, |
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<139> Sic Rex ipse (licet fragilis iam cederet umbra, |
so hat, aus den gleichen Gründen, der König selbst, obgleich er
alsbald als zerbrechlicher Schatten entwich und der vom höchsten
Himmel herabgesandte Heilige Geist die Wahrheit in die Herzen
einsäte, Bräuche und ganz wenige Zeichen, nämlich zwei an der Zahl,
gestiftet. Erstens, daß man die aufrichtig Gläubigen in der
Wasserflut taufen solle auf des himmlischen Vaters, des Heiligen
Geistes und seinen eigenen Namen, damit alle Getauften sich bewußt
würden, daß sie schon erlöst seien und daß sie, auch wenn sie für
die Welt tot seien, für den König des Himmels doch lebten, daß sie
dem Fürsten der Sünde und des Todes nichts schuldeten, da sie ja
vollkommen reingewaschen seien durch das Blut Jesu. Diese Gaben
prägt die heilige Taufe den Frommen ein; und sie erinnert alle an
ihre Pflicht und das künftige Leben und festigt und vergrößert die
Hoffnung auf eine Auferstehung mit dem Wort. Zweitens hat er mit
der Darreichung von Brot und Wein – als Zeichen seines zerbrochenen
Körpers und vergossenen Blutes – das Abendmahl eingesetzt, damit
wir in der in seinem Namen einträchtig zusammengetretenen Gemeinde
seines heilbringenden Todes und der engen Freundschaft zwischen
jenen beiden, [seinem] glückhaften Körper und [unserer] Seele
nämlich, gedächten, insoweit wir wahrhaft in ihm selbst leben und
er seinerseits in uns, damit wir mit ihm in Ewigkeit unversehrt
überdauern. Genau das gleiche hat er auch mit dem Wort gelehrt und
befohlen, daß man es lehre als die Hauptartikel des Neuen Bundes
und Zeugnisse des Lebens; dennoch hat er mit Rücksicht auf die
Unzulänglichkeit des Fleisches und das allzu träge
Auffassungsvermögen für die himmlischen Dinge einen sichtbaren
Ritus hinzugefügt. |
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<140> Quippe hoc molimen pravum et temerarius error. |
Dies wäre allerdings ein abwegiges Unterfangen und ein riskanter
Fehltritt. Im Lichte des Neuen Bundes sind es genug der Zeichen,
wenn wir die zwei bewahren, wie es uns ihr Urheber gelehrt hat.
Nicht uns, die wir alles in deutlichen Worten erfahren, sondern den
Juden steht es an, mit vielerlei Figuren herumzuhantieren und das
Heilige unter Verkleidungen und einer dicken Umhüllung verborgen zu
betrachten und einen darin versteckten Christus zu suchen. Wenn du
diese [zwei Zeichen] von Verunreinigungen und Firlefanz befreit
hast – falls etwa überflüssiger Eifer der Vorfahren derlei
hinzugefügt oder es sich unter einem anderen Vorwand eingeschlichen
hat –, so bemühe dich, sie unverfälscht zu bewahren, damit du die
heiligen Verkleidungen nicht wiederum mit einer Beimischung von
Schmutz – und dies erneut im Namen des Herrn – verkaufst. |
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<141> Quapropter si quando doces aut sacra ministras |
Wenn du daher jemals lehrst oder öffentlich Gottesdienst abhältst, gehe in ehrbarer Kleidung einher, damit du dich nicht wegen eines abenteuerlichen Gewandes vor den Kindern lächerlich machst oder dich Schwachköpfen als Gegenstand der Bewunderung darbietest und bei Gescheiten den Eindruck erweckst, du seist nicht ganz bei Verstand und von alberner Hoffart oder führtest im Kostüm eines Schauspielers ein kleines Theaterstück auf. Es besteht kein Grund für dich, was den äußeren Aufzug betrifft, die jüdischen oder salischen Priester, die Bacchantinnen oder die phrygischen Kybele-Priester nachzuahmen oder mit den Flamines (Eigenpriestern) der Römer in einen Wettstreit eintreten oder den Isis-Priestern in Memphis in nichts nachstehen zu wollen – mit Gewändern, die beim Volk ungebräuchlich sind, mit einem wundersamen Turban oder einem häßlich geschorenen Kopf oder einem Frauenkleid. Vieles dergleichen tut sich in den Kirchen, wie du siehst, mit großem Gepränge hervor, damit das Volk etwas zu bestaunen hat. Dabei behaupten sie aber, damit man sie nicht für vollkommen verrückt hält, daß solcherlei auf die größten Mysterien hindeute, und plagen sich sogar ab, dies alles mit belachenswerten Büchern zu beweisen. Sie plagen sich umsonst! Wer Christus kennt, dem deutet es auf einen hohlen Kopf hin, auf berüchtigtes Blendwerk von Zauberern und auf Anzeichen gottlosen Aberglaubens. Entferne von deinen Kleidern alles Zeichenhafte; wir dürfen das Volk weder mit unseren Flausen noch mit unserem Gewand belehren. Ich empfehle dir die Lehre und das Wort des Heils und die beiden heiligen Zeichen, die ihren Ursprung im Himmel haben. Bewege dich in der Kirche in schlichter Kleidung und Aufmachung und bezeichne und trage deinen Talar nicht als ein Heiligtum, an dem man, was Stoff, Schnitt und Farbe betrifft, überhaupt nichts ändern oder entfernen darf. Ein Lehrer, der sich anschickt, die freien Herzen von Christen zu leiten, muß in solcherlei Dingen frei sein. |
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<142> Ne misera aedificet doctrinae elementa vetustae, |
Er errichte nicht die kläglichen Fundamente einer alten Lehre
und trachte nicht nach dem gegen den Willen Moses’ seines Inhalts
beraubten levitischen Kult, von dem uns Paulus und der Erlöser
Christus zurückhalten. O wir Entarteten! O, wie hat uns die
altehrwürdige Richtschnur verlassen! Von wie läppischen Flausen
lassen wir alle uns leiten! Wie schnell lassen wir uns von jeder
menschlichen Pracht gefangennehmen! Wie befolgen wir auch niemals
die Verfügungen des apostolischen Rates, obgleich wir uns selbst
für apostolisch und gerecht halten! Und wie reden wir immer von
einer katholischen Kirche! Katholisch ist an dem, was gewisse Leute
errichten und denen, die nach dem Heimkehrrecht zu Christus
zurückgekehrt sind, aufzubürden suchen, allein die Gottlosigkeit,
nicht die Frömmigkeit und der Glaube! Schau du dich aufmerksam um
und wäge sorgfältig prüfend ab, was mit Sicherheit Christi Eigen
und was dem menschlichen Hirn entsprungen ist. |
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<143> Quorum esse auditor nequeat nec denique iudex? |
die es nicht aufnehmen, geschweige denn beurteilen kann, taub beiwohnt? Berufe dich hier nicht auf die alte Gabe der Zungen, von der auch schon längst keine Beispiele mehr vorhanden sind! Dem im Wort und Glauben noch unerfahrenen Volk war es von Nutzen, daß der Heilige Geist die Glaubensinhalte durch verschiedenerlei Gaben unwiderruflich besiegelte und Jesus Christus in allen Sprachen beglaubigte. Ja es war sogar mehr noch den Heiden als Zeichen von Nutzen: insofern, als sie nun wußten, daß der Himmel Christi Lehre bestätigte, wie es offenbar wurde am Morgen des stark besuchten Pfingstfestes. Doch der vom Heiligen Geist beflügelte Paulus verbietet es, daß jemand in einer gottesdienstlichen Versammlung das gleiche Verfahren anwendet, es sei denn, ein sachkundiger Übersetzer erläuterte den Vortrag. Er hatte nämlich – nach dem Willen des Heiligen Geistes – in allen Dingen den Vorteil des ungeschulten Volkes im Auge. Wozu sollte es denn auch zusammenkommen, nachdem es dem Gebot entsprechend die Gottlosigkeit abgelegt hat, wenn ihm daraus keinerlei Nutzen erwächst? Wenn es von dir überhaupt nicht profitieren kann, weil deine Rede ihm völlig unverständlich ist? Weil nur du selbst verstehst, was du singst und betest, ja vielleicht nicht einmal du! Weil es dich so hört wie der Esel das Saitenspiel und verdutzt ist, daß es nur eine Stimme hört ohne Sinn und nicht weiß, warum und wann es mit „Amen“ antworten soll! Wenn du die Volkssprache beherrschst, dann wird man dich für nicht ganz gescheit halten, wenn du dich ihr nicht anbequemst, sondern ein ihr fremdes Gemurmel und Geschrei erhebst, gleichsam als seist du dorthin gekommen, um nur den Wänden, den Steinen und dem Holz dienstbar zu sein. Wenn du sie nicht beherrschst und trotzdem vor der Gemeinde reden möchtest, dann sollte ein geeigneter Übersetzer dabei sein; wenn dies nicht der Fall ist, so schweige und halte das Volk nicht sinnlos zum Narren. Ich habe dich schon öfter dazu ermahnt und muß dich immer wieder dazu anhalten, daß du stets auf die Belehrung und den Nutzen des Volkes |
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<144> Intentus, tua non quaeras, ut iura ministri |
bedacht sein, daß du, wie es das bürgerliche Recht für einen Diener vorschreibt, nicht das Deine suchen sollst. Präsentiere dich also nicht als ein stummer Pantomime und wilder Mimiker mit albernem Gebärdenspiel. Es geziemt sich, daß du Mund und Zunge besitzt und einen Verstand, der sich auf die Lehre versteht, und daß du nicht als vierte Person vor das Volk hintrittst, um vor ihm nur mit blödsinnigen Gesten ein Possenspiel aufzuführen, indem du tausend Kreuze malst, die Arme ausstreckst wie ein Gekreuzigter, bald den ganzen Körper beugst, bald die Knie krümmst, bald dein Lager nach Norden, bald wieder nach Süden hin ausrichtest und im Herumdrehen die vier Himmelsrichtungen in Augenschein nimmst, indem du bald auf den Kelch und die Schüssel, bald auf das Buch, bald auf das Glas, das Wachs oder bleiche Knochen umschließt, Küsse heftest und indem du mit einer Handbewegung befiehlst, daß jedermann in der Runde, sogar – schändlicherweise! – den ranghöchsten Monarchen, die Buchstaben und Abbildungen einer goldgeschmückten Handschrift oder ein Stück von einem alten Schuh und einer klaffenden Hirnschale oder ein über und über mit schwarzem Blut besudeltes Leinentüchlein gleichfalls zum Kusse gereicht werden. Indem du bald sitzt, bald stehst, dir bald an die teilnahmslose Brust schlägst, schließlich die Handflächen kreuzweise aneinanderlegst und in Richtung auf die Zuhörer unartikuliertes Gemurmel ausstößt, nachdem du die Luft ins Leere hinein mit drei Kreuzen bemalt hast. Ich sage: man darf kein Possenspiel treiben, sondern muß mit lebendiger Stimme lehren. Solche Pantomimen wollten seinerzeit weder der Lehrer selbst noch die Scharen der Apostel. Sie haben den Dienern das Wort und die Lehre und die Erforschung der Schrift anempfohlen und ihnen schließlich ans Herz gelegt, alles aufzubauen und in der großen Mehrzahl Propheten zu sein und dafür zu sorgen, daß Gottes Wort überall in reicher Fülle fließt, so daß jeder leicht in der Lage ist, seines Nächsten Lehrer zu sein. Nachdem aber schrecklicher Ehrgeiz, |
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<145> Invidia et vehemens cepit[34], magna et
sitis auri |
heftige Mißgunst und große Gier nach Gold von hochangesehenen Pflanzern Besitz ergriffen haben, nachdem diese sich bemühten, die größten Persönlichkeiten hinsichtlich Reichtum, erhabener Denkungsart, Hoffart und üppigem Luxus zu übertreffen, und die eitle Gunst der Welt ihnen mehr wert war als Christus, [mehr wert] auch als die Gebote der Apostelgemeinde, als die himmlische Satzung des ihnen aufgetragenen Dienstes, sind alle geistlichen Dinge zugrunde gegangen, ist der glühende Eifer zum Lehramt erloschen. Betört vom Duft einer üppigen Küche haben sich hervorragende Landbauer auf weltliche Dinge geworfen: sie erachteten es als etwas Vortreffliches, ständig Königspaläste zu umkreisen, hingegen als etwas Scheußliches, sich in der Kirche sehen zu lassen und die armseligen Geschäfte des verachteten Christus zu besorgen. Unterdessen setzten sie der Gemeinde an ihrer Stelle wissenschaftlich ungeschulte, in der Rede unbeholfene, eher für den Pflugsterz als für das Lehramt taugliche und vollends Christi unkundige Leute vor. Da wurde aus vollgefüllten Lastwagen Tändelkram hervorgeholt, der teils schlechterdings heidnisch, teils dem verkommenen jüdischen Sumpf entlehnt war, so daß heute kein Lehrer lehrt, sondern ein Mime mimt und die Mysterien – so als sei er stumm – auf gestische Weise vorträgt. Darin, was unverdorbene Riten sind, lasse dich von der Urkirche belehren! Und auch die große Übereinstimmung in den Auffassungen, die über Jahrhunderte hinweg bestanden hat, hindere dich nicht daran, die Quellen selbst aufzusuchen und für den mit der Kenntnis Jesu für das Volk verbundenen Nutzen Sorge zu tragen. Es wird für das Volk von Nutzen sein, wenn du alles in einer ihm bekannten Sprache vorträgst und nicht gewisse Dinge wie die Mysterien der Ceres im verborgenen hältst und dergestalt diejenigen, die der Retter Christus erlöst hat, verwirfst als gleichsam des Wissens Unwürdige und Gottlose. Was, o gerechter Gott, ist verbrecherischer und ruchloser als dies? Soll der Knecht den Herrn verachten? Der Diener sein Volk und seinen Herrn? Mit dir zusammen singe es Psalmen und lobe es den Donnerer. |
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<146> Et quaecunque ex te patulas accepit in aures, |
Und was immer es von dir offenen Ohres aufgenommen hat, das
bewege es in seinem Herzen und forme es zu süßen Weisen und Worten,
und einstimmig und einmütig lasse es in der Gemeinde und zu Hause
und mitten in der Arbeit Gott Lobgesänge erschallen. Du könntest
das Wort und Christus, den Stifter des Heils, nicht auf
trefflichere Weise einsäen und tief ins Herz einprägen. |
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<147> Pluris apud te sit quàm millia multa malorum. |
sei dir mehr wert als viele tausend Bösewichter. Gewinne du mit
deiner Amtstätigkeit den Beifall Christi und der Heiligen; bei den
Bösen Mißfallen erregt zu haben, bedeutet gerade höchstes Lob.
Fordere immerhin alle auf, die festgesetzten Zeiten einzuhalten,
zahlreich zum Wort Gottes und zum Gottesdienst zu erscheinen und
die zu ihrem eigenen Besten eingerichteten Riten nicht leichtfertig
fahrenzulassen, damit niemand den Ruf auf sich lädt, ein Verletzer
von Ordnung und Frieden zu sein, und als ein Gesetzloser alle mit
seiner Krätze ansteckt und grundlos Anstöße schafft. Tue aber ja
niemandem Gewalt an, denn Zwang ist etwas Verkehrtes. Fahre nur
geradlinig fort in deinen wohlgeordneten Geschäften! |
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<148> Omnia solvebat grates ibatque precatum |
Dank und begab sich zu demütigen Gebeten zum Tempel bald der keuschen Diana, bald der Venus, bald Merkurs, Apollos und Jupiters, bald des Mars, des Janus, der Ceres, der Juno und der Ops. Hüte dich, dies nachzuahmen! Stelle diese Spielereien den Heiden anheim und überlasse ihre alberne Weise des Betens einem aberwitzigen Hirn, das über keinen in sich gefestigten und gesicherten Glauben verfügt, sondern sich nach allen Richtungen neigt. Wir haben [nur] einen einzigen Gott und Erhalter: Jesus, der Himmel und Erde erfüllt und überall gegenwärtig ist, der durch keinen Ort begrenzt wird und niemals [irgendwelche] irdischen Kirchen in der Weise hochschätzt, daß er gewissermaßen in diesen seine göttliche Macht wirksamer spielen läßt oder doch wenigstens diese eine Kirche gegenüber jener stark bevorzugt. Er hört die Seinen überall, wenn sie aus ganzem Herzen zu ihm rufen und keinerlei Hoffnung auf Hilfe in sich selbst oder ihre Werke setzen. Wenn ihm auch das Gebet eines einzelnen willkommen ist und viel bewirkt, so erfährt doch das Gebet, das von einer einträchtigen Gemeinde her an sein geneigtes Ohr dringt, eine noch gnädigere und zupackendere Aufnahme. Frage also nicht danach, mit welchen Menschen, an welchem Ort und wann du betest. Führe auch das Volk nicht durch die Felder und über lange Wege in der Umgebung und laß es auch nicht durch die kotigen Gassen zu Tempeln tauber Götter und stummen Götzenbildern schleichen. Schreite nicht hier und dort unter Gesang und Gebet in einem geradezu gespensterhaften Umzug und gleisnerischen Triumph einher. Ziehe nicht von einer Kirche in die andere, um zu Gott zu beten – so als könne oder wolle er in nur einem einzigen Gotteshaus nicht gnädig gestimmt werden. Was du glauben und hoffen und worauf du in deinem tiefsten Innern vertrauen kannst, das wird recht gut zu erkennen sein an allen Riten, die du dir angeeignet hast, und an einer geringfügigen Zeremonie in deinem Gottesdienst. Nimm dich also höchlich in acht, daß du ja nicht etwas einführst, was der Lehre, die du bekennst, |
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<149> Adversa instituas aut respondentia pravè. |
entgegengesetzt ist oder übel mit ihr harmoniert. Dies wird dir um so schlechter zu Gesicht stehen, als du vorher ruchlose Riten beseitigt und dich als einen Feind der Gottlosigkeit bezeichnet hast. Begnüge dich mit schlichten und wenigen Dingen und verhindere es, daß sie die Herzen mit irgendwelchen nagenden Zweifeln heimsuchen und in Aberglauben ausarten. Die unbesonnene Menge treibt allmählich alles auf diesen Punkt und verwandelt das heilbringende Brot unter dem Einfluß Satans in grausigen Schierling. Auf Geheiß des Herrn verfertigte Moses dereinst eine Schlange – als edles Sinnbild Christi, der einst kommen würde, um die schnell wirkenden Geschosse des verdienten Todes zu vernichten. Was soll ich sagen? Am Ende begann das Volk, sie in ruchlosem Frevel anzubeten und ihr mit Weihrauch zu huldigen. Wozu soll ich das Götzenbild Michas und die Ohrringe Gideons erwähnen? Obwohl sie mit der Anfertigung von derlei für sich selbst, im eigenen Hause, sündigten und es nicht ins Volk trugen, nahm dieses sich doch ein Vorbild daran und sündigte seinerseits. Um so mehr sei auf der Hut, daß du nicht mit harmlosen Dingen Anstöße schaffst, ja stelle eben gerade mit kundigem Blick fest, was harmlos ist. Dinge, die mit Gottlosem verknüpft sind, die ein ruchloser Brauch längst schon besudelt hat und die offenbar noch einen beträchtlichen Anstrich von Üblem aufweisen, können nicht harmlos sein. Unter diesem Vorwand kannst du weder gewisse alte Riten noch Götzenbilder noch die vielen sonstigen Possen rechtfertigen. Wir sind genugsam darauf hingewiesen worden, mit welcher Vorsicht heute zu Werke gegangen werden muß, da in der Regel auch das Beste sich ins Schlechtere verkehrt und das Volk sogar an dem Schlechtesten verbissen festhält und den einmal gekosteten Schleim fortgesetzt belobigt. Also bereite dir jede Zeremonie Kopfzerbrechen! Laß dein Herz nicht so von den Riten der Nachbarn einnehmen, |
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<150> Ut tibi constituas illos omnino tenendos, |
daß du beschließt, sie zur Gänze zu übernehmen, mögen die Nachbarn dies auch verlangen und behaupten, du seist nur ungefügen, eigensinnigen und heftigen Geistes – so wie manche Leute, die um Lappalien harte Kämpfe ausfechten. Übernimm das, was du als deiner Gemeinde und deiner Gegend angemessen erkennen wirst. Für Dörfer und volkreiche Städte ist niemals das Gleiche gut geeignet. Was hier nützt, ist dort sehr hinderlich. Was sich für diese Gemeinde geziemt, gereicht jener hingegen alsbald zur Schande. So wie Deutschland keine ergiebigen Feigenbäume, keine milden Oliven, keinen Zuckersaft und keine goldenen Äpfel hervorbringt – was alles in seinen Heimatregionen aufs prächtigste wächst – und wie nicht überall Äcker und Weinstöcke nach der gleichen Methode kultiviert werden und für verschiedene Böden nicht alles gleich zuträglich ist, obwohl ihre Bestellung überall der Ernährung dient, ebenso wird sich – wegen des Unterschieds der Charaktere, Sitten und Gegenden – die gleiche Zeremonie nicht für alle eignen, obwohl nur eine einzige Methode, das ewige Heil zu erlangen, festgesetzt wurde, obwohl allen der Glaube, die Taufe und das heilige Abendmahl gemeinsam sind und das Wesentliche unberührt bleibt. Doch was immer zu ihm hinzutritt, stehe mit ihm erstens nicht im Widerspruch; zweitens darf es so geändert werden, wie es nach deinem Erkenntnisstand dem Volk und der Lehre frommt. Es ist auch nicht nötig, das Urteil einer großen Synode abzuwarten. Wie denn? Dir wurde doch – als jemandem, von dem man meint, er kenne Christus und den Glauben – die Fürsorge für das Wort anvertraut: und da sollte es dir verwehrt sein, simple Bagatellen abzuändern? Verwehrt, sie nicht grundlos, sondern um des Heils willen abzuändern, um so der Ausbreitung Christi und aller übrigen göttlichen Belange auf schlechthin wirksamere Weise dienlich zu sein? Das möchte gewiß eine große Kränkung sein. Eine solche tut man aber jetzt den Knechten Jesu an! Worum geht es denn bei dem heute mit Hitze betriebenen unheilvollen Trauerspiel? |
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<151> Num veterum fidei velluntur symbola patrum? |
Werden etwa die Glaubensbekenntnisse der alten Väter ausgerottet? Es treten doch wohl nicht etwa die Lehren eines Diagoras oder Epikur auf den Plan? Werden etwa der Vater oder der Sohn der ihnen gebührenden Ehre beraubt? Wird vielleicht der segenspendende Heilige Geist von der Liste der göttlichen Dreifaltigkeit gestrichen und wird zugleich gelehrt, daß der Sohn keinen Anteil an ihm habe? Wird etwa die zutreffende Unterscheidung zwischen ihren Wesenheiten geleugnet? Werden etwa gegen die göttlichen Lehren schlimme Sitten gesät? Wird etwa verkündet, es gebe keine Auferstehung der Toten? Nichts dergleichen ist es, was in diesem Zeitalter rohen Kriegslärm erregt, nicht um dessentwillen fährt diese Argo nach Kolchis, brennt diese bewaffnete Macht darauf, das trojanische Reich zu zerstören! Es geht um ein anderes Vlies, eine Tyndaride, die weitaus schöner ist als die erste: um viele Talente geläuterten Goldes nämlich, die erworben wurden mit menschlichen Flausen, schlimmen Erdichtungen, Gottlosigkeit, Kulten, Riten und albernen Kutten. Da ferner die auserlesenen Helden die Strahlen des göttlichen Lichts und den Anblick der machtvollen Wahrheit selbst nicht zu ertragen vermögen, fletschen sie die Zähne und bemühen sich mit aller Kraft, ein Fellchen von so hohem Wert zu gewinnen, ja sogar für sich zu behalten, und sind der Auffassung, daß es ein Frevel und ein ungeheurer Verlust für ihre Bäuche wäre, eine so schöne Helena fahrenzulassen. Also kämpfen sie beharrlich auf Leben und Tod mit Feuer und Schwert. Wer verwunderte sich darob nicht? Wer erkennte darin nicht eine verborgene Absicht Satans und Anschläge seines widerwärtigen Regiments? Er hält die Herzen der Menschen besetzt mit Lügen und schnödem Profit und behauptet, daß sie das Heil nur erlangen könnten, wenn sie an diesen festhielten, so daß uns Kraft und Muße fehlen, um unseren Blick auf die Hauptsache selbst und das Wesentliche, Jesus nämlich, zu richten. Wie er weiß, ist alles übrige keinen Pfifferling wert, wenn man diesen etwa übergeht. Man kann sich nicht gut um vielerlei gleichzeitig kümmern. Und wenn wir |
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<152> In vestes, aras, cantus, vexilla crucesque |
auf Gewändern, Altären, Gesängen, Fahnen und Kreuzen und anderem Schnickschnack unsere Frömmigkeit und Heilserwartung aufbauen, wie es heute unter großem Getöse und mit blutigen Händen geschieht, so daß es als ein ungeheures Verbrechen gilt, etwas davon abzuschaffen oder um des Glaubens, der Menschen und der Gegend willen zu verändern – kannst du da noch zweifeln, daß die göttlichen Dinge zugrundegehen und im Stich gelassen werden, wie es einst den Pharisäern bei den Juden zugestoßen ist? Was immer du beibehältst, festsetzt oder schließlich abänderst: richte deine Segel nach Christus und dem unverfälschten Glauben aus! Wenn etwa der Wind sich verweigert, so suche mit dem Ruderwerk dorthinzukommen. Weder die Sirenen noch die sehr zahlreichen Meeresungeheuer noch ein stürmischer Süd, der dir entgegenbläst, mögen dich auf einen anderen Kurs lenken. O, wie große Früchte wird dieses energische Handeln einst zeitigen! Wie sehr wirst du frohlocken – und zugleich das dir einst anvertraute Volk –, sobald die Segel endlich den ersehnten Hafen erreicht haben werden! Es wird dir nicht leid tun um die Herden von Großvieh und Kleinvieh, die die Freier verzehrt haben; du wirst auch nicht als völlig Unbekannter kommen und zuerst von einem Schweinehirten beherbergt werden; es wird keine lästige Meute junger Hunde geben, und schließlich werden dir nach den gegenwärtigen Kämpfen zu Hause keine neuen bevorstehen. Vielmehr wird dich der Vater mit unendlich heiterem Antlitz empfangen, und Jesus wird dir, wenn du kommst, entgegeneilen, dich als einen guten Bekannten in herzlicher Umarmung mit sich führen und dich an seinem sanften Busen und in friedvoller Stille erquicken. Alle himmlischen Heerscharen werden fröhlich Beifall klatschen, und heller als die Sonne wirst du im Himmelspalast erstrahlen und für alle Zeit der stattlichen Tafel Christi für würdig befunden werden. Auf also! Solange Lachesis dir den Lebensfaden spinnt, bemühe dich, daß du nicht der Welt – mit eitlen Flausen und schändlichen Possen –, sondern Christus wohlgefällst und mit der unverdorbenen Lehre immerfort seinen Ruhm beförderst, ihm |
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<153> Adducas populum constanti limite veri, |
das Volk zuführst auf dem unveränderlichen Weg der Wahrheit,
durch den Gebrauch der Sakramente und durch Riten, die dem Streben
nach wahrer Frömmigkeit und bestem Handeln dienlich sind. |
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<154> Diximus eximiis servandos esse colonis. |
zu verhalten haben. Laß dich nicht durch Wut oder allzu hitzigen
Zorn oder aus Haß oder Liebe zu irgend jemandem oder aus einem
persönlichen Interesse dazu hinreißen, daß Ungestüm dich aus der
Bahn wirft und du etwas sagst, was man wieder ausspeien muß. Von
Zornigen und von Menschen, die Ehrgeiz treibt, kommt nichts Gutes;
in der Regel schießen sie über das hinaus, wozu sie verpflichtet
sind, und richten Schlimmes an. Was bewirken sie in den geistlichen
Dingen? Sie besudeln alles mit Unflat und verteidigen Christi Sache
nicht auf Christi Art – was in unserem Zeitalter allzu sehr in
Schwang gekommen ist. Doch wozu bedarf es des Zorns? Wozu
schlangenmäßigen Giftes? Wozu muß man viele Kübel mit Schmähungen
ausgießen? Der mildeste aller Könige wünscht nicht, daß man ihn auf
diese Art verteidigt. Führe die Schrift ins Feld, betreibe deine
Sache mit unerschütterlichen Beweisgründen! Deine Worte und deine
Miene mögen eine Christi würdige Besonnenheit offenbaren. Flehe im
Gebet zu dem höchsten Donnerer und gleichzeitig zu dem Hirten
selbst, dessen Knecht du bist, Jesus nämlich, daß er selbst die
einzigartige Herde und ihre unverdorbenen Futterkräuter erhalten
möge. Wenn du hiermit gegen den Rachen des Wolfs nichts ausrichten
kannst, gib deine Sache völlig in Gottes Hand. Man wird es nie an
einem Knecht loben können, wenn er bei irgendeinem Auftrag mehr tut
oder anders vorgeht, als der Herr ihn geheißen hat. Heutzutage
wüten manche Leute fort und fort mit solchem Ingrimm, als habe der
Lenker des Himmels Lehre und Glauben, die Sakramente, die Seelen
der Menschen und Erde und Himmel ihnen selbst, als ihr persönliches
Eigentum, überlassen. Meide die Fußtapfen dieser Leute, soviel du
nur vermagst, und orientiere deine Arbeiten an den Geboten
Gottes. |
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<155> Tradita dona tibi, calamo ut servire diserto |
die Gabe verliehen worden ist, sehr vielen Menschen – nicht nur denen, die du kennst, sondern auch denen, die dir unbekannt sind und in einem anderen Land wohnen – mit gewandter Feder zu dienen und hiermit durchaus nicht nur den Zeitgenossen, sondern vielleicht auch den späten Enkeln nützlich zu sein (worauf die Pflanzer auch meist bedacht sind), dann entziehe dich dem nicht etwa träge und säume nicht, dich nützlich zu machen. Du hast dich dem Herrn ganz geweiht – mit deiner Zunge und deinen Händen. Du begehst eine Sünde, wenn du dich nicht ganz für ihn verausgabst, wenn dir die Integrität der Nachwelt nicht am Herzen liegt. Denke hierbei nicht soviel darüber nach, daß deine Arbeit eines Tages vielleicht umsonst sein könnte und deinem teuren Ruf alsbald Gefahren drohen – die Gefahren, die sich aus dem Bücherschreiben ergeben, sind gewöhnlich nicht gering. Du hast nämlich Eigenliebe und Ichbezogenheit abzulegen und die Emsigkeit deines Geistes nur Gott zu widmen. Auch die Anstrengungen, die man mündlich unternimmt, sind nicht immer von Erfolg gekrönt, und das lautere Bekenntnis zu Christus begegnet sehr leicht der Mißgunst, ob es nun abgelegt wird mit Hilfe der Zunge und der tönenden Stimme oder vermittels einer geschulten Feder und der Abfassung von Büchern. Hierüber mußt du dir von Anfang an im klaren sein. Schämst du dich etwa der Wahrheit und des Retters Jesus? Graust es dich etwa vor der Heraufkunft von tausenderlei Gefahren? Dies steht schon einer frommen Herde nicht an, geschweige denn dem Hirten, dessen Fürsorge der Schafstall, das Wort und der Glaube anvertraut worden sind. Quält dich bei deinem Entschluß, keine Bücher zu veröffentlichen, etwa die Furcht des Antonius, der gestand, daß er seine Angelegenheiten deshalb keinem Brief anvertraue, damit er notfalls in der Lage sei, früher getane Aussagen abzustreiten und das Gegenteil zu behaupten? Unserer Meinung nach darfst du Gottloses, Falsches und keinerlei Nutzen Spendendes jemals weder sagen noch schreiben! |
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<156> Ergo prius longo discendum examine verum, |
Also mußt du dich in weitläufiger Nachforschung der Wahrheit versichern, bevor du die geistliche Kanzel besteigst und Bücher verfaßt. Sollte dir dennoch – da Irren dem Menschen angeboren ist – etwas Falsches und sehr Schädliches entschlüpft sein, so wirst du es in einem nachfolgenden zweiten Anlauf besser abhandeln. Das ist keine Schande! Wer ist denn von makelloser Vollkommenheit? Wer hat sich mit Zunge, Feder und Hand noch nicht vertan? Wirst du vielleicht überhaupt nichts tun, reden, letztlich auch schreiben, um nirgendwo zu straucheln und um nachzuweisen, daß du dich über die gewöhnliche Masse der Menschen erhebst? Dies aber ist eine Albernheit und schickt sich nur für Verstorbene. Wenn du dich in Christus auskennst und es deiner Gelehrsamkeit nicht an Redegewandtheit gebricht, so bist du mißgünstig oder verweichlicht oder träge infolge Dickbäuchigkeit (von solchen gibt es, ach, viele in Umkreis der Schafställe!), wenn du nicht alle die Leistungen erbringst, die dir verstattet sein werden. Allen deinen Worten, ganz besonders aber allen deinen Schriften wohne höchste Wahrheitsliebe und die größtmögliche Beständigkeit inne; und hoffe nicht darauf, daß sich ein Grund für dich ergeben wird, dich zu verweigern, mag auch das hochaufragende Himmelszelt die Erde unter sich begraben und mögen auch die Meere zum Himmel und das Erdreich zu den Sternen auffahren. Laß dich auch von der Menge der Schriftsteller nicht abschrecken, so daß du nicht recht daran glaubst, du könntest dich unter ihnen bemerkbar machen. Denke auch nicht so: „O, es gibt schon viel zu viele Schriftsteller! Wozu ist es nötig, daß ich die Feder abnutze und Papier verderbe?“ Hiermit schmeichelt man nur einem trägen und plumpen Verstand! Wie immer die Sache abläuft: laß nicht nach in irgendeiner deiner Bemühungen! Allen ist aufgegeben, zu arbeiten, doch nicht, für den künftigen Erfolg zu sorgen. Es verdrießt uns auch nicht, unter den vielen Lebenden zu leben und zu speisen, während gleichzeitig eine große Schar speist. Die Arbeiten der Vielen müssen uns ein Ansporn, nicht eine Abschreckung sein, |
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<157> Debent, ut libeat torporem expellere tardum, |
damit wir schwerfällige Schlaffheit gern vertreiben, damit nicht wir allein als müßige Last der Erde und Kostgänger erscheinen, die nutzlos die Feldfrüchte nur verzehren, um sich des Schlafes zu erfreuen. Laß dich nicht beeindrucken vom Naserümpfen an den Wegkreuzungen und insbesondere von den Aussprüchen der spöttischen Weisen, die darum kämpfen, daß sie allein Schriftsteller und immer das Ein und Alles sind und sich, angestachelt von blassem Neid, den Talenten der jungen Generation in den Weg stellen. Sie wollen nämlich den Beifall des Publikums für sich behalten und niemandem ein Stück davon abgeben. „Seht nur!“ werden sie sagen. „Da läßt uns doch der Himmel oder wenigstens, was der Wahrheit näher kommt, der Orkus einen neuen Schriftsteller hervorsprießen! Jetzt wird die Welt eine gewaltige Menge lernen müssen! Fort nun mit den alten Büchern, Platz gemacht für die neuen! Haben dir also die Gaben des Bacchus nicht mehr geschmeckt? Hättest du auch nicht länger von Knackwürsten und Pökelfleisch leben und deinen tiefen Schlummer bis in den hellichten Tag hinein fortsetzen können, wenn du nicht schließlich auch uns deine Träume mitgeteilt hättest und darauf versessen gewesen wärst, in der Welt durch gewaltiges Gelächter Aufsehen zu erregen? Was hätten die Hartleibigen lesen sollen, die nur dank deiner Schriftstellerei Stuhlgang haben?“ Mit solchen Sticheleien werden sie sardonisches Gelächter erregen und auch deine besten Schriften verreißen. Laß dich durch ihr neiderfülltes Urteil niemals davon abhalten, gescheite und fromme Schriften zu verfassen und die Sache Christi nach Kräften voranzubringen und auf Lohn aus seiner Hand zu hoffen. Eitel ist der Wunsch nach einem großen Namen und welkem Ruhm, obgleich Ruhmsucht auch die besten Geister kitzelt und sie es herrlich finden, wenn man mit dem Finger auf sie weist – „Da ist er!“ – und sie aus dem Mund ihrer Anhänger überall gepriesen werden. Wenn du von vielen gelobt werden willst und nach Beifall haschst, dann suche dir einen anderen Gegenstand – eine weltliche Wissenschaft. |
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<158> Non est multorum pietas Christusque fidesque, |
Frömmigkeit, Christus und Glaube sind nichts für die Vielen, und den Kindern der Welt sind die himmlischen Dinge in der Regel etwas Verächtliches. Schau du auf Christus! Wenn du, ihn hintansetzend, nach irdischen Gütern verlangst, wird kein Lohn der aufgewendeten Mühe hinlänglich gemäß sein. Während ein einziger dich lobt, werden tausend dich tadeln; vergebliche Hoffnung auf Geld wird dein Gemüt in Betrübnis stürzen, und dein Lechzen nach Menschengunst wird dich lange Zeit in die Irre führen. Wir müssen fleißig die Tugend verehren und dem Geschlecht unseres Vaterlandes nützlich sein, dann werden sich Lob und Ruhm dank Gottes Gnade von selbst und in reichlicherem Maße einstellen, als wenn wir ihnen hartnäckig nachgejagt wären, nachdem wir Gott erzürnt hatten. Sollte er etwa das schwache Windessäuseln von Ruhm und Lob für Verdienste im gegenwärtigen Leben fernhalten und eher Schimpf, Gelächter, Flucht und hundert Gefahren für Gut und Leben bereiten, so darf nichts das Herz beklommen machen. Er, der selbst der zuverlässigste Zahler ist, wird dich nicht betrügen, sondern dich mit noch vorzüglicheren Dingen beschenken, wenn er Satan und sein bösartiges Gefolge aus der Welt vertrieben haben wird. Doch – verlaß dich drauf! – der Trieb zum Schadenbringenden wird nicht so weitreichend sein, daß überhaupt niemand uns Beifall zollt, uns anerkennt und Gott in irgendeiner Form für unsere Arbeit dankt. Solange Christi Name auf unserer Erde Bestand haben wird, werden immer zwei oder, wenn die Sache schlecht steht, wenigstens einer da sein, der die getreulichen Diener Christi verehrt und liebt, sogar wenn er sie nur von ihren Schriften her kennt und ihre Arbeit nur aus der Ferne verfolgt. Dieser wird Gott Dank sagen, dieser wird darum beten, daß dein Leben in glücklichen Bahnen verläuft und dir nach dem Tode das ewige Leben zuteil wird. Wie hoch bewertest du jene Sache? Sollen doch der Jude Paulus verachten, die Türken ihn nicht kennen, der Einwohner des riphaeischen Gefildes sich gar wenig aus ihm machen und das uns kürzlich bekannt gewordene Amerika |
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<159> Cognita suspiciat: nos verò novimus atque |
ihn nicht verehren! Wir jedoch kennen und verehren ihn als das
auserwählte Werkzeug unseres Christus; aus seinen Schriften
schöpfen wir bis heute die Samen wahrer Frömmigkeit, und um
seinetwillen bringen wir Gott dem Herrn den Weihrauch von
Lobpreisungen dar und zollen wir ihm in Ewigkeit großen Dank. Also
mag ruhig jeder Verächter Jesu dich verachten! Was tut’s? Allen
seinen Freunden wirst du trotzdem lieb und wert sein, und im
Himmelspalast wird man dich kennen. Dies wird für dich von größerem
Wert sein, als wenn ganz Gargara und die ungeheure Heerschar der
Bösen und Satans dich rühmten. |
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<160> Cinnama pro mercede refert mercator ab Indis, |
Der Kaufmann bringt von den Indern Zimt zu seinem Profit nach Hause; um seiner Löhnung willen sucht der Soldat harte Kriegshändel auf, wohnt er im Lager und schreitet er bewaffnet gegen den Feind. Jeder einfache Handwerksmann lebt von seinem eigenen Schweiß; davon leistet er seiner Familie anständigen Unterhalt, und davon schnarcht er, wenn er auf dem Rücken liegt; keineswegs nämlich schwitzt er umsonst und verschenkt seine Arbeit. Die sanftmütigen Schafe und plattnasigen Ziegen werden nicht geweidet, niemand setzt den Rindern, Pferden und Schweinen Futter vor und mistet die garstigen Gehege aus, wenn nicht Lohn und tägliche Mahlzeit dazu einen Anreiz geben. Die schmutzigen Böden und das Haus werden nicht umsonst gekehrt, und nur gegen Entlohnung spielt der Sackpfeifer zum fröhlichen Reigentanz auf. Wozu erwähne ich das Menschengeschlecht? Sogar die des Verstandes entbehrenden Tiere können uns nicht umsonst dienen! Um seines Futters willen trägt der störrische Esel den Packsattel oder mahlt er mit geschlossenen Augen und schleppt er das Gemahlene wieder zurück. Umsonst hält kein Hund bei unserem Haus Wache; der scharfe Windhund möchte ein Stückchen von der gefangenen Beute bekommen. Das Hündchen schläft und spielt auf dem Schoß der Hausherrin, um Tischgenosse zu sein und köstliche Leckerbissen zu erschnappen. Das Roß trägt den Reiter auf dem Rücken oder zieht knarrende Lastwagen über Berg und Tal und durch schroffe Felsen, um dafür nachts auf einem Strohlager zu schlafen und mit Hafer gefüttert zu werden. Die Katzen stellen den Mäusen zur Zeit der tiefsten Stille nicht umsonst nach, sondern sind auf Nahrung und Unterhalt aus. Wer wird so verrückt, so schlechthin undankbar und unverständig sein, daß er in göttlichen Dingen kostenlose Belehrung annimmt oder verlangt? Der den Diener nicht mit Speise und Kleidung versorgt – und dies füglich mit freigebiger und sehr williger Hand? Oder hat nicht der vom höchsten Himmel gesandte Lehrer |
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<161> Subsidia accepit vitae missisque piorum |
Hilfen für seinen Lebensunterhalt entgegengenommen und die ihm von Frommen geschickten Münzen für sich und seine Jüngerschar verwendet, deren Kassenführer der diebische Judas war? Lazarus und seine lieben Schwestern bewirteten ihn häufig, gern bewirteten ihn Levi und der Zwerg Zachaeus, und noch manche andere nahmen ihn bei sich auf mit Kost und Herberge. Jene leisteten, was sie schuldig waren, und Jesus nahm es an. Wen bewegte nicht das Beispiel eines so heiligen Lehrers? Wer folgte nicht eifrig den Fußtapfen eines unverdorbenen Volkes? Ja er hat auch den Jüngern, die er aussandte, die Geheimnisse seines Reiches zu lehren, vorgeschrieben, sich aller Sorge um ihren Lebensunterhalt zu entschlagen und bei ihrem Dienst keine schwellenden Ranzen, keine zwei Hemden und auch keine Umhüllung der nackten Ferse bei sich zu tragen; er schrieb ihnen auch vor, die schwierige Arbeit nicht auf eigene Kosten auf sich zu nehmen, sondern alles, was ihnen gebühre, aus den Händen der Bevölkerung zu erhoffen: Schuhe, Hemden, Reisegeld in durchaus angemessener Höhe und Speise. Und er fügte hinzu, daß ihnen nach Pflicht und Schuldigkeit gegeben werde, da sie die Arbeit nicht für sich machten, sondern für andere, und für vergängliche Dinge ihrerseits himmlische Gaben aussäten. Solche Gebote haben die Jünger willig befolgt, und es fehlte ihnen an nichts, als sie kreuz und quer herumreisten. Genau die gleichen Anweisungen sandte Paulus nach Korinth. Und wenn er sich rühmt, er habe zu Korinth umsonst gelehrt, so war dies nicht überall seine Gepflogenheit. Er gesteht, er habe andere Christengemeinden beraubt, um jenen umsonst dienen zu können. Er hat Geschenke angenommen, wortreich zu häufigem Geben ermuntert und gemeint, es sei keine große Sache, wenn ein lauterer Lehrer, der Geistliches säe und Christus lehre, das Fleischliche des Volkes ernte. Er hat auch die Galater in der gleichen Angelegenheit dazu ermahnt, |
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<162> Omnis ut auditor verbi communicet omni |
daß jeder Hörer des Wortes alles mit seinem Lehrer teilen solle. Dies habe der Donnerer geboten, der nicht dulden werde, wenn jemand ihn selbst verspotte, indem er auf habsüchtige Art spare und seinem Lehrer nicht das gebe, was er ihm schuldig sei. Hieraus ersiehst du also zur Genüge, daß du nach dem Evangelium deinen Lebensunterhalt verlangen kannst und zugleich nach menschlichem und göttlichem Recht für das Volk eine Verbindlichkeit besteht, reichlich Abgaben zu entrichten. Du kannst dich wahrhaftig nicht der Heiligen Schrift widmen und in Wort und Schrift deinen Dienst versehen, wenn du zugleich mit deinen Händen die Hacke führen mußt, wenn du mit gezähmten Jungbullen das ausgedörrte Erdreich wenden mußt, wenn du am Amboß stehen und mit erhobenen Händen das Eisen fachgerecht schlagen oder im Gewölbe einer niedrigen Kammer mit einem abgenutzten Weberschiffchen Stoffe weben mußt, wenn du Leder gerben und daraus Schuhe machen oder gesenkten Antlitzes Mäntel oder Hemden nähen mußt, wenn du Wagen oder Karren zu bauen oder Weinfässer zu verfertigen oder unablässig mit deiner Hände Arbeit für etwas anderes zu sorgen hast. Der göttliche Plato hat einst verkündet, daß es nicht gut sei, wenn ein einzelner verschiedene Arbeiten verrichte. Die eine nimmt er nämlich auf sich, und dabei hält die andere ihn auf und behindert ihn. Die Sorge für das Wort erfordert den ganzen Menschen, und zwar keinen faulen, und sie verträgt es auch nicht, daß man irgendeinen Teil seiner Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkt. Die Freunde der Herrschaft Christi werden dir also von sich aus reichlich aufdrängen, was die Notwendigkeit erheischt. Du wirst aber nicht nach Schätzen, sondern nach bescheidenen Dingen verlangen, und dies auch nicht, um sie zu vergraben, sondern um dich und deine Familie davon zu unterhalten, nachdem du unnützen Aufwand von deiner Schwelle vertrieben hast. Indes, o du höchster Beherrscher des gestirnten Himmels, wie wenige Menschen, die dir freund sind, bringt dieses Zeitalter hervor! |
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<163> Quàm veteratoris passim decreta draconis |
Mit wie überaus eifrigem Bemühen befolgen überall das Volk und die Väter die Verfügungen des durchtriebenen Drachen! Wenn es einmal darum geht, gottlose und verkehrte Dinge zu lehren und Christus mit einem eitlen Kult eine Kränkung zu bereiten, wenn etwa ein Aberglaube aufsprießt, wenn Kriege zu führen sind, wenn es vollends darauf ankommt, das ganze Reich Satans zu festigen, dann geben Männlein und Weiblein um die Wette mit beiden Händen ihren Besitz her, und nicht selten wird bereitwillig das ganze Vermögen zwecks Hilfeleistung verausgabt, und dennoch klagt niemand über eine Belastung. Dermaßen hat jedermann allerorten seine Freude an der Gottlosigkeit, die Wahrheit aber läßt alle kalt, und Jesus gilt als eine Null, obgleich er demjenigen, der die Seinen unterstützt, reichen Lohn versprochen hat. Ich klage nicht die in diesen Dingen lediglich ungeschulten Türken an, nicht den nichtsnutzigen und für seine Blindheit berüchtigten Stamm der Beschnittenen und andere vom Ozean umgürtete Völker, die Christi Namen und das göttliche Gesetz nicht kennen: Ich rede von denen, die Christi Namen und Gesetz ständig im Munde führen. Schau nur, wie viele reich ausgestattete Mönchshöhlen blinder Aberglaube und gottloser Kult über die ganze Erde hin hervorgebracht haben, so daß das sichere Vertrauen auf eitles Verdienst gegen Christus ankämpft und der Wahrheit Abbruch geschieht. Du siehst Kirchen, die beinahe den Himmel selbst berühren, erbaut mit unermeßlichem Aufwand und feinem Marmor, außen und innen erstrahlend von Bildwerken, die eines Phidias würdig wären. Die Wand ist mit Gold und schönen Teppichen geschmückt, und von ganz besonderem Glanz sind das Allerheiligste und das Tabernakel. In jeder Ecke gibt es blinkende Götzenbilder und Altäre, Altäre prangend von üppigen Gemälden und Standbildern. Da hängen seidene Gewänder und schimmernder Purpur, ringsumher stehen reiche Weihgeschenke von massivem Gold. |
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<164> Porrò aurum tanti pars est vilissima cultus: |
Doch Gold ist nur der geringste Bestandteil so großen Prunks: Alles erstrahlt von seltenen Edelsteinen, deren Wert und Gewicht nicht leicht anzugeben ist. Die alten Perserkönige, Männer wie Croesus und Midas wirst du der Armut bezichtigen, wenn du sie an so großem Reichtum mißt. Weder eine Kleopatra noch eine Lollia werden diese Pracht so ohne weiteres übertreffen. Daneben weisen Berge und Täler, Privathäuser und das freie Land kleine Kapellen auf, die wahrhaftig nicht Christus, sondern Göttern zu Ehren errichtet wurden. Woher, meinst du, kommen alle diese Dinge von so großem Wert? Jede Gottlosigkeit findet ihren Gewinn und stößt auf willfährige Geneigtheit, da sie unserer natürlichen Wesensart vertraut ist und ihre Lügen unter einem faltenreichen Prachtgewand verhüllt. Die Frömmigkeit hingegen ist verhaßt, weil sie fremd ist, weil sie ohne jede Schminke von Bleiweiß, weil sie schlicht und sehr ernst ist, nicht nach Geld riecht, sich Unwissenden nicht durch äußeren Glanz anpreist und niemandem einen Bären aufzubinden versteht. Wozu sollte ich noch die mit den dicken Bäuchen und mit den geschorenen Schädeln erwähnen, die das Volk nur zum Narren halten und Tag und Nacht mit Gebrüll das Kuppeldach strapazieren, für die Gesänge, lächerliche Gewänder, die Tollheit einer albernen Gebärdensprache Inbegriff größter Frömmigkeit sind? Wozu sollte ich darauf eingehen, wie gut sie leben? Wie reich und begütert sie sind? Wie die Könige und das einfache Volk sie auf Händen tragen? Dabei wünscht niemand für Christus oder die Beschirmer der Wahrheit auch nur einen Obolus. Wenn sie etwas Eigentum besitzen, läuft es tausendfach Gefahr, geraubt zu werden. Der Räuber steht so da, als habe er eine preiswürdige Tat vollbracht: wie wenn er dem Maul des grimmigen Löwen oder dem hungrigen Schlund des Wolfes ein Lamm entrissen habe. Ich kenne einen hochgewachsenen Landeshauptmann mit aussätzigem Gesicht, dem – nach Art türkischer Machthaber – immerfort ein Helmbusch von anderthalb Fuß Länge zum Himmel emporstand. |
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<165> Crista exurgebat Turcarum more potentum. |
Dieser gab einem Landbauer, der sich über schwere Einbußen beklagte, zur Antwort: „Euch, die ihr die heiligen Lehren des Evangeliums lehrt, steht es nicht zu, Klagen über irgendwelche Einbußen vorzubringen: vielmehr hat jener Lehrer, den ihr immerfort so sehr im Munde führt, euch geheißen, mit den Hemden auch die Mäntel fahrenzulassen.“ Warum befürchtest du, daß Türken für dich anders Recht sprechen würden? Was hat Christi erbittertster Feind, jener von den persischen Rebellen zu Recht getötete Kaiser, denn Schlimmeres gesagt? Du könntest andere Landeshauptmänner finden, die jenem aufs Haar gleichen. Den meisten nämlich sind bauchige Becher sauren Fusels, ein Stück trocken Brot und doppelte Schuhsohlen lieber als der König Christus und alle seine Apostel. Ihnen geht es ja in erster Linie um die Freiheit, zu tun, was ihnen beliebt, zweitens um die Macht, Kirchen zu berauben und auf frevelhafte Weise von überallher Geldstücke zusammenzuscharren. Wenn sie feststellen, daß ihnen dies zugestanden wird, sind sie gar nicht so unbillig und gestatten, daß man das Evangelium und Christus lehrt. Andernfalls aber sind Christus und Christi Diener Aloe. Sie fletschen die Zähne, rauben, stehlen, schikanieren oder legen wenigstens Nichtachtung an den Tag und achten es gleichviel, ob die Lehre des Frevlers Mohammed erschallt, ob die Beschnittenen öffentlich ihre Lügen lehren oder anderweitige Possen in der Kiche den Ton angeben. Da also Landeshauptmänner und Befehlshaber lau sind in dem Christus, dem Herrn, nach Recht und Billigkeit zustehenden Liebeserweis, was erwartest du da Gutes vom Volk, welche Vergünstigungen für deinen Lebensunterhalt? Ein mehr als hyperboreischer Frost hat heute die Herzen befallen. Das Volk kriecht am Boden, und wenn es auch für Christi Zwecke die beste Eignung aufweist, so pflegt es doch auf seine Anführer und Oberhäupter, Könige und Befehlshaber |
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<166> Aspectare solet, quò vadant quidque sequantur, |
zu schauen und darauf zu achten, welchen Weg diese einschlagen und woran sie sich orientieren – besonders wenn sie die Lehrsätze derselben Glaubensrichtung rühmen. Es beschreitet denselben Weg, weil es häufig von jammervoller Armut heimgesucht wird und im Schweiße seines Angesichts kaum imstande ist, die Forderungen seiner übermütigen Herrscher zu erfüllen und ihrer gefräßigen Schwelgerei Genüge zu tun. Dies haben viele, die wachen Geistes sind, bei sich erwogen, und deshalb leisten sie den geistlichen Belangen keinen Beistand und nehmen auch nicht das entsagungsvolle Amt eines Pflanzers auf sich. Sie würden sich lieber dafür entscheiden, das sich immer wieder erneuernde lernäische Ungeheuer und den nemeischen Löwen zu besiegen und den dreiköpfigen Hund aus dem Hades heraufzuholen, als sich dem König Christus als getreuliche Pflanzer zu erzeigen. Lieber eilen sie zum Studium des kirchlichen und bürgerlichen Rechts, zur Medizin und zu den Künsten Apollos. Einige werden, sobald sie die lateinische Sprache gelernt und ein paar Jahre mit den Sieben Künsten zugebracht haben, Schankwirte, vielleicht dem Vater zuliebe, oder treiben für das Volk Tauschhandel oder betätigen sich als Handwerker – oder schneuzen sich am Ende ihre rotzigen Nasen am Ellenbogen. Was hätten sie tun sollen? Sie scheuen sich vor Mißachtung und der ungeheuren Last schlimmer Armut. Sie lehnen es ab, sich dem undankbaren Verhalten des gemeinen Volkes, ja auch den stinkenden Heerscharen von Lehrern auszusetzen, die jeden kränken, zurückdrängen, fortstoßen und töten, der zögert, sich ihren Flausen anzuschließen, und lieber nach der Wahrheit als nach nichtigen Träumen verlangt. Vor diesen Mißhelligkeiten ergreifen viele erfolgreich die Flucht. Dich aber mögen sie niemals beeindrucken! Unter Christi Schutz wird nichts dir etwas anhaben können, und bei deiner Lehre wird es dir an nichts fehlen können. Wenn auch an diesem Ort die Herren und das Volk alles fortschleppen und verweigern und man auch das dringend Notwendige nicht gewährt, so wird man doch anderswo – des sei gewiß! – Gaben in reichlichem Maße spenden. |
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<167> Cum Christo, quicquid tulerit fortuna, ferendum
est, |
Im Verein mit Christus muß man alles ertragen, was das Geschick
einem bringt, das der allmächtige Vater mit zuverlässigen Zügeln
lenkt. |
[30] immortale (inmortale Errata) [31] simpiciter [32] quinetiam [33] Quòd [34] caepit [35] orcula (oracula Errata) [36] unae (uuae Errata) [37] caepit
Letzte Änderung:
15.12.2009