Text and Translation submitted by Lothar Mundt. |
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Liber tertius. |
Drittes Buch. |
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<69> Hoc magis adversum pugnabimus atque vicissim |
um so mehr werden wir dagegen ankämpfen und umgekehrt dafür
sorgen, daß seine Verlockungen und Machenschaften der Verachtung
anheimfallen, und wir werden alles dazu aufrufen, wieder zur wahren
Verehrung Gottes zurückzukehren, damit allein Christus in Blüte
steht, inmitten seiner Feinde machtvoll regiert und alles
Menschliche nur ein Dreck ist. Diesem Streben widme sich unser
Pflanzer mit Energie und Hingabe; er sei hochgemut und setze seine
Meinung kühnlich der Welt entgegen. Den Reichtum und die
Erdichtungen und Ehrungen der Menschen, die jene hochschätzt,
verlache er nämlich und blicke auf sie mit Verachtung, gleichsam
als kämen sie von einem hohen Thronsitz, der sich schon dem Fallen
zuneigt. Hingegen verteidige, verehre und liebe er, was jene
unbeachtet läßt und weit hinter sich wirft. So verdammt auch der
Herr die Weisheit der Welt wegen ihrer tölpelhaften Dummheit und
schätzt dasjenige hoch, was der Welt als das Dümmste gilt. Unser
Mann besitze dieselbe Einsicht und schließe sich nicht ohne einen
Gedanken an den Herrn dem großen Haufen oder der wankelmütigen
Volksmenge noch irgendwelchen Vornehmsten an. Er begreife, daß er
nicht der Schüler, sondern der in der Heiligen Schrift geschulte
Lehrer der Welt ist; einzig auf diese höre er und ebenhierin
erweise er sich als treu. |
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<70> Hoc munus sancti quondam fugere prophetae, |
Die heiligen Propheten, die erkannten, was für eine große Sache es ist, das Wort Gottes zu lehren, haben sich vor Zeiten vor diesem Amt gescheut. Moses führte einen Entschuldigungsgrund an, als er an den ägyptischen Hof gesandt werden sollte. Der Bote, den man in das zu verwüstende Jerusalem schickte, erwiderte, er sei noch ein Knabe, und wies auf sein jugendliches Alter hin. Wer sich einzig dem Herrn verschreibt und sich anschickt, gegen das Reich und die Heerscharen Satans ins Feld zu ziehen, nimmt eine schwere Last auf sich. Ein Schmeichler rennt los, erwägt nicht, um welche großen Unternehmungen es geht, dient nicht dem Herrn und sagt dem Volk nicht die Wahrheit. Natürlich strebt er nach seinem Gewinn und Vorteilen für seinen Bauch. Mache dich also nicht eilends auf den Weg, bevor du die Dinge genauer geprüft hast. Auch zersprenge keine Weisheit deine Brust. Erkenne selbst dein Maß, und sei weise mit Bedacht, damit es dir nicht für die schweren Lasten an Kräften fehlt. Überhaupt liebt und erhebt der Eigentümer der Ernte die demütigen Diener und verwirft und verachtet hingegen die hoffärtigen. Beunruhige dich nicht aus ängstlicher Sorge um den anvertrauten Zentner, und kümmere dich nicht so sehr darum, daß du ihn ausgibst, als vielmehr um das Was und Wie. Wenn du etwas Kapital hast, wird es niemals an einer Gelegenheit zu einem Profit mangeln, und der Herr wird deine Gabe nicht vergessen. So oft es sein Wille sein wird, wird er sich ihrer bedienen. Dann wird er befehlen, daß du sie darbringst. Gib du dich nur in seine Hand, verleugne deine Person, und laß nicht die reglose Untätigkeit eines gedankenlosen Lebens von dir Besitz ergreifen. Wenn du mit Eifer bei der Sache sein, nach seiner Ehre trachten und heftiges Verlangen nach dem Wohlergehen des im Stich gelassenen Volkes tragen wirst, wenn du Geistesschärfe mit einem rechtschaffenen Lebenswandel verbinden wirst, dann werden dich nicht Armut, nicht die schäbige Behausung einer kleinen Hütte, nicht unwirtliche Wälder oder Wüsten umfangen. Du wirst ins Licht treten, der Allmächtige wird dich aus jeder Verborgenheit, seist du auch gar zwischen Felsen versteckt, gehörig hervorziehen, |
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<71> Spiritu ut ex imis cristatum forte cavernis |
so wie etwa der Hirsch die kammtragende Schlange mit seinem Atem aus den tiefsten Höhlen zieht und offenen Maules einsaugt. Also erschüttere keinerlei ängstliche Unruhe dein Gemüt. Auf Geheiß der göttlichen Majestät werden ein Volk oder irgendein Fürst, Vorsteher und frommer Senat an dich herantreten und verlangen, daß du ihr Lehrer sein sollst und ein Diener am Wort des Herrn. Auf diese Art berufen zu werden, ist heute der Brauch; durch ihn wird dir vermittels Menschenwort der göttliche Wille offenbar. Hüte dich, ihn zu durchbrechen! Der Vater will, daß alles in seiner festgesetzten Ordnung abläuft und sich auf einer vernünftigen Regel gründet und nicht nach unserem Gutdünken drunter und drüber geht. Wenn du jedoch das Wort Gottes schon hinlänglich beherrschen und in großer Liebe zur Lehrtätigkeit entbrannt sein wirst und wenn es dein Wille sein wird, der Welt deine Seele und die Sache selbst feilzubieten, so hindere ich dich nicht: du kannst das Volk aus freien Stücken angehen und ihm deine Dienste antragen. Es hängt alles vom Walten des Herrn ab, und nicht dein eigener Wille wird es sein, wenn du dich bewirbst. Doch wird es dir nirgendwo etwas nützen, wenn er nicht die Anweisung gibt und dich durch geheime Stimmtäfelchen beruft. Wir stellen auch nicht in Abrede, daß der Heilige Geist selbst zuweilen aussendet, auch wenn kein Votum der Regierenden und des Volkes ergangen ist – so wie wir wissen, daß einst die göttlichen Propheten und die erhabenen Männer der Zwölferschar ausgesandt wurden. Kein Zweifel, daß du gehorchen mußt, wenn er dich ausgesandt hat, so sehr die Menschen und Satan auch Widerstand leisten. Sieh dir aber denjenigen, der dich schickt, immer wieder wachsam von Kopf bis Fuß an, damit dich nicht jener Bösewicht unter dem Deckmantel des Heiligen Geistes hintergeht und dem Volk und dir selbst ein schweres Unglück bereitet. Das Wort Gottes zu handhaben und seinen Namen zu gebrauchen, ist keine Beschäftigung, die zur Kurzweil dient, sondern hat von allen anderen Dingen auf der finsteren Welt die größte Bedeutung. |
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<72> Quo magè curandum, nobis ut certa negoci |
Um so mehr müssen wir darauf bedacht sein, eine fest umrissene
Vorstellung von dem erwählten Amt zu haben, und dürfen nicht
schwankenden Sinnes irgendein Wagnis eingehen, damit es uns nicht
eines Tages unter großem Schmerz reut und Unfriede die Brust
beherrscht. |
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<73> Ut pater iratus miseris mortalibus olim |
Wie der Vater einst im Zorn über die armen Sterblichen die Erde verflucht hat, daß sie keinerlei Früchte zeitigen sollte, ohne mit vielen Mühen und vieler Arbeit durchgewalkt worden zu sein, so haben auch die kranken Herzen der Menschen vom frühesten Ursprung der werdenden Menschheit an unter einer ähnlichen Bestimmung zu leiden. Wenn du sie nicht gehörig bearbeitest oder den rechten Zeitpunkt verpaßt, wirst du so bald nichts Rechtes und Gutes erwarten dürfen: so wie das Feuer ermattet und seine flüchtige Seele allgemach in die Lüfte aushaucht, wenn du es nicht durch ständiges Blasen am Leben erhältst und den Herd mit trockener Nahrung versorgst. Solltest du also möglicherweise Übelstände in Glauben und Sitte, Gott zuwiderlaufende Bräuche und eine ruchlose Lebensweise feststellen, dann wende zunächst alle Kultivierungsarbeit darauf, sie mit Stumpf und Stiel auszurotten. Du wirst alles umsonst säen, wenn du nicht zuvor austilgen solltest, was der reinen Lehre widerstrebt. Fragst du etwa, was das ist, und möchtest, daß man dir Einzelheiten nennt? Davon gibt es sehr vieles, und es ist in mannigfaltige Erscheinungsformen aufgesplittert, die darzulegen kein Platz mehr ist und die Zeit auch nicht ausreicht – und sie sind auch jedem, der gründlich im Wort unterwiesen ist, bequem genug zur Hand. Wie sollte der, welcher das Licht kennt, nicht auch die schmutzige Finsternis und. die gottlosen Werke der Finsternis kennen? Alle Dinge verweisen auf das, was zu ihnen selbst im Widerspruch steht. Also nochmals: zuerst beseitige, was der Lehre widerstrebt! Ebenso wie die Erde keine Frucht tragen kann und die ausgeworfenen Samen nicht mit warmem Nahrungssaft am Leben erhält, wenn sie von menschlichen Fußtapfen hart getreten worden ist, und wie die Wachstumskraft von Saaten, die inmitten von Dornenbüschen und Kieselsteinen neu ersprossen sind, keinen langen Bestand haben kann und für sie die Feuchtigkeit nicht ausreicht, genauso verhindern menschliche Flausen, gottlose Bräuche und eine nach jüdischer oder heidnischer Sitte eingesäte Lebensform, daß die himmlische Saat überhaupt jemals Wurzel faßt. |
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<74> Unde etiam Paulus cives fermenta Corinthi |
Deshalb befiehlt auch Paulus den Bürgern von Korinth, den Sauerteig – die schlechten Sitten und das frühere Leben – auszufegen, dazu nämlich, daß aus ihnen, durch Christus, ein völlig neuer Teig wird. Ebenso wie Christi verehrungswürdiger Name, so bleibt auch das feste Vertrauen auf ihn unter den Christenmenschen nicht in unverfälschter Reinheit bestehen. Obendrein beansprucht verkehrter Aberglaube, dessen Ursprung lange Jahre zurückliegt oder der sich eben erst eingeschlichen hat, den Namen des Glaubens für sich und pflegt ihn Unvorsichtigen durch Verstellung aufzuschwatzen. Halte du an der Richtschnur der alten Väter fest und achte emsig auf ihre Fußspuren und ziehe die Furchen nach ihrem Vorbild. Den unter der Sonne lebenden Sterblichen wurde kein Name geschenkt, der Leben und Heil beinhaltete, als einzig derjenige Christi, dessentwegen allein uns der Schöpfer die Sünden erläßt, uns gnädig ist und uns dereinst das Himmelreich schenken wird. Gewisse Lehren stürzen diesen Grundsatz teils um, teils zersplittern sie ihn und lassen ihn nicht überall und zu jeder Zeit als wahr und gediegen gelten, und noch weniger bekennen sie sich zu ihm. Hierauf stützen sich auch, wie du sehen kannst, einige Bräuche. O du elendes Geschick, du an Abscheulichkeit alles übertreffende Missetat, daß sich im Lager, ja sogar im Hauptquartier Christi Menschen fanden, die es wagten, diesem Grundsatz zu widersprechen, und mit Riten, verkehrter Lehre und Kulten ihren Feldherrn seiner Ehrentitel berauben, so daß heute die blinden Juden ihm kaum in stärkerem Maße entgegenarbeiten! Verteidige seine Sache und seine Ehre energisch gegen die Pforten der Hölle und die aufmuckende Welt! Wisse, daß dies deines Amtes ist und zu dem Werk gehört, das du begonnen hast! Sollte sich also eine eitle Hoffnung, sollte sich Selbstgewißheit entweder zu früherer Zeit oder erst unlängst, unter welchem Namen auch immer, beim Volk schließlich eingenistet haben, so zerstöre sie mit der Heiligen Schrift! |
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<75> Omnia sint collata nihil, fac, nomina Christo! |
Bewirke, daß alle Namen zusammengenommen nichts sind im
Vergleich zu Christus. Dieser sei überall als der einzige König
anerkannt, damit die von schrecklicher Sündenlast Niedergebeugten
bei ihm Zuflucht suchen. Die Seufzer des ganzen Volkes mögen laut
nach ihm rufen! Die Kirche möge mit schallender Stimme ihn allein
feiern! In jeder Sache hoffe sie auf die Hilfe dieses einzigen.
Demütig möge sie ihm allein dienen, ihn allein verehren und
anbeten, als den Bräutigam nämlich, der zur Entsühnung der Braut
als einziger die Kreuzigung auf sich genommen und durch Vergießen
seines Blutes die Braut den grimmigen Schlünden der Hölle entrissen
und für sie den heißen Zorn des Vaters erduldet hat, während alle
Menschen und Götter furchtsam die Flucht ergriffen. Warum trachtet
nicht auch sie nach ihm und hängt nicht ihm allein an? Es fehlt dir
nicht an der Unterstützung des göttlichen Wortes, um ebendies
energisch zu bekräftigen und unwiderlegbar beweisen zu können, wenn
Große oder Geringe oder Satan selbst widerstreben. Denn was haben
die Gesandten des Herrn und die alten Propheten so vollständig, was
haben sie überall mit solcher Festigkeit verkündet wie dies: daß
das Menschengeschlecht allein auf Christus vertrauen müsse und in
nichts anderem irgendein Heil liege? Daß dem erhabenen
Himmelskönige nichts widerwärtiger und verhaßter sei als die
eigenen Kulte, die die menschliche Weisheit wieder ersinnt und
überaus hoch schätzt? |
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<76> Et Christo sese dedant, persuaseris, uni. |
und sich allein Christus ergeben. Alsbald wird dich ein mit einer Halskette geschmückter, mit einwärts gebogenem Helmbusch sich brüstender Ritter, dem sich – wie bei einem Kater – ein stachliger Bart mit langen Haaren sträubt, wild und drohend anschauen und mit Zyklopenstimme heftig anbrüllen, so daß er selbst den noch so furchtlosen Mars erschrecken könnte: „Du schwebst uns also als Schulmeister vom hohen Himmel herab, um die alten Bräuche, die unsere Väter so viele Jahrhunderte hindurch bewahrt haben, von allen Seiten niederzureißen? Natürlich haben diese geirrt, und du allein besitzt Einsicht! Diesen Kultus haben unsere Vorfahren mit einer großen Summe Geldes eingeführt. Wirst du behaupten, daß dies alles umsonst und für die Katz sei? Wirst du die tausend Wege zur Erlangung des Heils jetzt zu einem einzigen zusammenfassen und gestalten? Du wirst alles durcheinanderbringen und den langen Frieden durch blutigen Aufruhr zerstören und die Volksmassen in Erregung versetzen! Du Ketzer und Feind Gottes, du hast es dir fürwahr höchlich verdient, eines schlimmen Todes zu sterben und im verzehrenden Feuer verbrannt zu werden! Pack dich, und rede fortan kein Wort mehr über diese Dinge!“ Genau dies und noch Schlimmeres wird auch der habgierige Kaufmann daherkrächzen, dessen ganzes Vertrauen auf das Leben in seinem Geld besteht, und er wird niemals dulden, daß sein Kultus seinen Wert einbüßt. Genau dieses Klagegezeter wird auch der schwachsinnige, triefnasige Greis häufig anstimmen: die Zeitumstände hätten gegenwärtig das Leben in schlimme Bahnen gelenkt, so daß alles Rechtschaffene, wie er sehe, von Knaben über den Haufen geworfen werde; und er wird sich seine Triefäuglein wischen und bei den Geistern der Ober- und Unterwelt schwören, daß er im alten Kultus sterben wolle; gleichzeitig wird er denen, die Neuerungen ins Werk setzen oder sie zu lehren scheinen, viele schlimme Dinge an den Hals wünschen. Auch die runzlige Alte wird nicht stillschweigen; sie wird Beschimpfungen |
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<77> In te doctrinamque tuam verosque colonos, |
über dich und deine Lehre und die wahrhaften Pflanzer ausschütten und den alten Kultus mit gesenktem Kopf küssen. Dies ist über die Maßen schwer zu ertragen. Doch du wirst sagen, dies alles sei nur ein Spaß, wenn etwa die Lehrer der Gottlosigkeit selbst gegen dich aufstehen werden, denen die menschlichen Kulte Vorteile gewähren und die Unwissenheit des bejammernswerten Volkes Gewinn bringt. In diesem Fall wirst du ausrufen, daß Stephanus, der nur ein einziges Mal Steinwürfe erduldete und hingestreckt dalag, drei- und vierfach glückselig gewesen sei. Für dich reicht ein einziger Tod nicht aus, so oft wirst du von giftigen Zungen gesteinigt werden. Damit nicht genug: sie werden das Volk und die Fürsten gegen dich aufwiegeln und zu deiner Vernichtung Himmel und Erde in Bewegung setzen. Wie wenn die sturmbringenden Brüder von allen Seiten auf Leben und Tod darum kämpfen, ein schwaches Schiff im tiefen Aegaeischen Meer zu versenken: Tosen von allen Seiten, die Wogen steigen in verheerender Frontlinie bis zu den Sternen empor, weichen alsbald mit ebenso heftiger Gewalt zurück und zerschmettern das zerbrechliche Schiff auf einer Untiefe oder an Klippen; den armen Menschen winkt keine Rettung, jede Anstrengung ist vergebens, alle Mittel und Wege nützen nichts, vielmehr werden sie bei der zehnten Woge schließlich mitsamt dem zertrümmerten Schiff auf den tiefsten Grund gesogen. Oder wie wenn ein Knabe unbedacht und beim Spielen zufällig die Nester und dunklen Schlupfwinkel von Hornissen angestoßen hat: diese sammeln sich drinnen, immer wieder ertönt Gebrumm, sie geraten in Zorn und bewaffnen sich sogleich gegen den Feind; alsbald, nachdem sie sich Anführer erwählt und einen Heerzug gebildet haben, brechen sie brummend aus, umringen den Kopf des Knaben, der solches nicht befürchtete, und jagen ihre tödlichen Lanzen in seine nackten Glieder. Es ist umsonst, daß der Knabe schreit, zu seiner Verteidigung kämpft und die Flucht ergreift: in dichten Scharen verfolgen sie ihn unausgesetzt um die Wette und verdoppeln ihre Stiche. Sie rasten und ruhen nicht, |
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<78> Extinctum donec videant pronumque iacentem. |
bis sie sehen, daß er tot ist und auf dem Bauch hingestreckt daliegt. Alsdann suchen sie mit Siegesgebrumm wieder ihre Höhlen auf. So ist die Raserei der Gottlosigkeit, seit Kain damit begonnen hat! Hassen nicht von jeher Priester und falsche Propheten die wahren Propheten stets mehr als alles andere? Man forderte den Tod für den Zerstörer des Standbildes und des Altars, den Helden Gideon. Der Prophet, der den Untergang [Jerusalems] verkündete, ein Mann heilig von Mutterleib an, wurde in tiefen Unrat getaucht, erduldete standhaft das Gefängnis und wurde mit der flachen Hand verprügelt, als er die falschen Kulte und den ruchlosen Lebenswandel des Volkes anprangerte. Der Thisbiter floh bis nach Sarepta und lebte von Raben, die ihm mit wenigen Speisen zu Diensten waren, und das ganze Land der Juden versagte ihm eine sichere Heimstatt. Du fragst nach dem Grund? Der ist nicht neu: er hatte die falschen Kulte angeprangert, die die Könige mit aller Macht eingeführt hatten. Und welcher von den alten Propheten hat nicht solches standhaft erduldet, als sie das Volk vom verkehrten Pfad abbringen wollten und die Verirrungen und eitlen Erfindungen der Menschen verdammten? Schlimmere Feinde hat auch Jesus nicht ertragen müssen – und es waren sogar Priester, Schirmherren eines eitlen Kults, die aus der Unwissenheit des unbedachtsamen Volkes Profit schlugen. Die Scharen seiner Schüler werden das gleiche berichten können. Man weiß, wie heftig der berühmte Zauberer Elymas Paulus Widerstand geleistet hat, ebenso alle Scharen des Judenvolkes, sogar in Städten des Auslands. Nachdem er aus einem Mädchen ihren immerfort schreienden Wahrsagegeist ausgetrieben hatte, erregten deren Herren ungeheuren Aufruhr, weil mit der guten Seherin zugleich ihr Profit verdorben war. Welch einen Tumult rief in Ephesus allein Demetrius hervor, danach auch die der Diana geweihte Kollegenschaft der Goldschmiede! |
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<79> Et non perversum propter tantummodo cultum, |
Und dies nicht bloß wegen des verkehrten Kultus, sondern mehr noch, damit ein unrechter Gewinn aufrechterhalten blieb und die Irrmeinung den Hunger abwehrte und dem Bauch Hilfe bot! Es ist ein schwieriges Unterfangen, eingefahrene Kulte auszurotten, die hinzunehmen das sichere Vertrauen auf den einzigen Christus nicht erlaubt und die die Weisheit der Menschen mit törichtem Faden gesponnen hat – und die sie gar noch liebgewinnt und mit großem Verlust an Menschenleben zu verteidigen pflegt. Wie Troja einst die Tyndaride nicht zurückgeben wollte, sondern bis ins zehnte Jahr mit viel Blutvergießen Krieg führte, wie die kaspische Tigerin wütend um ihre geraubten Jungen kämpft und die Henne sich zur Verteidigung ihrer Kücken in den Tod stürzt, genauso hält die Welt mit unendlichem Blutvergießen an dem Ihrigen fest. Behalte du ungebrochenen Mut, sei auf alle möglichen Gefahren gefaßt, die dich bei deiner Lehrtätigkeit verschlingen können. Bemühe dich, alles mit kluger Sanftmut zu ertragen, und erzeige dich im übrigen als jemand, der sein Leben dem Namen Christi zuliebe verachtet und ein Feind abergläubischen Wesens und eines eitlen Hirns ist. Erläutere zunächst mit Sanftmut aus der Heiligen Schrift, was der Inbegriff des wahren Glaubens ist, was der große Himmelslenker uns glauben heißt und was der geistliche Anker des ewigen Lebens ist, den uns Beispiele großer Männer in jeder Hinsicht als einen solchen unter Beweis stellen. Und daß der Allmächtige, obgleich er je nach den Umständen bald diese, bald jene äußerlichen Kulte anbefohlen hat, das Innere doch niemals verändert habe, sondern daß von Anbeginn an ein einziger Endpunkt des Heils festgesetzt worden sei, ein einziges Ziel, das alle Weltzeitalter hindurch gegen die Pforten der Hölle und gegen Satan bestehen bleiben wird: das standhafte, unbedingte Vertrauen auf den glückbringenden Sohn, versteht sich, der für die Sünden der Welt von der Schlange getötet wurde und seinerseits deren Nacken und Haupt in den Staub getreten hat – |
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<80> Ut verò externi nihil invexere priores |
wie denn in der Tat die Vorfahren (soviel nur in der Finsternis der Welt beim Donnerer Gefallen fanden) keine Äußerlichkeiten ohne Rücksicht auf Gottes Wort eingeführt haben, sondern dieses mit großer Wachsamkeit fest im Auge behielten: so wie der griechische Seefahrer mitten auf dem Meer den Großen Bären und der Seefahrer aus Tyros den in größerer Nachbarschaft zum Nordpol befindlichen Kleinen Bären beobachtet. Sie schlugen nämlich ihre Zelte auf Geheiß des Wortes auf, und nachdem sie sie wieder abgebrochen hatten, zogen sie ebenso auf sein Geheiß weiter. Des ferneren leiteten sich die Priestergewänder, die Ausstattung der Stiftshütte, der Sabbat, die Feiertage und gottesdienstlichen Bräuche aus dem Wort Gottes her, und man sah streng darauf, daß niemand etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen beliebte, sondern alle Frommen und Gottes Befehlen Gehorsamen nur das taten, was der Herr selbst befohlen hatte. In diesem Sinne ermahne alle eindringlich, sich keine eigenen Kulte auszudenken und nicht auf gut Glück die vor Zeiten von den Vorfahren eingeführten zu befolgen, sondern vielmehr danach zu trachten, im Worte Gottes zu wandeln. Dieses sei ihr Großer und Kleiner Bär in jeder Angelegenheit und insonderheit dann, wenn sie Gott ehren wollen, damit nicht etwa ausgedachte Äußerlichkeiten dem Inwendigen widerstreiten, wie es dort der Fall ist, wo sich der menschliche Wille in göttliche Dinge einmischt und festlegt, anweist und ausführt, was Gott wohlgefällig sein soll, ohne daß das Licht der Heiligen Schrift den Weg wiese! Beispiele dafür gibt es überall auf der Welt, und nirgends sind die albernen Verrücktheiten der Menschen im verborgenen. Wenn nämlich allein das sichere Vertrauen auf den Sohn und die brüderliche Liebe Gott wohlgefällig sind, dann muß alles übrige sich ebenhierauf beziehen. Wer sieht nicht überall vieles teils höchst Eitles, teils Gott Zuwiderlaufendes, teils Belachenswertes, was das demütige Volk und die geschorenen Lehrer gleichwohl mit ungeheurem Getöse und der Miene eines Cato |
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<81> Cernuus observat populus rasique magistri? |
befolgen? Verwende größte Anstrengung darauf, dies zu beweisen
und hiervon zu überzeugen, damit man nicht vermeint, es sei irgend
etwas von dem, was der Herr fordert, übergangen worden, sondern
vielmehr glaubt, daß alles rückhaltlos verkündet und mehr als
hinlänglich offenbart worden ist. Nur dies sollen sie sich lernend
aneignen, in diesen Bahnen sollen sie sich stets bewegen, hierauf
ihre Kräfte und jede Anstrengung wenden. Es wird ihnen nicht an
Stoff zur Betätigung fehlen, und nach Weiterem zu suchen, wird sich
erübrigen. |
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<82> Illius, ut quaeratur, honos nomenque colatur, |
wie es verlangt wird, seine Ehre und seinen Namen verherrlicht, teils aber mit festem Vertrauen anderen Göttern anhängt. Er duldet keinen Nebenbuhler; hierin macht er seinen Freunden keine Zugeständnisse; er liebt mit heftigerem Feuer als der Thrakier Orpheus, als Pantheia, als die Iphiade, die Gefährtin auf hohem Scheiterhaufen, als die fromme Gattin des Mausolos, als des Brutus Portia, mit heftigerem Feuer als jene, die freiwillig in die stygische Schattenwelt hinabstieg, um das Leben des Gatten für mehrere Jahre zu sichern. Eher würde er sich zehnfach grimmigen Tod erwählen, als daß er dein Beispiel guthieße oder nachahmte, habgieriger Cato, der du die eigene Frau an einen reichen Liebhaber abtratest! Er wird auch nicht, wie einst Agetas tat, einen Eid ablegen, demzufolge ein (ihm noch so liebwerter) Freund ihm die Braut entzieht. Wie er allein für uns alles ist, so schulden wir auch einzig ihm alle Anbetung, und er verlangt nicht einen Teil des Herzens, sondern das ganze. Deshalb überzeuge das Volk davon, daß niemand gut zwei Herren dienen kann, so daß es nach Aufgabe aller anderen Kulte und Hoffnungen alle Aufmerksamkeit und Ehrbezeigung Christus zuwendet und sich ihm, ihrem einzigen Bräutigam, als unberührte Jungfrau darbietet. Diese Überzeugungsarbeit wirst du, ich wiederhole es, nur mit freundschaftlichen Worten leisten; du wirst nicht schelten in der Manier eines grimmigen Tyrannen. Und du wirst das gottlose Wesen nicht mit bewaffneter Hand umstürzen und dir zur Abschaffung eitler Kulte und derer, die sie lehren, nicht das Amt von Königen und mächtigen Staatsmännern anmaßen, nachdem sich dir an den Straßenecken Scharen von Anhängern angeschlossen haben. Du mußt die Kriege mit dem Mund führen, nicht mit ruchlosen Waffen – so nämlich, wie es der Rat der Apostel überall vorgeführt hat –, und da du im Wort Gottes und den alten Propheten unterwiesen bist, wirst du nicht meinen, du vermöchtest nichts und seist waffenlos. Jenes Wort ist ein gewaltiger Hammer, der Felsen, die ihm im Wege stehen, wuchtig |
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<83> Contundens rapidoque exurens ocyus igni |
zerschmettert und die Irrtümer und eitlen Kulte der Menschen,
dieses trockene Holz, mit verzehrendem Feuer geschwind verbrennt.
Allein mit ihm wirst du gleichsam als unbesiegter Achill deinen
Kampf ausfechten und gleichsam mit der Keule des Herkules die
gottlosen Heerscharen niederstrecken. Nichts ist unüberwindlicher
als die gediegene Wahrheit, nichts durchdringt oder zerbricht auch
sehr harte Hindernisse kraftvoller – so wie der Blitz, den der Herr
vom luftigen Himmel geschleudert hat, riesige Felsen, die ihm im
Wege liegen, zerschmettert und bersten läßt. Allein mit dem Wort
also zerstöre verkehrte Kulte; einzig mit ihm wirst du auch deine
Obliegenheiten recht erfüllen. Die Könige und ihr treues Volk
werden ja, sobald sie überzeugt worden sind, mit Gesetzen oder
gerechter Gewaltanwendung das gottlose Wesen vernichten, ihre
Nacken und Fäuste dem Wort Gottes unterwerfen, die Kirchen säubern
und den früheren Gottesdienst, der dem wahren Glauben widerstreitet
und, wie rein er immerhin scheinen mag, nach der Vernunft des
verderbenbringenden Fleisches riecht, hinauswerfen und danach
trachten, einzig Christus zu dienen. |
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<84> Sic scissi regni primusque decem tribuum Rex |
So goß auch der erste König über die zehn Stämme im gespaltenen Reich gemäß seinem Ratschluß zuvörderst Kälber, errichtete einen ganzen Kult und weihte Götterhaine und Tempel; darauf wählte er Priester aus, die gehörig die Oberaufsicht führen sollten. Welch auffallende Torheit, Ärzte kommen zu lassen, ihnen zu erzählen, wie du selbst deinen gefährdeten Gesundheitszustand beurteilst und, nachdem du ihnen Gold versprochen hast, zu verlangen, daß sie selbst nicht anders, sondern ebenso urteilen! Wenn du weißt, was dir gut tut, wozu brauchst du dann Ärzte? Etwa um sie über ihre Kunst belehren zu können? Es ist aber nicht Sache des Kranken, den Ärzten Vorschriften zu machen, sondern der Arzt muß dem Kranken das Mittel zur Heilung aufzeigen. Gewiß ist es auch nicht Sache der Könige, religiöse Kulte zu ersinnen und dem Priester die gottesdienstlichen Zeremonien aufzuzeigen, sondern vielmehr auf Gott und die ausgesandten Pflanzer zu hören, denen es zukommt, den Willen Gottes vollständig zu kennen. Hierum indes bekümmern sich nur sehr wenige, und rasend brechen sie mit ihrem grobschlächtigen Verstand auf gut Glück in menschliche und göttliche Bezirke ein und finden dienstwillige Helfer für die Verkehrtheiten, nach denen ihnen der Sinn steht, so daß du siehst, wie gleichzeitig Könige, Volk und Propheten von einer einzigen Kette der Gottlosigkeit gefesselt und fortgezogen werden. Du aber laß dir von keinem Sterblichen Vorschriften machen, sondern richte deinen Sinn mit Eifer auf das Wort und weiche keinen Fingerbreit zurück. Wenn man dir großen Reichtum und die Gipfel des Ruhms versprechen wird, wenn schmeichlerische Einflüsterungen in dein strenges Ohr dringen werden: „O Lieber, tu diese unnachgiebige Strenge des Geistes von dir, willige nur hierin ein, dies richtet in deinem Geist keinen Aufruhr an! Einzelheiten lassen sich keineswegs nach dem Wort regeln. Sei so gut: denke wie wir und speise mit uns! Nimm auf dich selbst Rücksicht und gib ein wenig nach! Nimm Rücksicht auf den Frieden, dessen Förderung dem Himmelskönig allerorten wohlgefällt! |
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<85> Non sueta à multis subvertere funditus annis, |
Es geht nicht an, Verhältnisse, die seit vielen Jahren Gewohnheit sind, von Grund auf umzustürzen und mit deinem Zeitalter derart zu hadern. Wohlan denn! Schreite friedsamer einher, verschaffe dir ein ruhiges Leben, ziehe nicht unnütz Haß auf dich und bringe es nicht dahin, daß du gezwungen bist, auszuwandern und unter Entbehrungen dir bisher unbekannte Länder aufzusuchen! Du weißt sehr wohl, wie wohltuend Mäßigung ist!“ – dies sind Sirenengesänge, verschließe sofort deine Ohren! Hebe deine Augen empor und richte auch den Geist selbst auf das Himmlische, seine Heimat nämlich, und erwäge recht, wer der Stifter deines Amtes ist, wessen Gebote du predigst und wie flüchtig und unaufrichtig das Wohlwollen der verblendeten Welt ist, damit du dir nicht aus Willfährigkeit ihr gegenüber den Zorn der Gottheit zuziehst. Wenn dir jemand Vorschriften macht und dir die Freiheit nimmt, zu lehren, was wahr ist, dann gehorche nicht seinem Ruf. Erkläre hierzu mit den Worten des gerechten Baleam: „Auch wenn du mir ein Haus voll Gold und Silber und alle Schätze Arabiens, wenn du mir allen Goldsand gibst, den der Paktolus, der Hermus und der spanische Tagus daherwälzen, werde ich das Wort des höchsten Lehrers nicht in der Weise verletzen können, daß ich etwas wegnehme oder hinzufüge oder verschweige. Ich werde das predigen, was die Gesandten des Herrn und die Propheten gelehrt haben.“ Wofern du aber wirst gehorchen wollen und irgendeine Hoffnung auf Erfolg winkt, so hüte dich, bei der Predigt des heilbringenden Wortes irgend etwas zu verändern oder zu verheimlichen, sondern schreite ständig auf dem rechten Wege einher. Stimme keinem Vorschlag auf Frieden zu, miß auch keiner Mäßigung, die mit einer eindeutigen Gefährdung des heiligen Wortes erkauft werden muß, einen hohen Wert bei! Alles stehe vielmehr hinter dem Wort Gottes zurück, mag auch die Welt zugrundegehen, mögen auch Meere vom Himmel strömend zusammenfließen, mag auch ein feuriges Schwert die ganze Welt heimsuchen |
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<86> Et definitis repleatur Tartarus umbris, |
und die Unterwelt sich mit Schatten von Toten füllen und mag
auch die Eintracht zerfetzt aus allen Reichen entfliehen! So haben
auch einst die Römer mit Völkern und Statthaltern – sei es auf
deren eigenen Wunsch, sei es, nachdem sie durch Krieg unterworfen
worden waren – einen Vertrag nur nach dem Grundsatz abgeschlossen,
daß beiden Seiten gemeinsam sei der Gegenstand der Liebe und des
Hasses und ebenso Freund und Feind. Der Allmächtige hat auch uns
mit diesem Grundsatz gefesselt, damit wir nicht gegen ihn selbst
einen Frieden schließen und für uns Bündnisse eingehen, aus denen
ihm selbst sicherer Schaden erwächst. Hinweg also mit denen, die
Begriffe von hohem Wert ins Feld führen und darauf hinweisen, daß
Eintracht etwas Schönes sei und es sich für die Gerechten gezieme,
goldenen Frieden und Mäßigung zu lieben. Im Reich Satans herrscht
große Eintracht! Türken und Mitglieder einer Räuberbande sind sich
mitnichten uneins! David bestätigt, daß die Könige der Erde und die
mächtigen Oberhäupter sich miteinander gegen den Herrn und Christus
geeinigt hätten, um das Joch und die Bande des Wortes zu
zerbrechen. Hüte dich, jemals in diese gottlosen Bündnisse
einzutreten! Keine Gewalttätigkeit der Welt entreiße dir das
Steuerruder! Führe es vielmehr gerade, und trachte mit offenen
Augen danach, einzig Gott treu zu sein und allein ihm zu
gefallen. |
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<87> Tempora cunctarum rerum decreta Tonanti, |
daß der Donnerer über alles zu seiner Zeit befindet und es menschlichem Bemühen niemals verstattet ist, dem vorzugreifen. Ein Knabe kommt nicht vor der Zeit zur Einsicht, und der, den das Schaukeln der Wiege sanft entschlummern läßt, wird nicht gegen den Feind kämpfen. So ist auch für jeden der Zeitpunkt festgesetzt, in dem er zum Glauben gelangt, so wie vorher auch die Verirrungen und Tollheiten seines Geistes ihre Zeit hatten. Wenn du etwas erstrebst, bevor die Zeit dafür reif ist, wirst du nichts ausrichten: nicht anders, als wenn du zwei verschiedene Meere nach dem Durchstich einer Landenge miteinander verbinden wolltest! Wer es heute vielleicht ablehnt, dem heiligen Wort Glauben zu schenken, wird morgen glauben und einem Vorgänger auf dem Fuß folgen. Du weißt auch genau, daß der Erfolg des Mühens vom Himmel abhängt und keineswegs von dir. Du besorgst fremde Geschäfte, nicht die deinen! Wisse, daß du nur Christi Helfer bist und als das samische Gefäß fungierst, mit dem der Landbauer die dürstenden Saatfelder tränkt, und als die Säge, die die Rechte des Handwerkers führt. Wie das Werk vonstattengeht, dafür triffst nicht du die Vorsorge, sondern jener. Stelle du nur deine Geschicklichkeit unter Beweis und deine Bereitschaft zur Ausführung der Geschäfte seiner Herrschaft. Du ärgerst dich vergebens, wenn du willst, daß diese, über die du überhaupt keine Gewalt hast, nach deinem Wunsch vonstatten gehen: so wie der Fortgang der Dinge in jeder beliebigen Angelegenheit nach der Ordnung verläuft, ganz besonders aber hier, wo es sich um reine Gaben des Heiligen Geistes handelt, wie es der Glaube und das demütige, fehlerlose Wissen von Christus sind. Siehst du nicht, wie jeder Pflanzer, der irdische Felder bebaut, mit gesenktem Pflug eifrig das Land aufbricht, mit vollen Händen auserlesene Getreidekörner ausstreut und sie frohgemut der darübergeworfenen Erde anvertraut? Siehst du nicht, wie auch die Fischer Sonnenhitze und Frost ertragen, und dies bei harter Arbeit Tag und Nacht, und nicht geringe Ausgaben für Kutter, Netze und Taue auf sich nehmen? Und doch wagt niemand von ihnen, einen Erfolg in Aussicht zu stellen! |
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<88> Quae sua sunt, curant, committunt caetera divis. |
Sie tun, was in ihren Kräften steht; das übrige überlassen sie dem Himmel. Sie flehen Gott an und bestürmen den Himmel mit Gebeten. Die Wagenden nährt Hoffnung, und die Unkosten bestreitet das sichere Vertrauen. Jener hofft darauf, gewaltige Mengen Getreides abzumähen, dieser, das ganze Netz, wenn es aufgewunden ist, voll von Fischen zu haben. Wohl trügt sie bisweilen leere Hoffnung, doch wird sie die, die sich unablässig mühen, doch niemals für alle Zeit enttäuschen. Daher macht ihnen die Arbeit Freude: jenen könntest du durchaus nicht von seinem Acker herunterbekommen und ihn auch nicht überreden, Ochsen und Pflug zu verkaufen, diesen nicht dazu bringen, daß er Schiffe und nasse Taue haßt und, wenn nicht alles nach seinen kühnsten Wünschen abgelaufen ist, aus Bestürzung spornstreichs das Wasser flieht. Diese nimm dir zum Vorbild, und gewinne dadurch Festigkeit bei deinen Arbeiten. Sei emsig und mit Eifer am Werke, und scheue beim Lehren keinen Schweiß; beachte Zeit und Ort und spanne eifrig Netze zum Fang von Menschen aus! Dies ist deine Aufgabe. Doch auch dies: flehe darum und dringe mit unermüdlichen, häufig wiederholten Gebeten darauf, daß der gütige Lenker des Himmels deinem Eifer und dem Eifer des Volkes förderlich ist, damit du nicht umsonst lehrst und dieses nicht umsonst zuhört. Fordere das Volk gleichzeitig auf, mit den gleichen Gebeten darauf zu dringen, daß Gott die ausgetrockneten Herzen mit himmlischem Regen erquickt, ohne den die Anstrengungen unserer Arbeit zunichte werden. Er wird die aus demütigem Herzen kommenden Gebete erhören und den Flehenden Wachstum und ausgiebigen Regen gewähren und die aufgewandten Mühen seinem Namen zur Ehre gereichen lassen. Sollte er dich nicht erhört haben, deine Bitten nicht mit sofortiger Hilfestellung bewilligt und dir dasjenige, dem deine flehentlichen Bitten galten, nicht gewährt haben, so laß dich dadurch nicht entmutigen und lege das dir anvertraute Amt nicht nieder! Er weiß selbst Bescheid über die günstigsten Zeitpunkte und die menschlichen |
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<89> Corda simulque uni dare convenientia cuique. |
Herzen und versteht sich auch darauf, einem jeden das ihm
Angemessene zuzuteilen. Warte ein wenig ab und überlaß das Ergebnis
der Arbeit seiner Willensentscheidung. Sei durchdrungen von der
Gewißheit, daß du dort, wo das Volk der Lehre geduldig sein Ohr
leiht, wo du sicher sein kannst und keine Gefahren bemerkst, deine
Arbeit für das Wort nicht ganz und gar unnütz sein wird. |
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<90> Nemo alius possedit oves propriasve recepit, |
Niemand sonst hat die Schafe in Besitz genommen oder sie als sein eigen empfangen, und niemand sonst wird die Sünden anderer vertilgen, auch nicht durch hundertfachen Tod. Und niemand wird im Kampf gegen den Wolf standhalten, um sich oder andere vor dem verdienten Zorn zu retten. Unter solchen Umständen fliehen wir selbst, und wir ermuntern alle Schafe, in den Schoß des Hirten und die himmlische Freistatt zu flüchten, damit uns und andere nicht die Gewalt des Orkus verschlingt. Einzig er ist nämlich der Hirte, wir sind nur die Schar der Mietlinge. Unsere Verfügungsgewalt, unsere Arbeit und der Erfolg unserer Arbeit sind nicht gleichrangig. Deshalb hat er es nicht verboten, vor menschlicher Raserei zu fliehen, zumal er selbst häufig geflohen ist und den Seinen geboten hat, flüchtend die Städte zu wechseln, falls die Menschen das Wort verschmähten, mit frevelhafter Tobsucht dagegen wüteten und Tod oder Gefangenschaft bereiteten. Dies verbietet auch nicht das sichere Vertrauen auf den höchsten Vater, dem wir in großen und kleinsten Dingen ein Gegenstand kluger Fürsorge sind. Wir müssen ohne Wanken darauf vertrauen, daß es kein Übel gibt, das uns – gleichsam dadurch, daß er die Augen verschließt – ein Leid tun kann. Doch wir dürfen unterdessen bei der Erhaltung unseres Lebens und in bedrohlichen Situationen unsere Vernunft nicht ausschalten und Gott leichtfertig versuchen. So haben es uns nämlich alle Väter gelehrt, und so hat auch Christus selbst gehandelt, der zuverlässig wußte, daß er einen gnädigen Vater hatte und vor der festgesetzten Stunde nicht getötet werden konnte. Dennoch zog er sich zurück und wollte in Judaea nicht umhergehen und sich öffentlich zu erkennen geben und suchte die Wüste auf. Paulus wußte dies auch; und doch: als er vor den Toren von Damaskus Wächter bemerkte, zögerte er nicht, sich der Hilfe eines Korbes zu bedienen und sich über die hohe Mauer herabzulassen. Derselbe Paulus entzog sich unter Berufung auf das römische Recht der Geißel |
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<91> Eripuit populique manus vitavit Hebraei, |
und entging der Gewalt des jüdischen Volkes und den Schlichen eines ungerechten Richters, indem er, wie es der Prozeß zwingend erforderte, kühnlich an das höchste Gericht des Kaisers appellierte. Er wußte genau, daß er nach Rom und in das Land des Kaisers kommen werde; dennoch verteidigte er sein Leben mit Überlegung und Verstand und säumte, als er schiffbrüchig war, nicht, schwimmend den schwellenden Wogen zu entkommen. Wer hielt hoffend und glaubend mit mehr Mut am Herrn fest als David, der Führer des Volkes, des Isai Sohn? Obgleich er zuverlässig wußte, daß er regieren würde und gesalbt worden war und vorher nicht würde sterben können, rettete er doch mit mannigfacher List sein und seiner Gefährten Leben vor Nachstellungen. Nachdem er sich auf Anraten seiner Frau vom obersten Fenster heruntergelassen hatte, floh er hierhin und dorthin, klopfte an die Tür eines fremden Königs und entging dem Tod, indem er sich rasend stellte. Genauso handelte auch der gewaltige Stammvater der Beherzten; sein Sohn und sein Enkel folgten konsequent seinen Spuren. Vernunft und ein wacher, erfinderischer Geist sind eine große Gabe, wenn sie nicht den Glauben kommandieren und meinen, die himmlischen Dinge unterstünden ihrer Verfügungsgewalt, und wenn sie nicht dem Wort seine Ehre rauben, sondern rechtschaffen und in Ehren sich nur mit den weltlichen Dingen befassen, die ja doch zur Erhaltung der Wohlfahrt dienlich sind! Zu diesem Zweck kann man den Gebrauch der Vernunft nicht ohne Schaden hintansetzen oder verachten. In einen zweifachen Anklagezustand verstricken sich Menschen, die mitten in den Wellen weder Arme noch Beine rühren, weder nach Weidengestrüpp am Ufer noch nach einem Baumast noch nach einer auf dem Wasser treibenden Stange greifen und doch allen Fährnissen unversehrt entkommen wollen. Ebenso diejenigen, welche sich, solange es noch möglich ist und Gott einen ehrenhaften Rettungsweg zugesteht, sich nicht vor Schwertern, Feuern, Blöcken, Hieben von Henkersknechten, Galgen oder dem festen Strick in Sicherheit bringen. |
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<92> Corpora nam produnt ipsi sua, in interitumque |
Sie geben nämlich selbst ihre Leiber preis und stürzen sie ins Verderben, versuchen Gott und verachten die Gunsterweise, die er ihnen gewährt hat. Eine solche Sünde hat Petrus, des Johannes Sohn, nicht begangen: er wartete das Spiel und das Schwert des grausamen Herodes nicht ab, als sich durch die Ankunft des Engels die Tür des Kerkers öffnete und den Weg freigab und ihm die harten Ketten von den Händen fielen. Folge lieber diesem Lehrer als jenem, der, als er gefangengenommen worden war, es vorzog, den tödlichen Schierling zu trinken, als zu fliehen und sein Leben zu verteidigen, obwohl er es aus eigener Kraft und mit der Hilfe seiner Freunde gekonnt hätte – angestachelt von einem eitlen bißchen Ruhm und durchtriebenen Windbeuteleien. Reize die Wölfe nicht und warte nicht erst auf ihre fleischverschlingenden Zähne und stecke deine Hände nicht freiwillig in ihren aufgesperrten Rachen. Es kommt dir schwerlich zu, selbst den Faden der Parzen zu zerreißen und Krankheiten, die nicht da sind, geflissentlich herbeizurufen. Warte nur ab! Wenn der Faden abgesponnen ist, werden sich schon unheilvolle Dinge einstellen – falls sie dich so ergötzen und du auf Gefahren erpicht bist. Wenn der allmächtige Vater dich zum finsteren Tode bestimmt und dir ein Kreuz auferlegt, das du bis in dein letztes Stündlein tragen mußt, dann wird er dich mit stahlharten Hand- und Fußfesseln binden, wird eine geschmiedete Fessel um deinen Hals legen, dich in einen tiefen Turm und festen Gewahrsam werfen und die enge Tür durch eine Hundertschaft von Soldaten sichern, so daß auch nicht der kleinste Spalt zur Flucht offensteht. Dann zeige großen Mut, dann denke daran, dich zu opfern! Wenn er dir aber ein Hintertürchen geöffnet oder die Handeisen und eichenen Marterbetten zerbrochen und die Türen und starken Mauern des düsteren Verlieses durchstoßen hat, dann flieh und spare dich für wichtigere Dinge auf und sei immer auf irgendeinen Tod gefaßt, |
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<93> Dum teneas purum constanti pectore verbum. |
solange du standhaften Herzens am reinen Wort festhältst. Mir
ist wohl bewußt, daß eine Flucht etwas Belastendes ist und unsere
Herzen bedrückt – nicht nur, weil wir unsere Kinder inmitten der
Wölfe zurücklassen müssen, unsere bescheidene Existenzgrundlage
zerstört wird und wir mit unserer Tat Freunde hintergehen, sondern
auch deshalb, weil für diejenigen, welche noch nicht glauben, das
erquickende Licht erstickt wird und ihre getrübten Augen noch mehr
verschlossen werden. Für Menschen, die sich selbst treu sind, ist
dies wahrlich eine große Schmach und ein Elend. Doch was könntest
du tun? Deine Freunde, deine Kinder und deine Frau wird der Herr
behüten. Zu denen, die noch nicht glauben, wird er vielleicht einen
zweiten Diener des Wortes und des Lichts senden, oder er wird es
geschehen lassen, daß sie als Verworfene zugrunde gehen, nachdem
ihr Geist sich verdüstert hat. Geh fort, ohne mit deinem Geschick
zu hadern, und tue überflüssige Sorgen von dir, damit du überall
das Steuerruder bedachtsam gerade führst und Wort und Glauben
unversehrt bewahrst. Ängstige dich vor keinem Schatten und laß das
dir anvertraute Amt nicht um irdischer Vorteile willen und unter
dem Vorwand unbegründeter Furcht im Stich, sondern stelle alles dem
Herrn anheim, der von den gewaltigen Anstrengungen eines auch noch
so verborgenen Herzens weiß. |
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<94> Id quod apud vates queritur saepe omnipotens Rex |
Dies beklagt der allmächtige König oft bei den Propheten, und Jesus, der Hirten Fürst, hat vorhergesagt, daß es so sein werde. Zuerst kommen sie demütig und als wahrhafte Diener daher und betreiben einzig die Sache des Herrn Jesus, der sie aussendet – oder sie spiegeln dies doch wenigstens listig vor und gehen mit einem Wolfsherzen einher, für kurze Zeit in einen Schafspelz gehüllt: sie würden nur lehren, was die Propheten gelehrt hätten und der Heilige Geist in zuverlässigen Schriften auf Schritt und Tritt verkünde, auf keinen Fall aber Erdichtungen des menschlichen Gehirns und auch nichts, was ein sehr starker Affekt ihnen je nach Lage der Umstände vorschreiben könnte; unsere Traumgespinste dürften nämlich mit den göttlichen Dingen nicht zu einer ansprechenden Mischung vermengt werden, alles müsse rein sein. Um ihre Aussagen unter Beweis zu stellen, erlauben sie sogar, wie es sich gehört, und befehlen und mahnen, man solle den Wert ihrer Lehre mit dem Probierstein und Feuer des göttlichen Wortes untersuchen und prüfen. Es sei stets erlaubt, verkehrte und zur Heiligen Schrift in krassem Widerspruch stehende Dinge zurückzuweisen, und in Glaubensdingen kämen der Rücksichtnahme auf irgendeine Person oder ein verehrungswürdiger Name niemals irgendeine Bedeutung zu. Einzig dem Wort und seiner Aussage, der alles, was uns betreffe, angepaßt werden müsse, dürfe man für alle Zeit vertrauen. Dies schärfen sie anfänglich energisch ein, wobei sie sich gewissermaßen als Schafe und Christi Diener aufführen. Schließlich bringen sie viele, die mit Eifer nach der verborgenen Wahrheit zu forschen begehren und Anhänger wahrer Glaubensfreiheit sind, dahin, daß sie ihnen wohlwollen und sich an Jesus Christus als dem einzigen Retter und zugleich getreulichen Lehrer von Herzen freuen. Sobald sie aber feststellen, daß viele Wohlwollende herbeikommen und keine Furcht vor auswärtigen Feinden mehr vorhanden ist, und darüber hinaus ihre ehrgeizigen Herzen sich blähen ob des Beifalls einer knechtischen Zuhörerschaft |
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<95> Ambitiosa tument, sonat et gratum auribus εὖγε, |
und ein den Ohren wohlgefälliges „Bravo!“ ertönt, richten sie Kopf und Kamm alsbald ganz erstaunlich in die Höhe und bewundern sich selbst wie der Vogel der Juno, wenn er sein Gefieder aufgestellt hat. Schon schämen sie sich, einfache Pflanzer Christi zu sein; sie sagen: „Wir sind Doktoren und erhabene Lehrer, ohne die niemand gerettet zu werden und Christus zu erkennen vermag. Wer uns den Gehorsam verweigert, ist auf ewig verloren!“ Mit solchen Reden stürzen sie die armen Zuhörer in maßlose Betrübnis, so daß selbst denjenigen, die ihnen wohlwollen, ein Ekel aufsteigt. Sie sehen nämlich eine abscheuliche Herrschaft heraufkommen, in der nicht Christus und ein Lehrer des Heiligen Geistes den Vorsitz führen, sondern in der ein lügenhaftes, verächtliches Menschlein alles in Verwirrung stürzt, über den Glauben, die Schrift und den Geist gebietet, anstelle des Wortes Gottes eitle Flausen aufnötigt, die Erforschung der Heiligen Schrift völlig zum Erliegen bringt und nach der Weise des Sophisten von Samos verlangt, daß man nur ihm allein, nur seinen Aussagen fest glaubt – eine Herrschaft, in der dieses Menschlein Gesetze aufstellt und bald dies, bald jenes aufdrängt, je nachdem, wie der Südwind einer wahnwitzigen Leidenschaft es angeblasen hat. Was hilft es, daß die Pflanzer früher Unverdorbenes gelehrt haben, wenn sie später selbst alles mit stinkendem Unrat besudeln, um des Gewinstes oder des Ruhms oder schändlicher Tyrannei willen? Wie wenn irgendein Neidischer oder ein Schlemmer Philoxenus als Gastgeber königliche Speisen und Massischen Wein auftafelt und gleichzeitig die frohgestimmten Tischgenossen mit freundlichen Worten zum Mahl auffordert und ihnen, während sie schon beim Essen sind, in die Schüsseln spuckt und speit und die Becher mit grünlichem Rotz beschmiert: ebenso versichern jene anfangs, alles sei rein und fließe aus der Heiligen Schrift, und geben die Freiheit, jedwede Lehre zu prüfen. |
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<96> Talia dum speres, nobis sua somnia promunt, |
Während man sich auf derlei Hoffnung macht, setzen sie uns ihre Traumgespinste vor, ja sogar Dinge, die der Heiligen Schrift schlechterdings widerstreiten, rauben die Freiheit und verlangen, daß man alles, was von ihnen kommt, mit geschlossenen Augen sogleich lobt und für unbezweifelbar hält. Wer dies verweigert, dem jagen sie obendrein nach zu Land und zu Meer. O ihr schrecklichen Furien, o du abscheuliche Herrschaft, o ihr Götzenbilder, die ihr die heilige Kirche Gottes schändet, o ihr deutlichen Spuren des zukünftigen Antichrists! Wenn du diese erblickst, spucke von ganzem Herzen aus und meide sie sorgsam. Und eher möge sich die Erde vor dir auftun, eher mögest du dich als ein in der ganzen Welt verachteter Flüchtling im verborgenen halten, als daß ein ähnlicher Wahnsinn deinen geschulten Geist ergreift. Lehre zwar Dinge, die rein und göttlich und fest im Wort verankert sind, vermeide es, Erdichtungen darüber zu konstruieren, was (wie man behauptet) die gute Absicht der Menschen, was der Aberglaube und was die Nachahmung eines nichtiges Kultes auszurichten imstande seien: mag sogar der Zorn verlangen, daß du dies lobst (man trägt nicht gut Unflat in die Kirche des Herrn!). Doch sträube dich nicht dagegen, daß die Herzen des Volkes und der weniger aktiven Amtskollegen und Landbauer in Freiheit bleiben; laß es zu, daß man über das, was du vorbringst, das Todesurteil spricht, und dulde gern die Waage und die Krallen des Wortes. Wenn du nämlich die Wahrheit lehrst, so erwächst der Wahrheit daraus kein Schaden. Ist diese verachtet worden, so wird der Allmächtige selbst der zuverlässigste Rächer sein; ist sie akzeptiert worden, so wird er angemessenen Lohn gewähren. Als Diener bist du weder zur Rache noch zur Vergabe des Lohns ermächtigt. Lehrst du aber Falsches und dem, was unbezweifelbar feststeht, Widerstreitendes (dies unterläuft bekanntlich zuweilen auch Bedächtigen), so ist es nur recht, daß man dich des Irrtums zeiht und du demjenigen den Platz räumst, der Besseres vorbringt. Es geht nicht an, daß du zürnst, wenn du feststellst, daß gescheite Leute die Wahrheit höher schätzen als den glänzenden Namen des Freundes. |
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<97> Falsis applaudit nemo, nisi stultus et amens. |
Falschem zollt nur ein Dummkopf und ein Verrückter Beifall. Der Weise sucht nach der Wahrheit und stellt ihr alles übrige weit hintan. Ihn wirst du nicht überzeugen, ein wie namhafter und beim einfältigen Volk beliebter Schriftsteller du immer sein magst. Er wird auch nicht fragen, wer du bist, er wird nicht viele Jahre ausharren, wie laut du auch schreien und wie geflissentlich du ihm deine Titel und deinen nichtigen Rang vorhalten und dir in einem leisen Anhauch von Ruhm gefallen magst. Er wird nur Wahrheit verlangen und suchen und nur sie festhalten und lieben. Und er wird sich nicht geschlagen geben, wenn er nicht durch bis aufs i-Tüpfelchen stichhaltige Argumente zur besseren Einsicht gebracht worden ist. Wer will, daß man ihn Göttliches lehrt, der wird nicht mit Gewalt zu bezwingen sein. Verteidige also nicht nutzlos und steifnackig das Falsche. Gestehe ebendie Freiheit, die du dir in geistlichen Dingen zu Recht selbst herausnimmst, liebevoll auch den anderen Brüdern zu. Deinen Geist suche auch nicht die finstere Einbildung heim, von allen Sterblichen seist du unter einem so glücklichen Stern geboren, daß du allein alles wissest, in allen Dingen allein den Nagel auf den Kopf träfest und kein Irrtum dich auf Abwege locke und du nirgendwo anstoßen könnest und falsch sei der Spruch: „Wir alle irren in vielem.“ Schäme dich auch nicht so sehr, weil du deine Meinung geändert hast. Die größte Schande ist es, der Wahrheit widerstehen und in der Weise der alten Giganten sogar dem Herrn die Spitze bieten und mit Wurfspießen die Sonne angreifen zu wollen. Dies haben viele Hoffärtige früher, viele auch in unserem Zeitalter getan und dabei eine blamable Niederlage erlitten. Und laß dir nicht von Lobhudlern Hörner andichten, wenn deine Stirn stumpf ist. Erforsche dich selbst, damit kein treuloser Schmeichler deine Brust zum Schwellen bringt: „Du bist bei weitem gelehrter als jener, du bist der Größere, du spielst die Hauptrolle – und du solltest nachgeben wollen? Im Gegenteil! Laß nicht locker in dem Streit, |
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<98> Ne possis minor aut aliquid nescisse videri.“ |
damit niemand glauben kann, du seist der Unterlegene oder wissest etwas nicht!“ Gehe diesen Schmeicheleien aus dem Weg und greife rasch zum Moly des Odysseus, damit der Trank der verführerischen Kirke dich nicht betört. Weder die Gunst der wetterwendischen Menge noch ein gefeierter Name oder der Ruhm der ganzen Welt seien dir soviel wert, daß du irgend jemanden in die Irre gehen läßt und mit verderbenbringenden Lehren vom rechten Weg abbringst. Man wird einst strenge Rechenschaft von dir fordern, wenn du irgendeinem unter deinen Brüdern einen Anstoß bereiten wirst. Als Diener darfst du nicht deine Interessen im Auge haben, sondern die deiner Brüder, die Christus mit Vergießen seines Blutes dem Satan entrissen hat. Oder hältst du es etwa für angemessen, daß viele Tausende deiner Brüder zugrunde gehen, nur damit dir nicht etwas von deiner Ehre abgeht? Damit du deinen Schlaf nicht unterbrichst, nicht etwa Verdruß dich aufstört? Damit du nicht gezwungen bist, dich vom weichen Pfühl zu erheben? Wie wahr auch immer sein mag, was du lehren wirst: sei immer derselbe, der Knecht Gottes nämlich, der mit Sanftmut pflanzt und bewässert, dessen maßvolles Wesen alle kennen, der das Volk nicht sich, sondern allein Jesus zuführt und gewinnt. Beanspruche auch nicht Herrschaft und Tyrannengewalt für dich, sondern tue dem Dienst am Wort Genüge und überlasse dann alles übrige dem König Christus. Mögen die glauben, denen er gewogen sein wird, und mögen die das Wort und dich verachten, die auch er verwerfen wird. Der Schöpfer muß die Herzen bewegen und der Geist, der vom Himmel kommt, die Geister erleuchten; andernfalls schlagen wir ins Wasser und durchstreifen den schattigen Hain mit widerstrebenden Hunden. Tue also Streit, Zorn und wilde Leidenschaft von dir! Nicht um deine Sache geht es, nicht dich trifft eine Kränkung, wenn jemand nicht an das Wort glaubt, wenn er die Lehren, die ihm nahegebracht wurden, verachtet und sich weigert, dich als Lehrer anzunehmen. Erinnere dich daran, was der Herr vor Zeiten |
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<99> Adversus populum vati non parva querenti: |
dem Propheten gesagt hat, als dieser gewichtige Klagen gegen das Volk vorbrachte: „Gehorche dem Volk; denn die Aufrührer haben nicht dich, den Diener, verworfen, sondern längst schon mich, den König über alles.“ Ignoriere die schrecklichen Beispiele gewisser Propheten, die Knaben, die ihrer spotteten, und bösartige Feinde wilden Bären vorwarfen oder im Feuer, das sie vom Himmel regnen ließen, verbrannten und frevelhafte Propheten falscher Götter mit dem Schwert töteten. Derartige Roheiten passen nicht zu unserem König und den Dienern des Neuen Bundes. Der Herr kam nicht in heftigen Winden, Winden, die Felsen zerbrechen und aufragende Berge in ihrem Ansturm zerschmettern, aber er kam auch nicht in einem Beben, das das hingelagerte Erdreich mächtig erschüttert, und auch nicht in einem verzehrenden Feuer, sondern in einer zarten Stimme, die war wie ein leises Säuseln des Windes. Er ließ nicht mit Zornesstimme die Gassen erbeben, kein lautes Gebrüll eines Scheltenden erscholl über die Wegkreuzungen, und nicht vor dem rechten Zeitpunkt trat er unter den Juden die Macht des zerbrochenen, den Tod androhenden Zepters in den Staub. Er löscht auch den Docht, der mit seinem Qualm alles durcheinanderbringt – den traurigen und wahnwitzigen Wirrwarr dieser Welt nämlich – nicht mit dem Tritt seines Fußes aus, sondern mit leisem Gewisper herrscht er inmitten seiner Feinde und verbreitet er sich über die Erde. Dies ist die schlechthin rechtmäßige und für alle Zeit andauernde Weise Christi, die auch den Jüngern vom hohen Himmel herab eingegeben wurde. Ihm gefiel nicht das abgeschmackte Eifern gewisser Leute, die nach des Thisbiters Beispiel vom feurigen Himmel der Venus Gemahl auf die Samaritaner herabziehen wollten, weil diese ihn keines Hauses und keiner Stadt für würdig hielten. Er schalt und hieß sie bedenken, was für ein Geist in ihnen sei und zur Gefolgschaft welchen Lehrers sie gehörten. |
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<100> Hunc imitare etiam tu vindictamque repone |
Ihm folge auch du nach: gib die Rache auf und verachte ruhigen Gemütes die Raserei gewisser Leute, die gegen Unbotmäßige Schwert und Gefängnis gebrauchen und Scheiterhaufen entzünden, die Geistliches mit Weltlichem vermischen und sich einbilden, man müsse das Wort und Christus mit dem Mittel der Landesverweisung lehren. Dies sind Gottlose und Wahnwitzige, deren angestrengtes Bemühen ich stets verabscheut habe, ja in alle Ewigkeit verabscheuen werde, solange mir die Freiheit am Herzen liegt, solange Jesus Christus mir meine geistige Gesundheit erhält. Als hätten sie Nachtschatten getrunken, als hätten sie einen von einer tollwütigen Hündin gebissenen Stein berührt, erfüllen sie zunächst die geistlichen Katheder mit entsetzlichem Geschrei und plärren dann herunter, was schwerer Zorn ihnen eingegeben hat. Du möchtest meinen, ein Sarmentus oder ein verächtlicher Galba lüde ganze Wagenladungen von Beschimpfungen über die Unbotmäßigen ab und stieße – so wie Herren gegenüber stummen Dienern – alle nur denkbaren Verwünschungen aus. Sie springen in die Höhe, schlagen gar mit der flachen Hand und den Fersen auf die Kanzel, runzeln die Stirn über die ganze Breite, werfen den Kopf hin und her, rümpfen häufig die Nase, ihre Augen glühen mit demselben stiermäßigen Ausdruck, mit dem Ajax auf das sigeische Gestade blickte, als er im Begriff stand, gegen den hochherzigen Odysseus zu reden. Die Zähne stoßen klappernd gegeneinander, die schurkische Zunge mahlt garstigen Geifer und wirft Schaum aus der Mundhöhle. Der Telamoniade, der Tirynthier auf dem Oita haben mit aberwitzigen Gebärden dereinst niemals rasender gewütet – auch nicht Orest, ehe er durch das skythische Heiligtum entsühnt worden war. Damit ist ihre Hitze aber nicht abgekühlt, und ihr Zorn läßt ihnen keine Ruhe. Sie wenden sich an die Könige und an die Magistrate und hetzen sie auf, für Bestrafung zu sorgen und Todesurteile zu verhängen. Für den Fall, daß sie dies nicht tun, drohen sie ihnen selbst furchtbare Dinge an. |
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<101> Sic gladio regnant homicidae sacra professi |
So regieren als Mörder mit dem Schwert diejenigen, die sich zu heiligen Dingen und der Lehre Gottes bekannt haben – eine Türkenbrut, in der Tat! Währenddessen jedoch – derart haben sie jede Scham abgelegt! – leugnen sie, daß sie jemandem Gewalt antäten, und geben sich vor Unkundigen den trügerischen Anschein, sie seien von jedem Mord und Blutvergießen rein – gerade so nämlich, wie einst die ruchlose Rotte der Pharisäer nicht als Anstifter zur Tötung Christi gelten wollte. Die Toren quält auch die eitle Sorge, daß die Kirche Christi, die sie ihrer Meinung nach als Atlasse von dreimal so gewaltiger Größe auf ihren Schultern tragen und durch ihre Verteidigung in gutem Stande und in Sicherheit erhalten, zusammenstürzen werde, wenn sie nicht herumtoben und nicht alle, die sich ihren Lehren widersetzen, auf jede nur mögliche Art zum Weggang zwingen würden. O diese nichtswürdigen Menschen, die Handlungsweisen des rasenden Satan für die Ehre Christi und seiner Kirche anwenden! Diese hat sich zu Anbeginn zusammengefunden durch das Wort und den friedsamen Geist, und jetzt soll sie nur Bestand haben können durch wahnwitziges Wüten? Sie, die einst von so vielen Königen und Alleinherrschern, die sie über das ganze Erdenrund hin heftig bekämpften, nicht zerstört worden ist, wird nun zerstört werden, wenn jene sie nicht verteidigen? Wenn sie nicht zu Waffen und Bränden, Schwertern und Fesseln greifen? Wohl werden die Reiche der Welt mit der Gewalt des Schwertes aufrechterhalten, da sie zweifellos aus Gewalt und Blutvergießen entstanden sind. Christi Reich jedoch wird durch keinerlei Waffen erhalten werden, sondern in Ewigkeit durch ebendie [Kräfte] überdauern, durch die es zu Anfang emporgekommen ist. Wisse also, daß alle diejenigen, welche gegen Menschen, die nicht glauben wollen, die Hilfe der Obrigkeit anfordern und Wort und Glauben mit Gewalt und Einschüchterung lehren und auch mit diesen Mitteln verteidigen oder anderswohin, in weit entfernte Länder einführen oder neu verpflanzen wollen, im wahrsten Sinne des Wortes Knechte Satans sind |
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<102> Mancipia et Stygii curare negocia regni, |
und die Geschäfte des Höllenreiches, nicht die Christi besorgen, denn dieser öffnet seine Arme keinem von denen, die mit dem Schwert gezwungen wurden oder Zwang ausgeübt haben; vielmehr hat er nur an denen Freude, die freiwillig zu ihm geeilt sind und bewegt wurden durch Liebe zu ihm und zum Vater. Ferner freut er sich auch nicht über Knechte, die sich, um zu überzeugen, mit Schwert oder Zorn, sondern nur über diejenigen, die sich mit dem reichen Schatz des Wortes gewappnet haben. |
[16] torqute (torquet Errata) [17] adhaerat [18] sacerotes (sacerdotes Errata) [19] caepit [20] Rogi [21] hic [22] nusquam quae (nusquamque Errata) [22a] cedimus [23] infligant (instigant Errata)
Letzte Änderung:
28.12.2009